Gerne denken viele DortmunderInnen an das Jahr 2006 und das Sommermärchen zurück, als die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland ausgetragen wurde. Die Europameisterschaft 2024 könnte ebenfalls in Deutschland ausgetragen werden. Allerdings sind die Kosten für die teilnehmenden Kommunen nicht zu kalkulieren. Die Bewerbung von Dortmund – die Stadt gilt eigentlich als einer der zehn Spielorte als gesetzt – wackelt.
Risiko: Die zu erwartenden Kosten für die Austragungsorte nicht zu beziffern
Zu den 14 Städten, die noch im Rennen sind, gehören neben Dortmund Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mönchengladbach, München, Nürnberg und Stuttgart. Zuletzt war Kaiserslautern wegen „eines unverantwortlichen finanziellen Risikos“ ausgestiegen.
Am 15. September wird das DFB-Präsidium die zehn Spielorte bestimmen. Das Problem: Bis zum 12. Juni müssen alle Städte verbindlich ihre Bewerbung abgeben. Allerdings sind die Kosten für die Austragungsorte nicht zu beziffern.
„Wenn jetzt ja sagen, kaufen wir eine Katze im Sack oder haben einen ungedeckter Wechsel“, gibt sich der ansonsten fußball-fanatische Dortmunder OB Ullrich Sierau ungewohnt zurückhaltend.
„Wir sehen uns als Verwaltung etwas in dem Dilemma, dass wir die Kosten nicht überblicken. Wir können nur Vermutungen anstellen, was da im Pflichtenheft der UEFA steht“, so Sierau. Zwar hat Dortmund nicht zuletzt durch die Austragung der WM 2006 viele Erfahrungen gesammelt. Aber 2024 wäre das 18 Jahre danach.
„Eskalation in Sicherheitsfragen und exponentielle Veränderungen in der Technik“
Schon jetzt habe es „eine Eskalation in Sicherheitsfragen gegeben und eine exponentielle Veränderungen in der Technik“. Ausstattung, Übertragungstechnik, Digitalisierung, Drohnen… vor allem aber auch die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Welche Vorgaben und damit Kosten auf einen Austragungsort zukomme – und wer das dann bezahle – sei völlig offen.
„Sicherheit ist Thema der Polizei und damit des Landes. Aber versuchen sie da jetzt mal, eine belastbare Aussage zu bekommen“, skizzierte Sierau das zusätzliche Problem, welches sich durch den Regierungswechsel in Düsseldorf ergebe.
Dortmund hat daher im Rahmen des Städtetages alle potenziellen Austragungsorte zusammengetrommelt, um die wichtigen Fragen zu besprechen und auch eine gemeinsame Position an DFB und UEFA zu formulieren. Doch die Bereitschaft der Kommunen, sich daran zu beteiligen, war nicht so überwältigend.
Sierau: „UEFA und DFB kassieren und wir bezahlen – das ist etwas einseitig“
„Sie sehen sich im Konkurrenzverhältnis. Außerdem gibt es eine Verschwiegenheitspflicht. Schade. Die Städte hätten die Chance, ihre durchaus berechtigten Informationsinteressen und und vor allem auch die pekuniären Interessen zu formulieren“, so Sierau. Derzeit gebe es nur noch Türkei, die ebenfalls die EURO2024 austragen wolle. „Das gibt uns eine gewisse Macht im Bewerbungsverfahren.“
Doch bevor dies zum Tragen kommt, müssen sich die Städte entscheiden. Die durchaus berechtigte Sorge: „UEFA und DFB kassieren und wir bezahlen – das ist etwas einseitig“, betont der BVB-Fan. Unsere Politiker im Rat wollten möglichst viele Informationen. „Die müssen wir bekommen, trotz das wir mit widrigen Umstände zu kämpfen haben. Der DfB sagt nichts, weil er an der UEFA hängt und die UEFA sagt sowieso nichts“, ärgert sich Sierau.
Überlegungen wie in Mönchengladbach, dass Stadion während der Zeit der EURO vom Verein an die Stadt zu übertragen, findet auch der BVB interessant. Denn dieser kann und will sich ebenfalls nicht die unkalkulierbaren Kosten und Risiken ans Bein bilden.
Der Rat muss über das „finanzpolitische Hasardeurtum“ entscheiden
Die Regierungspräsidentin habe im Zuge der Haushaltsgenehmigung die Streichung aller freiwilligen Leistungen in den Bereichen Kultur und Sport vorgeschlagen. Deshalb habe die Stadt nun bei der Bezirksregierung gefragt, „ob sie uns eine solche Verpflichtung zubilligt oder ob das als finanzpolitisches Hasardeurtum“ gewertet würde.
