Von Klaus Winter
Der Hauptfriedhof Dortmund besteht aus zwei sehr unterschiedlich großen Teilen. Der kleinere Teil liegt westlich des Rennwegs. Er dürfte vielen Dortmundern noch unter seinem alten Namen „Ausländerfriedhof“ bekannt sein. An dem gut erhaltenen historischen Eingangstor beginnt ein schnurgerader Weg, der direkt zu einem Sowjetischen Ehrenmal führt. Links und rechts des Weges, bis etwa auf halbe Strecke liegen die Grabfelder 1 und 2. Hier wurden ab 1921 die verstorbenen jüdischen Dortmunder bestattet. Bei einer aktuell durchgeführten Aufnahme der Grabmale der jüdischen Felder zeigte sich nun völlig unerwartet, dass eine Familiengruft mit einem Grabmal des Bildhauers Leopold Fleischhacker geschmückt wurde.
Fleischhacker wurde in Düsseldorf und Berlin ausgebildet
Leopold Fleischhacker (1882-1946) hatte von 1897 bis 1902 die Kunstgewerbeschule Düsseldorf besucht. Von 1903 bis 1905 war er Schüler an der Kunstakademie Berlin. Ein Stipendium ermöglichte ihm einen mehrmonatigen Studien-Aufenthalt in Rom.
Ab 1906 lebte Fleischhacker in Düsseldorf, wo er 1912 sein erstes eigenes Atelier bezog. Er schuf vor dem Ersten Weltkrieg eine Büste von Theodor Herzl, nahm nach dem Krieg an Wettbewerben für Kriegerdenkmale teil. Sein Denkmal für die jüdischen Gefallenen der Gemeinde wurde an der Großen Synagoge Düsseldorf errichtet.
Fleischhacker gestaltete die Kopfmedaillons am Gebäude des Amts- und Landgerichts Düsseldorf, die Fenster und das Portal der Stadtbibliothek Wuppertal, die Skulpturen am Südportal des Rathauses Oberhausen u. a.
Reichskulturkammer verhängte praktisch ein Berufsverbot
Fleischhacker beteiligte sich an Ausstellungen und war Mitglied im „Malkasten“, einem Künstlerverein in Düsseldorf. 1933 wurde er als Jude nicht zur „Reichskammer der bildenden Künste“ zugelassen, was einem Berufsverbot gleichkam.
In der Pogromnacht 1938 wurde sein Atelier verwüstet. Leopold Fleischhacker floh daraufhin mit seiner Ehefrau zunächst nach Köln. Anschließend lebten sie bis Kriegsende in Belgien im Untergrund.
Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete Leopold Fleischhacker noch einmal ein Atelier in Brüssel. Doch er starb bald darauf und wurde in der Nähe von Brüssel beigesetzt.
Fleischhacker schuf zahlreiche Grabmale – jetzt wurde eins in Dortmund entdeckt
Nachdem ihm die Mitgliedschaft zur Reichskammer der bildenden Künste verwehrt worden war, konnte Leopold Fleischhacker nur noch für jüdische Kunden arbeiten. Vor allem schuf er nun zahlreiche Grabmale.
Es wird geschätzt, dass ca. 250 Grabmale in seiner Werkstatt entstanden. Über 100 stehen auf dem jüdischen Teil des Düsseldorfer Nordfriedhofes.
Nun wurde auch auf dem Hauptfriedhof in Dortmund ein von Leopold Fleischhacker gestaltetes Grabmal entdeckt.
Betrieb der Heumanns überstand den Ersten Weltkrieg
Es erinnert an ein Ehepaar, das 1930 bzw. 1931 verstarb. Somit könnte das Grabmal bereits vor 1933 entstanden sein. Bei dem um die Jahreswende 1930/31 innerhalb weniger Monate verstorbenen Ehepaar handelte es sich um Moses Neumann und seine Ehefrau Hedwig geb. Schloss.
Moses Heumann war Inhaber eines Agenturgeschäftes in Lebensmitteln. Als solcher ist er vor dem Ersten Weltkrieg nachweisbar. Das Geschäft überstand die Kriegszeit und ist auch in den 1920er Jahren gemäß den Adressbüchern der Stadt Dortmund noch an der Josephstr. 4 nachweisbar.
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war aber nicht mehr Moses Heumann Inhaber des Agenturgeschäftes, sondern ein Max Heumann, mutmaßlich der Sohn des ursprünglichen Firmeninhabers.
Wie die Verbindung hergestellt wurde, die dazu führte, dass ein Grabmal des Düsseldorfer Bildhauers Leopold Fleischhauer auf dem Dortmunder Hauptfriedhof, am Westrand des Feldes 2 an der Gruft der Eheleute Heumann aufgestellt werden konnte, ist heute vollkommen unklar.
Hintergrund:
- Der Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. (gegr. 1871) ist Träger des Projekts „Jüdische Identität, jüdisches Leben und jüdische Friedhöfe in Dortmund“.
- Ausgehend von einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme aller historischen jüdischen Friedhöfe im Stadtgebiet sollen neue Erkenntnisse über das Leben und Wirken jüdischer Mitbürger gewonnen und dokumentiert werden.
- Das Projekt wird gefördert mit Mitteln aus dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen („Heimatzeugnis“).
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