Antisemitismus ist nach wie vor ein alltägliches Problem – Jugendforum Nordstadt thematisiert Judenhass im Rap

Gegen jeden Antisemitismus
Gegen jeden Antisemitismus. Kundgebung vor der Reinoldikirche in Dortmund.

Von Gina Thiel

„Mein Körper definierter als von Ausschwitz-Insassen“ – ein Zitat das an Geschmacklosigkeit wohl kaum zu übertreffen ist und genau so zu finden im Liedtext „08-15“ von Kollegah und Farid Bang. So wird Antisemitismus und Holocaust-Verherrlichung hinter coolen Beats und kreativen Reimen versteckt. Hass auf Jüd*innen schleicht sich so teilweise unbemerkt in die Jugend-Sprache ein. So verbreitet man schnell und einfach antisemitische Gedanken. Das ist auch Thema der Veranstaltung „Judenhass im Rap und seine Wechselwirkung mit der Gesellschaft“ des Jugendforums Nordstadt am 10. März 2021. Gesprächspartner ist Ben Salomo – selbst Jude und Rapper. Er hat sich viele Jahre gegen den Antisemitismus im Rap gewehrt und bewusst pro-jüdische Raptexte verfasst. Er spricht über seine Erfahrungen im Rap-Business und alltäglichen Judenhass.

Antisemitismus muss in Deutschland weiter Thema sein, nur so kann er verhindert werden

Warum kommt eine solche Veranstaltung ausgerechnet jetzt? Vor genau 1700 Jahren gab es erstmals nachweislich jüdisches Leben in Deutschland – 2021 steht also ein Festjahr an. Wo Grund zum Feiern ist, sollte aber auch immer Platz für Reflektion und vor allem Information sein. Dafür setzt sich das Jugendforum der Dortmunder Nordstadt mit einer Veranstaltung ein, denn Hass gegenüber Juden gehört in Deutschland nicht der Vergangenheit an.

Ben Salomo, Rapper, YouTuber und Buchautor. Foto: Thomas Koehler/photothek

Ben Salomo ist Mittwoch ein besonderer Gast. Nicht nur weil er erfolgreicher Rapper, YouTuber und Buchautor ist, sondern weil er Jude ist und Vater von zwei Kindern. Juden-Hass ist für ihn ein alltägliches Problem. Wie kann das sein, in einem Land, dass sich geschworen hat, Antisemitismus nie wieder einen Raum zu bieten? – Darüber spricht er in der online-Veranstaltung. Wichtig ist ihm aber auch der Austausch: „Das Gespräch auf Augenhöhe ist interessanter als ein Monolog“, sagt Ben.

Wenn man nun aber selbst kein Antisemit ist oder Jude, ist es manchmal schwer vorstellbar, wie alltäglicher Judenhass aussehen kann. Ben sagt:  „Man ist täglich von antisemitischen Schnipseln umgeben“. Die würden dann oft aufgenommen, ohne sie zu überdenken und zu hinterfragen. Es schleichen sich falsche Annahmen oder Sprachangewohnheiten ein. Die sind dann vielleicht negativ behaftet und werden benutzt, ohne dass man überhaupt weiß, wie verletzend solche Aussagen sind.

Deshalb ist Aufklärung besonders wichtig. „Überall wo Halbwissen oder gar kein Wissen existiert, können sich wunderbar Gerüchte und Unwahrheiten breitmachen“, findet Ben Salomo. Dagegen will er etwas tun. Ein Weg dabei: Medienauftritte, Aufklärung an Schulen und offene Diskussionen, wie die am Mittwoch.

„Antisemitismus ist das Gerücht über den Juden“ – Theodor W. Adorno

„Antisemitismus - Dagegen habe ich was.“ Aufkleber in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel
„Antisemitismus – Dagegen habe ich was.“ Aufkleber in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel

„Antisemitismus ist ein Alltagsproblem“ – hört man oft. Medienberichte von antisemitisch motivierten Straftaten, Polizeischutz vor der Synagoge und Schulen oder Übergriffe auf Kippa-Träger sind uns allen schon begegnet.