Die Entscheidung liegt am 1. Juni beim Rat: Die Stadtspitze wird den KommunalpolitikerInnen zwei Entscheidungsvarianten vorlegen: Entweder wird beschlossen, sich NICHT am Bewerbungsverfahren zu beteiligen oder die Verwaltung zu ermächtigen, sich zu beteiligen – unabhängig der zu erwartenden Kosten.
„Die Frage der Kosten und Kostenträgerschaft ist nicht ausreichend geklärt. Ich will nicht sagen, dass wir hin und her gerissen sind. Aber es mag sein, dass wir hier das etwas ernster nehmen als manch andere Stadt“, gibt Sierau den Moderator. Der DfB habe bisher noch keine Gesprächsbereitschaft signalisiert.
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Grünen-Fraktion
GRÜNE zur EM-Bewerbung: Momentane Bedingungen von UEFA und DFB sind nicht akzeptabel
Für die GRÜNEN im Rat sind die momentan vorliegenden Bedingungen von UEFA und DFB hinsichtlich der Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2024 nicht akzeptabel.
Ingrid Reuter und Ulrich Langhorst, Fraktionssprecher*innen der GRÜNEN: „Entscheidend ist auf`m Platz – das ist eine alte Dortmunder Fußballweisheit. Und das, was im Moment auf dem Platz liegt, ist eine Art Knebelvertrag von UEFA und DFB mit unabsehbaren finanziellen Folgen. Denn von der Stadt wird eine bedingungslose Erklärung zur Übernahme aller Kosten und Risiken verlangt.
Ohne Frage ist die EM eine tolle Veranstaltung, die wir auch gerne in Dortmund ausrichten würden – aber nicht zu diesen Bedingungen und nicht um jeden Preis.
Die jetzt vom Oberbürgermeister genannten möglichen Kosten von bis zu 30 Millionen Euro sind für eine Stadt, die seit Jahren massive Sparbemühungen unternehmen muss, indiskutabel. Wir beraten Jahr für Jahr einen städtischen Haushalt, der ständig am Rande der Haushaltssicherung steht. Wir diskutieren über Kürzungen im Behindertenfahrdienst, über Einschränkungen bei Bussen und Bahnen, über notwendige zusätzliche Plätze in der Kinderbetreuung. Und gleichzeitig sollen wir einen Blanko-Scheck für eine kommerzielle Veranstaltung wie die Fußballeuropameisterschaft unterzeichnen – das passt nicht zusammen.
Selbst wenn man nach einem Kosten-Nutzen-Vergleich zu einem positiven Ergebnis für die Stadt käme, muss man sehr genau überlegen, ob man jegliche Forderungen eines Verbandes akzeptieren will, der solche Bedingungen stellt. Es kann nicht sein, dass der DFB, die UEFA und die beteiligten Unternehmen finanziell von einer Europameisterschaft profitieren und die Austragungsstädte und ihre Bürger*innen das Risiko tragen sollen.
In Dortmund steht das deutsche Fußballmuseum. Dortmund ist mit dem BVB und dem Westfalenstadion als größtem Stadion der Republik die Fußballhauptstadt in Deutschland. Wenn ausgerechnet Dortmund bei den Austragungsstätten der EM nicht dabei wäre, kann das nicht im Sinne des DFB sein. Eine klare Haltung Dortmunds zum Vertragsgebaren dürfte dem Verband deshalb nicht egal sein.
Wir sehen zurzeit die einzige Chance einer Teilnahme darin, alle Bewerberstädte auf eine gemeinsame Linie gegenüber UEFA und DFB zu bringen, die das Risiko für die Beteiligten klar beziffert und auch begrenzt. Ob dafür allerdings die Zeit reicht, bezweifeln wir.“
Stadt Dortmund
Bewerbungsverfahren für die Euro 2024: DFB verlängert die Frist
Im Bewerbungsverfahren des DFB zur Fußball-Europameisterschaft 2024 hat der Deutsche Fußballbund der Stadt eine Fristverlängerung mitgeteilt. Aus einem Schreiben, das Dienstagnachmittag eingegangen ist (siehe Anhang), geht hervor, dass die Stadt Dortmund nun gehalten ist, bis zum 10. Juli 2017 eine Erklärung über eine mögliche Teilnahme abzugeben. Die vorherige Frist war der 12. Juni 2017.
