„Die gewählte Nummer ist nicht vergeben“ bekommen die Anrufer zu hören, die das Quartiersmanagement Nordstadt derzeit anrufen. Die neue Telefonanlage spinnt mal wieder. Eines der Probleme im neuen Büro der Quartiersmanager an der Mallinckrodtstraße, in das sie vor wenigen Wochen eingezogen sind. Noch sind nicht alle Kisten ausgepackt. Dabei müssen sie wohl schon bald wieder einpacken: Am Jahresende soll nun definitiv Schluss sein.
Mindestens für ein halbes Jahr kein Quartiersmangement in der Nordstadt
Eine mögliche Vertragsverlängerung für den jetzigen Träger soll es nicht geben, einen nahtlosen Übergang zu einem neu gestalteten Quartiersmanagement auch nicht.
Frühestens zum Juli 2015 gäbe es dann etwas Neues, wenn Oberbürgermeister Ullrich Sierau seine Pläne durchgesetzt bekommt und alles problemlos läuft.
Der Dortmunder SPD-Politiker arbeitet fieberhaft an einem großen Wurf – das Quartiersmanagement Nordstadt ist dabei allerdings nur ein kleiner Baustein. „Nordwärts“ ist der Arbeitstitel des übergreifend angelegten Projekts, bei dem die unterschiedlichsten Angebote, Einrichtungen und Ämter verzahnt werden sollen.
Angebote sollen besser verzahnt werden – für mindestens sechs Stadtbezirke
Die Querschnittsthemen Bildung, Soziales, Zuwanderung, Wirtschaftsförderung, Wohnungswesen, Stadterneuerung, Ordnung und Sportstätten sollen dabei in einem großen Wurf vereint werden. Nicht nur für die Nordstadt: „Mindestens für sechs Stadtbezirke“, bestätigte OB Ullrich Sierau den Nordstadtbloggern auf Nachfrage.
Ihm passen die bisherigen Angebote nicht, weil sie nicht ausreichend verzahnt seien: Die Aktionsräume Soziale Stadt, die Taskforce Nordstadt, das Quartiersmanagement in der Nordstadt und die zahlreiche Angebote der freien Träger. „Sind wir richtig aufgestellt? Wer macht jetzt was?“ Dies seien die Fragen, die beantwortet werden müssten. „Wir brauchen eine Gesamtsteuerung – sozial und räumlich über die Nordstadt hinaus“, verdeutlicht er im Gespräch mit nordstadtblogger.de.
Sierau ist mit der bisherigen Arbeit der Quartiersmanager unzufrieden
„Dafür müssen wir zuspitzen, verstetigen und vieles anpassen.“ Doch diese Restrukturierung brauche Zeit. Dass es eine Zeit lang kein Quartiersmanagement gebe und dabei auch personelle Ressourcen, Netzwerke und Strukturen auf der Strecke bleiben, ficht Sierau nicht an. „Den Gap nehme ich billigend in Kauf. Ich sehe nicht, dass die bisherige Arbeit dringend weitergeführt werden müsste.“
Ein Schlag ins Gesicht der bisherigen Betreiber. Die Träger des Quartiersmanagements, Stadtteilschule und Soziales Zentrum, haben von der neuen Linie durch die Stadterneuerung erfahren. Dort hatte man bisher daran gearbeitet, eine Zwischenlösung auf die Beine zu stellen, um einen nahtlosen Übergang zu schaffen. Dies wurde nun durch den OB gestoppt. Es geht um 135.000 Euro, die die Arbeit der Quartiersmanager in einem halben Jahr insgesamt kostet.
Stadtteilschule Dortmund befürchtet eine Zerschlagung der Strukturen
„Da entsteht eine riesige Lücke – das ist absolut verheerend“, kritisiert der geschäftsführende Vorstand der Stadtteilschule, Veit Hohfeld. „Die aufgebauten Strukturen werden dadurch komplett zerschlagen.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind geschockt, hatten sie doch zumindest mit einer befristeten Weiterführung gerechnet. Sie seien hingehalten worden.
