Ungewöhnliche Blicke und neue Einsichten verspricht das Programm des Internationalen Frauenfilmfestivals (IFFF) 2019 in Dortmund. Es wurde allein von weiblichen Filmschaffenden gestaltet, was einen starken Kontrast zum sonstigen großen Filmgeschäft darstellt: immer noch sind die meisten bekannten und großen Regisseure oder Kamera-Bediener männlich. Beim diesjährigen Motto muss frau genau hinschauen, weil optische Täuschtechniken, z.B. Metamorphosen oder Mimikry, immer mehrere Deutungsebenen ermöglichen. Variantenreich zu erleben vom 9. bis zum 14. April.
Frauen als Filmgestalterinnen, die Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen
Warum gerade dieses Motto? Laut Festivalleiterin Maxa Zoller hebe ein Trugbild die Wahrheit aus den Angeln und eine Bilderfalle zerstöre die Bezüge der Dinge zueinander. Deshalb schaffe sie Raum und Zeit zwischen den Dingen, die sich nun frei bewegen könnten.
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Tatsächlich gibt es viel Freiraum für die filmische Gestaltung von Themen. Regisseurinnen erzählen auf dokumentarische oder kunstvolle Weise über Familie, Herkunft und Identität; daneben die ganz große Keule: Kritik am Kapitalismus und dem Patriarchat. Das Aussehen einer Schauspielerin, was bei vielen Filmen mit männlicher Regie oftmals sehr wichtig ist, spielt keine Rolle. Frauen gestalten Filme, bestimmen über die Regie und treffen selbständig Entscheidungen.
Der Eröffnungsfilm, ein Animationsfilm mit dem Titel „The man woman case“ von Anais Caura behandelt einen Gerichtsfall aus Australien um die erste Transgender-Person des frühen 20. Jahrhunderts: Eugene/Eugenia Falleni. Bei diesem Format steht nicht nur der Protest für Gleichberechtigung, sondern auch die künstlerische Qualität im Vordergrund.
Rewriting her story – statt männliche Geschichtsschreibung: die eigene Geschichte als Frau zurückerobern!
Geschichte wird zu oft nur von Männern geschrieben – das will das IFFF zumindest im Kleinen ändern. Die Geschichte soll wieder und von ihr, also von Frauen, geschrieben werden. Der weibliche Blick auf die Dinge ist nun mal ein anderer.
In „The Watermelon Woman“ zeigt Regisseurin Cheryl Dunye eine Biografie der lesbischen schwarzen Schauspielerin Fae Richards aus den 1930er Jahren. Ob die Figuren immer der Wahrheit entsprechen, findet man als ZuschauerIn erst nach und nach heraus.
„Knives and skin“ dagegen gibt sich zunächst als Thriller, wird dann aber zu feministisch-surrealem Science-Fiction. Das verspricht, spannend und neuartig zu werden, wird doch in jedem Film auch immer der Blick der Regisseurin vermittelt.
Das Ruhrgebiet selbst soll beim IFFF auch seinen Auftritt in der Kurzfilmreihe „Café Kosmos“ haben. In Zusammenarbeit mit Interkultur Ruhr wird es Amateurfilme aus der Region von den 1950er bis 1980er Jahren geben. Alles, was gefilmt wurde, wird zu sehen sein, ob es die Feier im Partykeller oder der Alltag einer heterosexuellen Kleinfamilie ist. Der Ort des internationalen Frauenfilmfestivals wird also ebenfalls Gegenstand der Filmbeiträge.
Andere Blicke und Perspektiven auf bisher wenig beachtete Personengruppen Stimme geben
Die deutsche Geschichte ist immer noch sehr von westdeutscher Dokumentationsfotografie geprägt, meint die Regisseurin Barbara Metselaar-Berthold. Mit ihrem Dokumentationsfilm „Audienzen – Strategien der Selbstbehauptung“ werden die Dokumentationsfotografinnen Evelyn Richter und Ursula Arnold vorgestellt.
Nach rechtsradikalen Anschlägen sind die Opfer meist schnell vergessen, alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die Täter und deren Bestrafung. Nicht zuletzt darauf, dass sie selbstverständlich unpolitisch und Einzeltäter waren.
Mala Reinhards Film „der zweite Anschlag“ zeigt auf, dass es wie ein zweiter Anschlag ist, wenn Opfer nicht von ihren traumatischen Erlebnissen erzählen und die Gesellschaft erinnern können.
Sonderveranstaltungen beim IFFF warten mit ungewöhnlichen Orten und Kunstwerken auf
Dass man/frau zum Filmeschauen nicht immer im Kino sitzen muss, beweisen „Shorts on Wheels“, eine Fahrrad-Kurzfilmreihe zum IFFF: um 20 Uhr geht es am 11. April auf zwei Rädern los, die Filme werden mit einem Beamer an Hauswände und Fassaden projiziert. Damit soll der urbane Raum erobert und für eine freie Kulturszene geworben werden.
In „Born in Evin“ setzt sich Regisseurin Maryam Zaree mit ihrer eigenen Geschichte, ihrem Geburtsort, das Gefängnis Evin im Iran, auseinander.
In der Dortmunder Innenstadt wird es Außerirdische in gestrickten Kokons geben: die Performance „Obviously she’s looking for someone“ von Susanne Dilger. Beim Film „In search…“, zum Thema Genitalverstümmlung, wird Regisseurin Bery Magako dabei sein.
Auch vorwiegend männlich geprägt: der Fußball im Verein und bei den Verbänden
Seit einigen Jahrzehnten gibt es die deutsche Frauen-Nationalmannschaft, die wie ihre männlichen Kollegen trainieren und zu Wettbewerben im In- und Ausland antreten kann; und dies äußerst erfolgreich. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt der Dokumentationsfilm „Khartoum offside“ aus dem Sudan.
Zwar bekommt der Sudan Geld von der Fifa für seine Frauen-Nationalmannschaft, doch dies kommt nie bei den Frauen an, ihre Platzmiete für das Training müssen sie selbst bezahlen. Patriarchale Strukturen herrschen nicht nur im Sudan, sondern auch bei der Fifa, dem Weltfußballverband vor.
Am Ende des IFFF wird zum achten Mal der Preis für die beste Spielfilmregie vergeben. Viele Genres, Geschichten, dokumentarisches Erzählen sowie Satire bis zum Science-Fiction machen die Filme aus. Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln bietet die Möglichkeit, eine andere Art von Filmen kennenzulernen; eben welche, die nicht vom männlichen Blick auf die Welt geprägt sind.
Weitere Informationen:
- Internationales Frauenfilmfestival Dortmund: „Bilderfallen, Täuschung, Maskerade“, vom 9. bis 14. April 2019. Homepage; hier:
- Das gesamte Programm; hier.
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