Oberbürgermeister Ullrich Sierau wertet diese Fristverlängerung als freundliche Geste von Seiten des DFB. „Offensichtlich haben unsere Bemühungen Erfolg gehabt. Dieser zeitliche Aufschub gibt uns die Möglichkeit, noch einige Dinge anzusprechen und zu klären.“ Diese Möglichkeit besteht auch auf einem Treffen in der Frankfurter DFB-Zentrale, zu dem der Deutsche Fußballbund mit Schreiben von gestern die Beteiligten für den 7. Juni eingeladen hat. OB Ullrich Sierau: „Die Lage hat sich etwas entspannt. Ob aus dem Gespräch in Frankfurt nennenswerte Erkenntnisse mitzunehmen sind, bleibt abzuwarten.“
Hinsichtlich der Entscheidung des Dortmunder Rates bleibt es bei dem bisher bekannten Zeitplan mit einer Befassung im Rat am Donnerstag, 1. Juni. Hintergrund: die nächste Ratssitzung am 13. Juli liegt terminlich drei Tage später als die neue vom DFB genannte Frist.
Der Ratsentscheidung zugrunde liegen zwei im Folgenden dargestellte Varianten. Sollte der Rat mit Blick auf die verlängerte Frist und das Treffen in Frankfurt eine Sonderoption wahrnehmen wollen, könnte die Entscheidung im Rahmen einer dann einzuberufenden Sondersitzung des Rates oder des Ältestenrates mit anschließender Dringlichkeitsentscheidung vor dem 10. Juli 2017 und Genehmigung in der Ratssitzung am 13. Juli erfolgen. Vorschlag der Verwaltung Für die Ratssitzung am 1. Juni 2017 schlägt die Verwaltung der Politik nun zwei Varianten vor.
Variante A : Die Teilnahme Dortmunds am Nationalen Bewerbungsverfahren zur EURO 2024 nicht weiter zu verfolgen
Variante B : Die weitere Teilnahme Dortmunds am Nationalen Bewerbungsverfahren zur EURO 2024. Der Rat ermächtigt dabei die Verwaltung zur Abgabe aller dafür erforderlichen rechtsverbindlichen Erklärungen sowie zur Eingehung der damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der UEFA, dem DFB, Borussia Dortmund und den mit diesen Organisationen verbundenen Unternehmen.
In diesem Zusammenhang erwartet der DFB eine pauschale Zusage aller Bewerberstädte, ihn „auf eigene Kosten bestmöglich zu unterstützen“. Konkrete Anforderungen und damit verbundene finanzielle Auswirkungen ergeben sich erst in weiteren Phasen des Bewerbungsverfahrens sowie etwaiger EM-Vorbereitungen.
Vor dem Hintergrund der erforderlichen bedingungslosen Zusagen an die UEFA im Bewerbungsverfahren und der damit verbundenen Risiken für den Haushalt der Stadt Dortmund auf der einen Seite, des wirtschaftlichen Nutzens und der erheblichen öffentlichkeitswirksamen Bedeutung einer Turnierbeteiligung Dortmunds auf der anderen Seite, wird die Verwaltung dem Rat keine Empfehlung für oder gegen eine Bestätigung des Dringlichkeitsbeschlusses zur Teilnahme am Nationalen Verfahren geben.
Fakt ist: Mit einem Beschluss zur weiteren Teilnahme am Nationalen Bewerbungsverfahren bindet sich die Stadt Dortmund ab dem 10.07.2017 dauerhaft und ohne vertragliche Kündigungsoption an die diesbezüglichen von UEFA und DFB vorgegebenen Erklärungen.
Vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamtzusammenhangs hat die Stadt Dortmund die Bezirksregierung in Arnsberg angeschrieben. Die Stadt bittet in diesem Schreiben um Mitteilung, ob seitens der Bezirksregierung haushaltsrechtliche Bedenken gegen eine Teilnahme der Stadt Dortmund an dem weiteren nationalen Bewerbungsverfahren bestehen und ob ein entsprechender Ratsbeschluss gegebenenfalls einer kommunalaufsichtlichen Beanstandung unterläge.
Lothar Tatzik
Es kann doch nicht sein, dass eine Stadt, die einem ständigen, von oben verordneten Spardiktat unterliegt, die bezifferten 30.000.000 ausgibt, um dann im sozialen, schulischen Bereich, Wohnugsbau etc. wieder massiv einzusparen Die Stadt soll das volle Risiko von DFB und UEFA tragen, diese „Institutionen“ wollen sich -nicht zum ersten Mal- auf Kosten der Allgemeinheit bereichern. Wieder einmal sollen auf diese Weise Schulden sozialisiert werden, die Gewinne behalten DFB und UEFA lieber für sich (Ticketing, Sponsoring, etc.).
Von Polizeieinsätzen bzw. den damit verbundenen Kosten will der DFB dagegenen nichts wissen (s. Bremer Gerichtsurteil)…