Von Thomas Engel
Die Fan- und Förderabteilung des BVB: Alle arbeiten dort ehrenamtlich. Alle, ausnahmslos. Und zwar als „Überzeugungstäter“. Darauf legen Torsten Schild und Sarah Hartwich im Gespräch wert. Marketing-Abteilung sieht anders aus: In vielen Projekten und Initiativen kümmern sich die einzelnen Arbeitsgruppen der Borussen nicht nur um die Belange der Fans, sondern helfen sozial Schwachen und treten für ein friedliches Miteinander ein. – Durch die Eigenständigkeit der Abteilung innerhalb des Vereins bleibt eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt. Und man dürfe daher auch schon mal etwas kritischer sein.
Gründung einst im Tal der Tränen – aber es ging unbeirrt voran
Ein trister Montagmorgen am Westfalenstadion. Es ist nass-kalt, es pfeift einem der Wind um die Ohren, darüber dunkle Regenwolken. Alles eher zum Abwinken. Außerdem ist es gerade mal gut 36 Stunden her, dass die lieben Nachbarn aus „Herne-West“ mit dem 4:4 nach 0:4 Rückstand so etwas wie einen moralischen Sieg eingefahren haben. – Aber, es geht weiter. Den Kopf in den Sand stecken kann jeder. Und: Der BVB ist eben nicht nur Fußball.
Es war im Jahre 2004, als die Fan- und Förderabteilung von Borussia Dortmund als vierte eigenständige Abteilung innerhalb des Vereins gegründet wurde. Damals, als der BVB finanziell über dem Abgrund eierte, Konkurs und Zwangsabstieg ins Nirwana drohten. Und einige Fans ihr schwarz-gelbes Herz in die Hand nahmen und sich in ihrem Verein eigenständig organisierten, um freiwillige Unterstützungsarbeit zu leisten.
Heute ist die Fan- und Förderabteilung des BVB bestens aufgestellt: In neun Arbeitsgruppen (AG‘s) wird an den verschiedensten Fronten gewerkelt, organisiert, studiert, gefördert und konkret-praktische Hilfe dort geleistet, wo es am nötigsten ist. Zwar arbeiten die AG‘s eng mit den Fanbeauftragten des BVB zusammen.
Die Menschen in den AG‘en von Borussia Dortmund sind ehrenamtlich tätig
Diese sind aber nicht, wie oftmals verwechselt, Bestandteil der BVB Fan- und Förderabteilung, sondern anders als diese ein Team von BetreuerInnen für Fans, das beim BVB fest angestellt ist und somit auf dessen Gehaltsliste steht.
Demgegenüber sind alle Menschen, die sich in der Fan- und Förderabteilung von Borussia Dortmund engagieren, ausschließlich ehrenamtlich aktiv.
Die Mitgliedsbeiträge der ca. 17.000 in ihr organisierten Fans fließen zwar nicht eins zu eins an die Abteilung zurück, aber der Verein unterstützt sie dort, wo es geboten ist. Zudem werden Räumlichkeiten und Logistik von ihm bereitgestellt.
Wer ob dessen da gleich vermeint, schwere Geschütze auffahren zu müssen, wandelt auf dünnem Eis. Wie ein bekannter Kollege aus Dortmund, der vor einiger Zeit bei Markus Lanz im ZDF unbesehen behauptete, die Abteilung sei lediglich Teil einer BVB-Marketing-Strategie.
Denn wer gute Taten als Nur-Imagepflege denunziert, weil sie mit einer Unternehmung verbunden sind, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten agieren muss, verkennt – die Qualität der guten Tat selbst. Sie wird dadurch nämlich nicht zwingend schlecht.
Wer vielen Menschen in einer Notlage hilft, die er nicht verursacht hat, braucht sich nicht zu rechtfertigen
Selbst wenn ein Tabakkonzern – fiktiv – eine Milliarde Euro für die Forschung zur Früherkennung von Lungenkrebs spendete – wäre das an sich eine gute Tat. Zugleich läge darin natürlich eine gewisse Doppelmoral, sofern die Förderung auf Symptome zielt, für die der Spender in einem beträchtlichen Umfang mitverantwortlich ist.
Aber: Wollte der betreffende Kollege nun analog dem BVB etwa vorwerfen, er sei an der misslichen Lage von Obdachlosen im Dortmunder GAST-HAUS mitschuldig, wenn seine Fan- und Förderabteilung dort unterstützend tätig wird?
Sicher, der ganze Profi-Fußball ist heutzutage eine Unternehmung. Selbst eine exklusive Hilfsorganisation für Menschen in Not wie die Dortmunder Tafel ist eine Unternehmung. Deshalb ist ihr Engagement aber noch lange nicht unter Öffentlichkeitsarbeit zu verbuchen. Zumal, wenn in ihr „Überzeugungstäter“ durchweg ehrenamtlich tätig sind, wie der erste Vorsitzende der Fan- und Förderabteilung, Torsten Schild, betont.
