Vom 24. Juni bis zum 17. Juli verwandelt sich die Galerie im Depot in der Nordstadt in eine begehbare Gartenoase, in der alle Sinne der Besucher:innen angesprochen werden. Unter dem Titel „Auf einen Garten“ präsentieren vier Dortmunder Künstler:innen ein gemeinsames Projekt, bei dem sie sich auf Grundlage eines alten arabischen Gedichtes mit Mensch und Natur auseinandersetzen. Die Ausstellung befasst sich mit dem Erfahrungsraum Garten als verbindendes Element zwischen Natur und Zivilisation. Dabei werden auch die Auswirkungen menschlichen Handelns im Umgang mit unserer Umwelt kritisch hinterfragt und Themen wie Ressourcenabbau und Artensterben thematisiert. Im Zusammenspiel der Künste entsteht eine Melange aus Bildern, Grafiken, Zeichnungen, Fotografien, dreidimensionalen Objekten und Audiofragmenten, die sich zu einem imaginativen Garten fügt.
Metaphorisches Gedicht als Inspiration zum gemeinsamen Projekt
„Auf einen Garten“ ist der Titel eines Gedichtes (siehe Ende des Artikels) von Achmed Ben Mohammed Mokri, auf das Künstlerin Bärbel Thier-Jaspert in einem über hundert Jahre alten Buch mit dem Titel „Arabische Nächte“ gestoßen ist, zu dem sie das Raumkonzept erarbeitet hat. Das Buch wurde 1920 von Hans Bethge veröffentlicht und ist eine Sammlung von Nachdichtungen arabischer Lyrik. ___STEADY_PAYWALL___
Das historische Gedicht ist die blumige lyrische Zustandsbeschreibung eines Gartens, bei deren Lektüre direkt Bilder im Kopf der Leser:innen entstehen – so auch bei Bärbel Thier-Jaspert. Ausgehend von dem metaphorischen Text hat sie gemeinsam mit drei befreundeten Künstler:innen auf Grundlage des Gedichtes ein kombiniertes Gesamtkunstwerk erschaffen, das alle Sinne anspricht.
Hierfür wird sich die Galerie im Depot in der Nordstadt im Juni und Juli in eine Gartenoase verwandeln, in der vier Künstler:innen in völlig unterschiedlichen Stilen ihre Interpretationen, Assoziationen und Visionen auf Grundlage des Gedichtes präsentieren werden.
Die illustrative Darstellung von Pflanzen damals und heute
Neben Bärbel Thier-Jaspert sind die Dortmunder Künstler Michael Jaspert, Bettina Köppeler und Marc Bühren an der Ausstellung beteiligt. Allen vieren erging es ähnlich: beim Lesen des Gedichtes entstanden direkt Bilder in ihren Köpfen, die sie nun künstlerisch kreativ jeweils ganz individuell und doch gemeinsam umgesetzt haben.
Dafür näherten sie sich dem Thema auf ganz unterschiedliche Weise und bringen ihre eigenen Interpretationen und Gedanken ins Spiel. Bärbel Thier-Jaspert hat das Gedicht zunächst nach mehrmaliger Lektüre öfters auf unterschiedliche Arten abgeschrieben, um es zu verinnerlichen und sich ihren eigenen diesbezüglichen Assoziationen bewusst zu werden.
Die Dortmunder Künstlerin ist insbesondere daran interessiert, wie das Gedicht begleitende Illustrationen von Pflanzen wohl vor 100 Jahren ausgesehen hätten. Von ihr sind filigrane detailreiche Fineliner-Zeichnungen von uns allen bekannten Gartenpflanzen wie zum Beispiel dem Löwenzahn oder der Distel entstanden.
„Geht man offenen Auges durch die Natur, gibt es dort vieles zu entdecken“, erläutert Bärbel Thier-Jaspert ihre Arbeit. „Es ist für alle beteiligten Künstler:innen ein spannendes Projekt, denn wir nähern uns dem Gedicht auf ganz unterschiedliche Weise mit ganz unterschiedlichen Stilen, die in der Galerie im Depot jedoch als ein kombiniertes Gesamtkunstwerk präsentiert werden.“
Makroaufnahmen, die zeigen, was eigentlich sein sollte
Während Bärbel Thier-Jaspert sich mit den Darstellungen der Pflanzen beschäftigt hat, nahm Michael Jaspert die Tiere und Insekten, die uns in Gärten begegnen oder besser gesagt „begegnen sollten“ im wahrsten Sinne des Wortes, genauer unter die Lupe.