„Für die Betroffenen ist das natürlich schwierig“, kommentiert Bürgermeisterin Bigit Jörder (SPD) die Planungen, die sie aber im Grundsatz für richtig hält. „Ich möchte das Quartiersmanagement näher an der Stadt haben. Manches hat sich in den Jahren verselbstständigt und ist vielleicht auch etwas eingeschlafen“, bewertet die Nordstadt-Politikerin. „Auch wenn Leute wie Martin Gansau das seit fast 20 Jahren engagiert und gut machen“, so Birgit Jörder weiter.
Allerdings – und das macht Hohfeld deutlich, bisher immer in quasi-prekärer Beschäftigung: „Martin Gansau arbeitet seit 20 Jahren in und für die Nordstadt, hatte aber noch nie einen unbefristeten Vertrag“, zeigt Hohfeld beispielhaft an der persönlichen Situation seines Projektleiters auf, der nun erstmals von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Bisher hatte man es immer geschafft, quasi-nahtlose Übergänge zu schaffen. „Vielleicht ist die Lücke ja nötig, um Veränderungen zu erreichen“, mutmaßt Birgit Jörder.
Nordstadt-Bezirksbürgermeister kritisiert mangelhaften Informationsfluss
Ihr Ehemann, der neue Nordstadt-Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder (SPD) hingegen bedauert, dass die neue Konzeption nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht worden sei. Er kritisiert zudem den schleppenden Informationsfluss. Von der geplanten Lücke habe er durch nordstadtblogger.de erfahren. „Mir wurde immer kommuniziert, dass dies nahtlos weitergeht.“ Er möchte nun erst einmal die genauen Planungen erfahren, bevor er die Vorgänge im Detail kommentiert.
Verzahnungspläne wird gelobt – aber bitte ohne Lücke beim Quartiersmanagement
Ähnlich geht es dem SPD-Stadtbezirksvorsitzenden der Nordstadt, Florian Meyer. Er begrüßt die engere Verzahnung. Eine mindestens halbjährige Lücke ist für das Ratsmitglied aber nicht hinnehmbar: „Sie muss so klein wie möglich ausfallen. Wir können die Arbeit der letzten zehn Jahre nicht einfach zusammenbrechen lassen“, kritisiert der SPD-Politiker. Die Beteiligungsstrukturen würden zusammenbrechen, aber auch viele Veranstaltungen müssten ausfallen.
„Mich würde es wundern, wenn man bei einem Zwei-Milliarden-Euro-Haushalt nicht ausreichend Geld für ein halbes Jahr Quartiersmanagement finden würden.“ Es gehe doch „nur“ um 135.000 Euro, so Meyer. „Statt des Saufraums würde ich lieber das Quartiersmanagement retten.“
Allerdings nicht mit dem Geld der Bezirksvertretung, kündigte Dr. Ludwig Jörder bereits vorsorglich an: „Herr Meyer ist ja Ratsmitglied. Dann kann er da ja die Finanzierung organisieren.“ Die SPD-Fraktion im Rat konnte dazu allerdings nichts sagen. Der neue Fraktionschef Norbert Schilff befürwortete zwar den „Nordwärts“-Plan, kannte aber selbst nicht die Details zum Quartiersmanagement Nordstadt.
Oberbürgermeister kündigt großen Diskussionsprozess zu „Nordwärts“ an
Selbst in der SPD ist damit die Verwirrung groß, was genau „Nordwärts“ für die Nordstadt und sein Quartiersmanagement bedeutet. Der OB will dies allerdings schnellstens aufklären. Das Thema werde nicht im Hinterzimmer entschieden, sondern partizipativ und in den politischen Gremien diskutiert.
Wegen der Komplexität brauche dies aber noch Zeit. Schließlich sind auch mehrere Dezernate betroffen – Die Aktionsräume Soziale Stadt liegen bisher in der Zuständigkeit des OB, die Stadterneuerung bisher noch beim Planungsdezernenten Martin Lürwer, die Taskforce Nordstadt bei Ordnungsdezernentin Diane Jägers, die anderen Aufgaben vor allem bei Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Dort sollen diese offenbar gebündelt werden: Die Stadterneuerung wird schon zum 1. Januar ans Wohnungsamt angedockt.
