Das Amtsgericht Dortmund hat ein klares Urteil gegen den 32-jährigen Co-Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“, Sascha Krolzig, gesprochen. Mit einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung für eine versuchte gefährliche Körperverletzung und das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole sowie Volksverhetzung. Damit liegt das Strafmaß für den in Dorstfeld lebenden Neonazi sogar höher als von der Staatsanwaltschaft beantragt. Diese hatte ein Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert. Der Mitangeklagte P.Z. wurde zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 Euro für das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole und das Skandieren des Hitlergrußes verurteilt.
Überzeugungstäter: Vorstrafen untermauern die Gesinnung des Angeklagten Krolzig
Außerdem müssen die Angeklagten die Verfahrenskosten tragen. Die Verteidigung kann innerhalb einer Woche Revision oder Berufung gegen das Urteil einlegen.
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Gericht und Staatsanwaltschaft sahen es durch Beweisaufnahme und Zeugenaussagen als erwiesen an, dass Krolzig am 9. Dezember 2016 in der Gaststätte Gänsemarkt versucht hat, einem Migranten, nachdem man beim Knobeln in eine politische Diskussion geraten war, ein Bierglas auf den Kopf bzw. ins Gesicht zu schlagen.
Dies sei nur dadurch verhindert worden, dass eine dritte Person den Schlag abgelenkt habe. „Hätten Sie Ihren Kontrahenten getroffen, wären erhebliche Verletzungen zu erwarten gewesen“, so die Richterin. Außerdem stehe durch die Beweisaufnahme fest, dass er den Hitlergruß gezeigt und „Heil Hitler!“skandiert habe. Weitere rassistische und menschenverachtende Beleidigungen fielen bei der Urteilsfindung nicht weiter ins Gewicht.
Sie trugen jedoch dazu bei, die grundsätzliche Haltung des Angeklagten zu untermauern. In der Begründung des Urteils verwies die Richterin darauf, dass Krolzig seit 15 Jahren regelmäßig mit ähnlichen Delikten in Erscheinung getreten ist und nicht geneigt zu sein schiene, diesen Weg zu verlassen.
Bewährungsversager: Krolzig verstieß gegen Bewährungsauflagen
Als „Bewährungsversager“ verstieß er gegen Bewährungsauflagen in einem anderen Urteil, außerdem läuft zeitgleich ein zweites Berufungsverfahren gegen ihn. Dies zeige, dass bisherige rechtsstaatliche Maßnahmen den Angeklagten kaltgelassen hätten, denn er sei immer wieder straffällig geworden, so die Richterin.
Den Grad der Alkoholisierung, den die Verteidigung zugunsten verminderter Schuldfähigkeit auszunutzen suchte, bewertete die Richterin nur bedingt in diesem Sinne. Durch die Beweisaufnahme und das geschilderte Geschehen böten sich zwar Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit, dem gegenüber stünden jedoch die Zeugenaussagen, die Krolzig als sich klar artikulierend und ohne motorische Ausfallerscheinungen beschrieben hätten.
Die Verteidigung hatte in ihren Plädoyers versucht, den Straftatbestand der Volksverhetzung dadurch abzuschwächen, dass sie den Hitlergruß und das ausgesprochene „Heil Hitler“ nicht als an die Öffentlichkeit gerichtete Hetzpropaganda, sondern lediglich als auf die Gruppe der Kontrahenten bezogene Streittirade gewertet wissen wollte.
Volksverhetzung aufgrund nicht überschaubarer Wirkung der verbalen Ausbrüche
Dem widersprach das Gericht. Wer an einem Freitagabend in einer gefüllten öffentlichen Kneipe solche Äußerungen von sich gebe, erfülle durchaus den Straftatbestand der Volksverhetzung im Sinne der Paragrafen 86a und 130 des Strafgesetzbuches. Denn durch solch verbale Ausfälle müsse man von einer nicht überschaubaren Wirkung auf das nähere Umfeld ausgehen.
Der Mitangeklagte P.Z. aus Bielefeld kommt mit einer Geldstrafe in Gesamthöhe von 3.000 Euro davon. Dies sei seinen Lebensumständen entsprechend angemessen. Das Gericht wertete die lange Verfahrensdauer und die Tatsache, dass er bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, zu seinen Gunsten.
Nach der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Kontrahenten in der Kneipe habe er gezielt provozierend gehandelt. Auch bei Eintreffen der Polizei habe er sich nicht kooperativ gezeigt, sondern gar versucht, die Arbeit der Beamten zu behindern. Die Tatvorwürfe der Beleidigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurden jedoch fallengelassen.