Die Kippa, das ist eine Kopfbedeckung, die männliche Juden in der Synagoge tragen. Besonders fromme Juden tragen sie aber auch im Alltag. Die Kippa steht symbolisch für die Anerkennung der Allmacht Gottes.

Dass Antisemitismus aber nicht nur Straftaten oder das Beschmieren von jüdischen Einrichtungen ist, wird oft vergessen. Wie äußert sich nun Antisemitismus im Alltag und der Sprache?

Hier drei Negativ-Beispiele, die so nicht sein sollten:

„Jude“ als Schimpfwort: „Du Jude!“ oder „Das war eine richtige Judenaktion von dir.“ Hier lässt sich der Antisemitismus schnell erkennen. Wer Jude als Schimpfwort benutzt, spricht den Menschen dieser Religion negative Charaktereigenschaften zu und stellt sie als etwas grundlegend Schlechtes dar. Fakt ist: Das Wort „Jude“ darf kein Schimpfwort sein!

Jüdisches Leben in Deutschland findet unter Polizeibewachung statt. Foto: Alex Völkel
Jüdisches Leben in Deutschland findet unter Polizeibewachung statt. Foto: Alex Völkel

Jüdische/Jiddische Wörter im Negativ-Kontext: „Hier ist was nicht koscher“ oder „das ist seine neue Ische“. Eigentlich wert-neutrale jiddische Begriffe werden im deutschen Sprachgebrauch fast ausschließlich negativ besetzt. Beispiel: „Koscher“. Es bedeutet, dass etwas nach den jüdischen Speisegesetzen her erlaubt ist – verwendet wird es aber nur negativ („Hier ist etwas nicht koscher“). Ebenfalls das Wort „Ische“  – im Jiddischen bedeutet das Frau. Im deutschen Sprachgebrauch wird das Wort „Ische“ nur negativ verwendet – der Begriff ist wenig schmeichelhaft. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die sich im (Sprach-)Alltag wiederfinden lassen und diskriminierend sind – sie sind antisemitisch. Wichtig ist vor allem sich mit dem jüdischen Glauben und der jüdischen Kultur auseinanderzusetzen. Denn wo viel Wissen ist, bleibt wenig Platz für Gerüchte und Unwahrheiten und damit kein Platz für Antisemitismus.

Juden als Negativ-Charaktere: Es gibt viele Vorurteile gegenüber Juden, sie wären alle korrupt, hätten zu viel Einfluss auf der Welt (und nutzen den für ihre Zwecke aus), nur Juden seien Schuld an den Konflikten auf der Welt, Juden hätten viel Geld und machten damit krumme Geschäfte. Das sind nicht nur falsche Vorurteile, sondern sie liefern auch die Basis für Verschwörungstheorien, die schon im Nationalsozialismus geschürt wurden, um jüdische Gläubige negativ darzustellen. Wer sich über die Juden, ihre Geschichte und ihre Religion informiert, wird schnell feststellen, dass es eben nicht mehr ist als ein Vorurteil.

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Tipp der Autorin: 

Antisemitismus hat sich unbemerkt auch in den deutschen Sprachgebrauch eingeschlichen. Das sollte allerdings nicht dazu führen, dass man sich nicht mehr traut, mit den Menschen in den Dialog zu gehen oder davor scheut sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, aus Angst jemanden auf den Fuß zu treten. Es kommt nicht darauf an, fehlerfrei zu sein, sondern wie man damit umgeht, wenn man auf einen Fehler hingewiesen wird. Entschuldigt man sich, sagt dass man sich nicht bewusst war, dass man damit jemanden verletzt oder beleidigt, wird dieser Fehler sicher gern verziehen. Schließlich muss man auch Fehler machen, um aus ihnen lernen zu können. Was man auf keinen Fall tun sollte, ist anfangen zu diskutieren oder dem Gegenüber zu sagen, dass er sich nicht beleidigt fühlen soll, weil man das ja gar nicht so gemeint habe. Das gilt übrigens nicht nur für Antisemitismus, sondern auch für Rassismus und alle anderen Formen von Diskriminierung.

 

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