Er präsentiert Makroaufnahmen und Radierungen von Insekten wie Spinnen, Käfern oder Libellen und hat hierbei ein besonderes Auge für Details. Ihm ist es ein Anliegen auf das Artensterben, insbesondere das Insektensterben, aufmerksam zu machen.
Nur auf den ersten Blick eine idyllische Gartenlandschaft
„Vielen Menschen ist einfach noch nicht bewusst, dass die Biomasse fliegender Insekten seit den 90er Jahren um rund 80 Prozent abgenommen hat. Viele Arten sind bereits ausgestorben, was wieder Auswirkungen auf die biologische Nahrungskette hat und beispielsweise Vögel nicht mehr genug Nahrung finden können“, erläutert Michael Jaspert.
Und so ist die Gartenlandschaft in der Galerie im Depot nur auf den ersten Blick eine friedliche Idylle. Wer näher hinschaut, entdeckt viele kritische Aspekte in den Kunstwerken. Aber auch bei oberflächlicher Betrachtung fällt sofort die Vielfalt und Diversität der ausgestellten Arbeiten ins Auge.
Die Zeichnungen und Gemälde von Naturmotiven mit ihren uns allen bekannten natürlichen Formen stehen im krassen Gegensatz zu den teils grotesk anmutenden Objekten und Gebilden, die in der Galerie installiert wurden.
Aufwendige Objektinstallationen aus manuellem und digitalem 3D-Druck
Diese stammen von Künstler Marc Bühren. Ihn hat vor allem die Frage beschäftigt, wie die Natur ohne Menschen aussehen könnte.
Für „Auf einen Garten“ hat er die variable Rauminstallation mit dem Titel „Grenzauslotung“ in der Galerie im Depot verteilt, welche mit den Arbeiten der anderen Künstler:innen korrespondiert.
Seine Objekte entstehen hauptsächlich im manuellen 3D-Druck, bei dem das Druckmaterial mittels eines Stiftes, der einen dünnen Plastikfaden produziert, von Hand aufgetragen wird. Da das Material sehr schnell aushärtet, ist hierbei Schnelligkeit und vor allem gute Vorbereitung gefragt.
Wie könnte die Natur ohne den zivilisatorischen Nachlass der Menschheit aussehen?
Allein durch das Material Kunststoff erhält die Ausstellung durch seine Arbeiten eine weitere Facette, die den Zusammenhang zwischen Natur und Zivilisation thematisiert und zu Diskussionen anregt, auch wenn Marc Bühren für seine Arbeiten Bio-Kunststoff verwendet, der in industriellen Anlagen theoretisch kompostiert werden könnte.
Während manche seiner Objekte abstrakt wirken und erfundene fiktive Organismen darstellen, erkennt man bei einigen Formen und Strukturen, die uns aus der Natur bekannt vorkommen, wieder andere sind direkt als Hirschkäfer oder andere Insekten auszumachen.
„Ich werfe einen dystopischen Blick auf das Thema. Mich hat an dem gemeinsamen Projekt besonders interessiert, wie die Natur ohne den Menschen aussehen und sich entwickeln würde und welche Rolle unser zivilisatorischer Nachlass dabei spielt“, erläutert Bühren seine Visionen.
Die Winzigkeit menschlichen Seins vor der großen Weite der Natur
Einen dystopischen Ansatz zum Thema verfolgt auch Bettina Köppeler. Auf den ersten Blick wirkt eines ihrer Gemälde wie eine friedliche Idylle, in der die Landschaft den größten Teil des Raums einnimmt.
Auf einem Plateau steht eine Gartenpflanze im Topf mit einer Gießkanne, die die Künstlerin sehr genau in den Blick nimmt und herausarbeitet. Die umgebenden großen, dominanten Farbflächen können den Betrachter fast vereinsamen lassen und es mag sich auch ein Gefühl von Verlorenheit einstellen.