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Neonazi Sascha Krolzig in Dortmund wegen gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung angeklagt
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Polizei Dortmund (Pressemitteilung)
Politisch motivierte Kriminalität Rechts – Polizei Dortmund kann deutliche Erfolge vorweisen
Bereits seit 2015 bekämpft die Dortmunder Polizei mit der Sonderkommission Rechts intensiv rechtsextremistische Gefahren und Straftäter. Sie steht in engem Austausch mit dem Verfassungsschutz und anderen Sicherheitsbehörden.
Mit Veröffentlichung des Landesverfassungsschutzberichts 2018 wird das Thema der politisch motivierten Kriminalität Rechts auch für den Raum Dortmund ausgiebig erläutert. Politisch motivierte Kriminalität Rechts – dieses Themenfeld wird bei dem Polizeipräsidium Dortmund sehr ernst genommen und ist seit Jahren ein Behördenschwerpunkt der Dortmunder Polizei. Dabei verzeichnete das Polizeipräsidium Dortmund in den vergangenen Jahren erfreulicherweise immer wieder Rückgänge von rechtsextremistischen Straftaten. Von 2015 bis einschließlich 2017 bei den Straf- und Gewalttaten, die von Rechtsextremisten ausgeübt wurden, sogar um über 40%.
Trotz eines geringen Anstiegs 2018 bei den Gewaltdelikten (+5 Fälle) ist die Gesamtzahl der Straftaten deutlich unterhalb des Höchststandes von 2015 und im Sechsjahresvergleich die zweitniedrigste Zahl. Die leichte Steigerung bei den Gewaltdelikten ist unter anderem auch mit der im Vergleich zu 2017 deutlich gestiegenen Anzahl der Versammlungen der Partei DIE RECHTE zu begründen. Im Rahmen des Europawahlkampfs führte sie eine Vielzahl von Versammlungen mit allerdings sehr geringer Teilnehmerzahl im einstelligen Bereich durch. Hinzu kommen mehrere Versammlungen mit indirektem oder direktem Bezug zu repressiven polizeilichen Maßnahmen gegen die Rechte Szene in Dortmund, die von den Anmeldern als „Polizeiwillkür“ bewertet wurde.
„Die polizeilichen Erfolge sind die Ergebnisse unserer intensiven Maßnahmen“, so der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange. „Unser offensives Vorgehen und unsere Beharrlichkeit haben bereits in mehreren Fällen dazu geführt, dass rechtsextremistische Personen aus der Führungsriege zum Teil zu Geldstrafen, aber auch zu längeren Haftstrafen verurteilt wurden“, so Gregor Lange, der die Wachsamkeit der Dortmunder Polizei betonte.
Als Beispiele hierfür sind die Weihnachtsdemos von Rechtsextremisten, die mit einem Verbot belegt wurden, das Verbot von Fackelmärschen der Nazis vor Flüchtlingsunterkünften, Verbote von einschüchternden Parolen bei Versammlungen, das Verbot des sogenannten „Stadtschutzes“ und einige Stadionverbote zu nennen.
Die akribische Ermittlungsarbeit der Sonderkommission Rechts findet sich zudem auch in einer Vielzahl von Verurteilungen wieder: Im November 2018 nahmen Polizisten den bekannten Neonazi Steven F. fest und führten ihn der Untersuchungshaft zu. Im Mai dieses Jahres wurde er durch das Amtsgericht Dortmund zu 2 Jahren und 10 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen drei Rechtsextremisten, die im September 2019 eine antisemitische Parole skandiert hatten, erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Christoph D. aus dem Bundesvorstand der Partei DIE RECHTE war wegen einer hetzerischen Rede bei einer Versammlung im Jahr 2015 zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Erst in der vergangenen Woche wurde ein Urteil gegen Sascha K. gesprochen. Ihn erwartet eine 14 monatige Haftstrafe. Die Urteilsverkündung gegen Matthias D. steht indes noch aus, ist aber in Kürze zu erwarten. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat auf Grundlage der Ermittlungsarbeit der Dortmunder Polizei beim Landgericht Anklage gegen mehrere Rechtsextremisten erhoben, die am 21.9.2018 bei einer Versammlung unsägliche antisemitische Parolen skandiert hatten. Für nachfolgenden Versammlungen verbot die Polizei diese Parole im Rahmen einer Auflage.