Dass mit der Anbindung an wirtschaftliches Handeln immer auch ein gewisser Spagatschritt verbunden ist, weil das Herz mitschlägt („Not for sale“) dürfte jedem klar sein. Aber die relative Unabhängigkeit der AG‘s des BVB erlaubt den engagierten HelferInnen dort gleichfalls Spielräume. Und etwas kritischer dürfe man dadurch auch schon mal sein, bemerkt Torsten Schild mit einem Augenzwinkern.
„Uns verbindet Borussia – und vieles mehr“ – die Kern-Arbeitsgruppe für soziale Projekte
Fast 70 aktive Mitglieder im Alter von 22 bis 73 Jahren sind in dieser – wohl am deutlichsten mit sozialen Projekten und Aktivitäten verknüpften – AG der Fan- und Förderabteilung von Borussia Dortmund mit Worten und Taten dabei.
Nicht alle sind Vereinsmitglieder oder haben eine Dauerkarte. Was sie neben der Liebe zum Verein miteinander verbindet, ist ihr nachdrückliches Engagement dafür, einen gewichtigen Passus in der Satzung des BVB an Ort und Stelle in Dortmund und darüber hinaus umzusetzen.
Dort heißt es in § 2 Abs.3 klipp und klar, dass der Verein „die Funktion des Sportes als verbindendes Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen und sozialen Schichten“ fördere und damit allen Altersschichten eine „sportliche Heimat“ böte – und zwar: „unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Glauben, sozialer Stellung oder sexueller Identität“.
Der BVB kickt zwar in Schwarz-Gelb, doch er will sichtbar ebenso bunt sein wie die Stadt und deren BewohnerInnen selbst. Mit Blick auf die vielfältigen Aktivitäten der Fan- und Förderabteilung außerhalb des Platzes wird klar, wofür sie steht: Nachdrücklicher Eintritt („Flagge-zeigen“) für demokratische Werte wie Toleranz und Anerkennung – Kampf gegen Rassismus, Ausgrenzung und jedwede Form von Diskriminierung – Solidarität mit den Schwachen in unserer Stadt. Und dafür tut sich einiges in der AG „Uns verbindet Borussia“ (UVB).
„Kein Bier für Rassisten“ – mehr als nur Bierdeckel gegen Stammtischparolen
Seit etlichen Jahren engagiert sich die Fan-AG intensiv in zahlreichen Projekten, Kampagnen und mit einzelnen Aktionen gegen alle Formen von Rassismus und Diskriminierung. Großes internationales Echo fand die wohl mittlerweile auch in ganz Deutschland bekannte Initiative: „Kein Bier für Rassisten“.
In ihr geht es um weit mehr, als „nur“ Millionen schwarz-gelber Bierdeckel mit dieser Aufschrift von vielen fleißigen Helfern in Dortmunder Kneipen, Bar, Restaurants etc. zu verteilen. Es geht um Inhalte. Darum, rechtspopulistischen Demagogen nicht das Feld zu überlassen, sondern aktiv gegenüber menschenverachtenden Parolen Position zu beziehen.
Die 2015 gestartete Kampagne setzt sich ausdrücklich und in sehr differenzierter Weise mit gängigen Stammtischparolen auseinander („Hört hin! Hinterfragt!“) und entwickelte gegenüber dem Stumpfsinn an so manchem Tresen gute Argumente. Hier einige Beispiele für zukünftige Kneipengänge: Kein Bier für Rassisten!
Bunt statt braun, Vielfalt statt Einfalt: Die AG redet nicht nur drüber, sondern lebt Solidarität
Die Arbeitsgruppe UVB in der Fan- und Förderabteilung organisiert jährlich am ersten Märzwochenende eine Gedenkveranstaltung am Südbahnhof, um den von dort während des Nationalsozialismus deportierten Menschen – stellvertretend für alle anderen – zu gedenken. Seit ein paar Jahren wird eine Vielzahl der Dortmunder „Stolpersteine“ gereinigt, die, überall in der Stadt verteilt, an die ermordeten Opfer des deutschen Faschismus erinnern.
Einige beeindruckende Beispiele der vielen und sich politisch mit Nachdruck im demokratischen Spektrum positionierenden Aktivitäten von „Uns verbindet Borussia“. – Die Antirassismus-Arbeit sei allerdings keine explizite Antwort auf die immer wieder in die Schlagzeilen geratenen Umtriebe der notorischen Borussenfront, erläutert die Leiterin der AG, Sarah Hartwich.
Sicher, hier geht‘s auch gegen rechtes Gedankengut in den „eigenen Reihen“. Aber die Konzeption ist viel breiter aufgestellt: Sie zielt letztendlich darauf ab, mit den Grundsätzen des eigenen Vereins für ein friedliches Miteinander in die (Stadt-)Gesellschaft zu diffundieren. Von „Marketing“ ist hier keine Spur. Das findet woanders statt.