Es entwickelt sich ein Narrativ, welches die Winzigkeit menschlichen Lebens und Tuns vor der großen Weite der Natur zum Ausdruck bringt.
Die Motive ihrer Gemälde scheinen vertraut und unnahbar zugleich. Die Entfremdung des Menschen von der Natur und seine Sehnsucht nach Wieder-Annäherung sind das Thema der Bilder von Bettina Köppeler. Die Künstlerin schafft mit ihren Werken alternative Realitäten, die zum Nachdenken anregen und zum Umdenken animieren.
Ausstellung darf ausdrücklich gerne barfuß begangen werden -Eintritt frei
Seit über einem halben Jahr arbeiten die vier Künstler:innen bereits an dem Projekt und haben sich für die Besucher:innen der Ausstellung so einiges einfallen lassen, um sie ins Thema abtauchen zu lassen. So wurde die Galerie im Depot in eine kleine Gartenoase verwandelt, in der es vieles zu entdecken gibt.
Aufwendig wurde die Ausstellungsfläche mit echtem Rollrasen ausgelegt, wodurch die Gäste selbst zu einem Teil der Ausstellung werden, denn sie werden Spuren und Wege in dem frisch verlegten Grün hinterlassen.
Während die Besucher:innen die Ausstellung ausdrücklich auch gerne barfuß begehen sollen, sorgen Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher oder das Rauschen eines Bachlaufes für die akustische Untermalung. Auf freischwebenden Bannern werden Textauszüge des Gedichts präsentiert, die in Bezug zu den umliegenden Werken stehen.
Der Besuch der Ausstellung ist kostenfrei und sie ist donnerstags bis samstags von 16 bis 20 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.
Interessante thematische Rahmenveranstaltungen
Während des Ausstellungstzeitraums wird es zusätzlich einige interessante thematische Sonderveranstaltungen geben. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist kostenfrei. Bereits am kommenden Sonntag, 26. Juni 2022, freuen sich die Künstler:innen in der Zeit von 14 bis 18 Uhr darauf, mit den Gästen ins Gespräch zu kommen.
Am Sonntag, den 3. Juli 2022, steht von 12 bis 14 Uhr eine „Wildkräuterführung rund um das Depot“ mit Wolfgang Kienast auf dem Programm. Treffpunkt ist vor der Galerie im Depot.
Eine Woche darauf, am 10. Juli 2022, besucht Daniel Pawlak-Gast vom NABU Dortmund in der Zeit von 15 bis 16 die Galerie im Depot und wird mit den Besucher:innen zum Thema „Naturnahes Gärtnern“ plaudern.
Am 17. Juli 2022 findet dann in der Zeit von 14 bis 18 Uhr die Finissage statt, die musikalisch von Mike Schindler an der Gitarre begleitet wird.
Das Projekt „Auf einen Garten“ wird vom Kulturbüro der Stadt Dortmund gefördert.
Anbei der Gedichttext in voller Länge: Auf einen Garten
Weitere Informationen:
Auf einen Garten – Termin Ausstellung:
FR 24.06. bis SO 17.07.2022
Öffnungszeiten:
MO – MI geschlossen
DO, FR, SA 16 – 20 Uhr
SO 14 – 18 Uhr
Ort: Galerie im Depot
Eintritt: frei!
Termine Sonderveranstaltungen:
SO 26.06.2022
14:00 – 18:00 Uhr
Künstler:innengespräch – Die vier kreativen Köpfe hinter der Ausstellung sind anwesend und freuen sich auf den Austausch mit den Besucher:innen!
SO 03.07.2022
12:00 – 14:00 Uhr
Wildkräuterführung rund um das Depot mit Wolfgang Kienast, Exkursionsleiter (Wildkräuter, Kulturgeschichte). Treffpunkt vor der Galerie im Depot.
SO 10.07.2022
15:00 – 16:00 Uhr
Naturnahes Gärtnern – Plauderei in der Galerie mit Daniel Pawlak-Gast vom NABU Dortmund
SO 17.07.2022
14:00 – 18:00 Uhr
Finissage – Mike Schindler sorgt für musikalische Unterhaltung an der Gitarre