Ein zielgerichtetes und 2016 noch einmal verstärktes Präsenzkonzept mit offenen und verdeckten Maßnahmen hält den Kontroll- und Strafverfolgungsdruck auf die Szene permanent auf hohem Niveau. „Wir lassen nicht locker, wir stehen den Leuten auf den Füßen, die die Werte der Demokratie nicht achten sondern ablehnen. Auch kleinste Vergehen haben wir im Auge und fügen Puzzlestück für Puzzlestück zusammen, solange bis wir eine Fallakte der Staatsanwaltschaft übergeben können“, so der Polizeipräsident. „Und wenn wir dann erneut fündig werden, fügen wir auch diese neuen Erkenntnisse der Akte hinzu. Im Vertrauen auf den funktionierenden deutschen Rechtsstaat begrüßen wir jedes Urteil gegen Extremisten.“
Bündnis Dortmund gegen Rechts (Pressemitteilung)
Erklärung des Bündnis Dortmund gegen Rechts zum Mordfall Lübcke
Der lange Schatten des NSU
Man habe die rechte Szene seit 20 Jahren im Blick, so der Leiter des Verfassungsschutzes NRW Kleiner gegenüber dem WDR. Es ging um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten und die Verbindung der rechten Szene NRW (Dortmund) und Hessen (Kassel).
Da fragen wir: ja und? Was folgte daraus?
In diesen 20 Jahren wurden in Dortmund 5 Menschen von Nazis ermordet.
+ Im Jahr 2000 erschoss der Nazi Michael Berger drei Polizist/innen und richtete sich dann selbst. Die braune Szene bekundete Beifall und ließ auf Aufklebern wissen „drei zu eins für Dortmund. Berger ist unser Freund!“
+ 2005 erstach der Nazi Swen Kalin den Punker Thomas Schulz. Nach einer verkürzten Jugendstrafe wegen „guter Führung“ frühzeitig aus der Haft entlassen, schlug er einen türkisch stämmigen Jugendlichen krankenhausreif.
+ 2006 wurde Mehmet Kubasik vom NSU erschossen. Schoss er allein? Wie kam eine Terrorgruppe aus Thüringen auf einen Kioskbesitzer im Dortmunder Norden?
Der Verfassungsschutz „beobachtet“ und schweigt – bis heute.
In den 20 Jahren unter „Beobachtung“ entwickelte sich die braune Szene prächtig: neben den 5 Morden Drohungen, Überfälle, Gewalttaten gegen alle, die nicht in ihr nationalistisches Weltbild passen. Auch der Ausbau der Beziehungen zur Nazi-Szene national und international und zum verbotenen „blood and honour“ und „Combat 18“ wird von antifaschistischen Bündnissen registriert. Gegen die Nazi-Band „Oydoxie“, die mit „blood and honour“ verbandelt ist, wurde bereits 2005 von der VVN/BdA wegen ihrer volksverhetzenden und menschenverachtenden Texte Strafanzeige erstattet. Zum Prozess kam es nicht.
Die Morde an Mehmet Kubasik und dem Kasseler Internetcafe Besitzer Halit Yosgat fallen durch zeitliche Nähe und viele unbeantwortete Fragen auf und lassen Zusammenhänge vermuten.
2012 wurde die kriminelle Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ verboten und tauchte kurz danach in der von Nazi-Kumpan Christian Worch neu gegründeten Partei „Die Rechte“ wieder auf. So konnten die rassistischen Gewalttäter unter Parteienschutz ihr menschenverachtendes Treiben fortsetzen.
Die Verbotsforderung dieser „Partei“ wurde vom Bündnis Dortmund gegen Rechts mit tausenden von Unterschriften dem damaligen Innenminister Jäger übergeben. Der bedankte sich für das zivile Engagement – aber leider könne „Die Rechte“ nicht verboten werden.
„Küsst die Faschisten wo ihr sie trefft!“ Der bitter-ironische Text von Kurt Tucholsky aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts drängt sich auf und wir wissen, wie die Verharmlosung und Unterschätzung der Faschisten geendet hat.
Im Mordfall Walter Lübcke gingen die „Aufklärer“ ähnlich vor wie bei der Familie Kubasik. Erst wird das Umfeld in den Blick genommen. Dann führt die gefundene DNA zu einem Nazi, der sich aber schon lange aus der rechten Szene verabschiedet habe, also ein „Einzeltäter“ ist. Auch der NSU soll ja laut Justiz und Verfassungsschutz kein Netzwerk von Unterstützern gehabt haben. Die Wahrheit ist eine andere: Der Nazi Stefan Ernst war bestens in der Naziszene in Kassel und Dortmund und auch mit combat 18 vernetzt und taucht bereits in den NSU- Akten des hessischen Untersuchungsausschusses auf. Ein Dank an die Journalisten, deren Recherche und Bildmaterial zur Wahrheitsfindung beitragen.
Der Ruf nach dem „Starken Staat“ und dem Ausbau eines Verfassungsschutzes, der bei der Aufklärung der NSU Morde eine höchst zweifelhafte Rolle gespielt hat, ist mehr als fragwürdig.
Ein Offenlegen der NSU-Akten, ein Ende des Verharmlosens und das Verbot aller Nazi-Organisationen ist angesagt.