Soziales Engagement für die Schwächsten in der Stadt – für die Stadt
Im sozialen Bereich erstreckt sich das Engagement der Borussen-Fans von der jährlichen Unterstützung beim Glühweinverkauf der Dortmunder Mitternachtsmission – die sich seit vielen Jahren um die Probleme von (ehemaligen) Prostituierten kümmert und sich für die Opfer von Menschenhandel einsetzt – über regelmäßige Besuche in der Kinderchirurgie bis zur Unterstützung des Gast-Hauses. Und vieles mehr.
Letzter Akt in der langen Reihe von Initiativen und Aktionen für einen guten Zweck: die Kooperation mit dem Kinderschutzbund Dortmund. Zu seinen Gunsten verkauft die Fanabteilung in diesem Jahr erstmals an ihren Infoständen während der Heimspieltage im Westfalenstadion Weihnachtskarten zum Stückpreis von 2€ inkl. Umschlag.
Solche Karten mit ausgewählten Motiven werden von regionalen und überregionalen Künstlern gezeichnet und dem Kinderschutzbund kostenlos zur Verfügung gestellt. Der gesamte Verkaufserlös fließt dann an ihn zurück. – Nach weiteren Kooperationspartnern wird beständig geschaut.
Natürlich sind die Möglichkeiten der AG durch ihr ehrenamtliches Format begrenzt. Zudem sei es wichtig, die Ehrenamtlichen nicht mit Arbeit zu überfrachten, betont Sarah Hartwig. Auch deshalb seien neue HelferInnen natürlich jederzeit herzlich willkommen. Übrigens: Die Mitglieder der Arbeitsgruppe treffen sich auch zu regelmäßigen Kochabenden. Es entstünden über die gemeinsame Verbundenheit zum Verein hinaus immer wieder Freundschaften, ergänzt die AG-Leiterin.
Der BVB leitet gegen den Verein „Kinderwünsche e.V.“ juristische Schritte ein
Wo es Versuche gibt, die wohltätige Arbeit der Fan- und Förderabteilung für eigene Zwecke zu missbrauchen, nehmen die Borussen-Fans auch schon mal das Heft selbst couragiert in die Hand. So im Fall des Vereins „Kinderwünsche e.V.“, der unter anderem bei Heimspielen des BVB rund um das Westfalenstadion seit einigen Jahren mit Spendendosen unterwegs war.
Irgendwann kamen nämlich Zweifel auf, ob die gesammelten Spendengelder überhaupt bei den Begünstigten – kranke Kinder und solche aus sozial schwachen Familien – vollständig ankommen. Und dies hätte eine deutlich kriminelle Dimension: Veruntreuung, Betrug etc. Das müssen die Juristen klären.
Man habe die SpendensammlerInnen dann länger beobachtet und eigenständig recherchiert, berichtet Torsten Schild. Weil die Dortmunder Polizei auf erste Hinweise der Borussen-Fans zu den Sammelaktionen in möglicherweise betrügerischer Absicht zunächst keine Handhabe gesehen hätte, gegen die betreffenden Personen des gemeinnützigen Vereins vorzugehen. Schließlich landete der Fall bei Spiegel-Online. Und die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelt nun – nach Anzeige durch den BVB.
Insofern kann es in der Tat nicht von der Hand gewiesen werden: Ja, der Verein Borussia Dortmund arbeitet mit seiner Fan- und Förderabteilung eng zusammen. – Und das ist auch gut so.
Weitere Informationen:
Reaktionen
Peter Döring
„Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen“, so steht es groß auf einem Transparent im Westfalenstadion. Jeder kann es lesen – Nur Sahin dürfte mit seinem Nationalismus allerdings blind wohl blind geworden sein. Postete er doch (s. Der Westen, 2.3.2018) auf Instagramm Mitleid mit den türkischen Soldaten, die bei ihrer völkerrechtswidrigen Aggression gefallen sind, stärkte ihren Familien den Rücken. Wo bleibt der Blick auf die Opfer der türkischen Aggression in Syrien? Dem Erdboden gleichgemachte Dörfer, Tausende Vertriebene, um ihre Existenz gebrachte Menschen, Verletzte und natürlich auch Tote. Kein Wort hat Sahin für diese Opfer der türkischen Aggression übrig. Sind ja auch Kurden! „Borussia verbindet …“ Sahin verbindet sich mit Diktator Erdogan, dem türkischen Rassismus gegen Kurden, einem Angriffskrieg. Langzeitfolgen von zu viel Kopfballspiel, Birne matschig? Nationalismus und Rassismus sollte, wenn der BVB seinen Anspruch eines völkerverbindenden Sports ernst meint, weder bei Spielern noch bei Fans etwas zu suchen haben. Hier muss der Verein reagieren, hier sollten auch die Fans ihre Stimme erheben. Die Popularität von Fußballspielern darf nicht für eine menschenverachtende Haltung hingenommen werden.