Dortmunder Rat soll möglichst noch im Dezember entscheiden – Komplexes Verfahren
Sierau hofft, vielleicht schon im Dezember grünes Licht im Rat für „Nordwärts“ zu bekommen. „Vielleicht müssen wir aber noch zwischen Weihnachten und Neujahr daran arbeiten“, kündigt er schon vorsorglich an. Im ersten Quartal soll die Ausschreibung für das neue Konstrukt auf den Weg gebracht werden. Bis Ostern solle dann eine Entscheidung getroffen sein, wenn es wunschgemäß läuft. Dann wäre genug Zeit, den 1. Juli zu halten.
Klar ist für Sierau schon jetzt, dass wieder freie Träger die Aufgabe bekommen müssen. Personal für eine städtische Lösung – wie beispielsweise von Birgit Jörder gewünscht – gebe es nicht. Allerdings müsse klar sein, dass der neue Träger dies dann nicht als Privataufgabe verstehen dürfe, sondern in enger Abstimmung mit der Stadt handeln müsse.
Bei den freien Trägern, den anderen Parteien und vielen Multiplikatoren rumort es gewaltig. Sie wollen sich dafür stark machen, einen nahtlosen Übergang hinzubekommen. Sie wollen nicht hinnehmen, dass bei einem Anruf im Quartiersmanagement dauerhaft die Ansage „Die gewählte Nummer ist nicht vergeben“ erklingt.
(nordstadtblogger.de berichtet noch über die Reaktionen der anderen Parteien und Multiplikatoren)
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Reaktionen
Ludwig Jörder
Zunächst: ich habe keineswegs gesagt, dass ich von den Nordstadtbloggern erstmalig von der geplanten Lücke erfahren habe. Das bezog sich auf andere Sachverhalte, von denen sich allerdings einer wenig später als falsch herausgestellt hat. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, dass ich von dieser Lücke inoffiziell und auf Nachfrage erfahren habe und dass noch keine offizielle Information der Bezirksvertretung vorliegt, und dass ich mich auf dieser Basis gerne mit dem Begründungszusammenhang und mit den Konsequenzen befassen würde.
Im übrigen bedauere ich, dass aus einem langen Telefongespräch mit differenzierten Antworten am Ende nur der Versuch geblieben ist, durch Zuspitzung einen Gegensatz zwischen Nordstadt- Ratsvertretern und mir zu konstruieren, den es hier so gar nicht gibt.
Dr. Marita Hetmeier
Aha: Beim Quartiersmanagement Nordstadt ist zum Jahresende Schluss. Na macht nix, Hauptsache der Saufraum läuft weiter. Echt Dortmund…
vaikl
Im Gegensatz zu so manchen „Initiativen“, die mit Fremdenphobien Stimmung machen und Bürger aufwiegeln sollten, ist der Saufraum wenigstens ein Erfolgsmodell, liebe Frau Dr. Hetmeier.
Nadja Reigl, Die Linke & Piraten Dortmund
“Das Quartiersmanagement ohne mit der Wimper zu zucken einfach aufzugeben, ist eine Entscheidung, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Herr Sierau hat selbst zugegeben, dass die Arbeit nicht ausgereicht hat, die dort geleistet wurde. Kein Wunder, bei den vielfältigen Problemen der Nordstadt, die schon seit Jahren und Jahrzehnten bestehen, hat doch wohl kein Mensch erwarten können, dass das Quartiersmanagement diese mit seinen begrenzten Kapazitäten in so kurzer Zeit alle lösen könnte! Zu sehen, dass die Situation in der Nordstadt sich zusehendes weiter verschlechtert und daraus dann die Konsequenz zu ziehen, eine weiteres Hilfsangebot komplett einzustellen, kann doch nur ein schlechter Scherz sein!
Und nicht zuletzt stellt sich mir die Frage, ob man sich so den Kampf gegen Rechts vorstellt: Statt Migranten die Integration und den Zugang zu unserer gewachsenen Gesellschaft zu erleichtern, geben wir diese auf – und mit ihnen die Nordstadt. Denn nichts anderes ist diese Entscheidung: Das Geständnis, dass man die Nordstadt aufgegeben hat.”