Von Gina Thiel
Habt Ihr Frauen wie diese am heutigen Sonntag (21.02.2021) in der Stadt gesehen? Dann ward Ihr vielleicht Zeug*innen eines historischen Umbruchs innerhalb der katholischen Kirche. Diese Frauen auf dem Foto gehören der religiösen „Maria 2.0“-Bewegung an – und sie fordern die Reform der katholischen Kirche.
Sind die Forderungen der Frauen ähnlich revolutionär wie die Luthers ?
Bei einer bundesweiten Aktion haben viele Frauen der „Maria 2.0“-Bewegung ihre Thesen an Kirchentüren „angeschlagen“ – auch in Dortmund. Sie wollen aufmerksam machen auf die Missstände innerhalb der katholischen Kirche und sagen, dass sich schnell etwas ändern muss. Ziel der Aktion ist in erster Linie das Aufmerksam-Machen auf ihre Forderungen.
Gottesdienstbesucher*innen sollen die Thesen lesen können – dabei wird auch auf Digitalisierung gesetzt. Auf jedem Ausdruck ist ein QR-Code, der kann gescannt und die Thesen über das Smartphone abgerufen werden.
So selbstverständlich wie die Forderungen für viele vielleicht sein mögen, bedeute ihre Umsetzung für die katholische Kirche einen historischen Wandel. Konkret fordern die Frauen die absolute Gleichstellung aller Geschlechter innerhalb der Kirche. Das heißt auch, eine mögliche Priesterschaft für Frauen.
Im Grundgesetz sind Frauen und Männer schon längst gleichgestellt, das müsse auch in die Kirchenpolitik übernommen werden, so Sigrun Eggenstein, Verantwortliche für die „Maria 2.0“-Bewegung in Dortmund.
Ohne das Engagement von Frauen bliebe von der Katholischen Kirche wenig übrig
Ihr Ziel ist es, innerhalb der Kirche für ein Wachrütteln zu sorgen. Zu lang haben die Frauen geschwiegen und ihre Ausgrenzung aus Ämtern hingenommen. Frauen spielen eine tragende Rolle in der katholischen Kirche, die bisher nicht gewürdigt wird.
„Wenn die Frauen ihre Tätigkeiten in der Kirche nicht mehr machen, dann bleibt von der katholischen Kirche nicht mehr viel übrig“, so Sigrun Eggenstein im Interview mit Nordstadtblogger.de.
Mit Blick auf die aktuellen Skandale in der katholischen Kirche müsse auch hier ein Umdenken stattfinden. „Maria 2.0“ fordert Aufklärung der sexualisierten Gewalttaten und vor allem einen transparenten Umgang. „Straftaten müssen auch strafrechtlich überprüft werden. Wir wollen, dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden“, macht Sigrun Eggenstein deutlich.
Hoffnung gibt es nach Ansicht der engagiertne Frauen immer – auch für die katholische Kirche
Damit spricht sie aus, was viele sich von der katholischen Kirche wünschen. Der Wunsch komme aber nicht nur von außen. Auch viele Priester und Bischöfe seien prinzipiell offen oder Reformen nicht abgeneigt. Ihre Aktion des Thesenanschlags solle auch dazu dienen, den reformfreudigen Kirchenmännern den Rücken zu stärken und sich solidarisch zu zeigen.
Vergangene Woche äußerte sich der Historiker Martin Kaufhold deutlich kritisch gegenüber der katholischen Kirche. Er prophezeite ihr eine Restlebenszeit von 20 Jahren, wenn sich nicht bald etwas ändere. Besonders der erneute Skandal um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat ihn zu dieser Prognose veranlasst. Woelki hatte sich geweigert, eine interne Untersuchung zum Missbrauchskandal innerhalb der katholischen Kirche zu veröffentlichen und wurde stark kritisiert.
Skandale wie diese hatten in der Vergangenheit dazu geführt, dass immer mehr Mitglieder ihren Austritt aus den Kirchengemeinden beantragt haben. Bei Sigrun Eggenstein trifft man bei diesem Thema auf überraschendes Verständnis: „Ich kann jeden verstehen, der sagt, es ist genug und ich trete jetzt aus der Kirche aus. Das finde ich absolut nachvollziehbar“, sagt sie.
„Wir wollen die Kirche nicht spalten. Wir wollen, dass sich etwas verändert, damit die Mitglieder bei uns bleiben“
Damit sich Martin Kaufholds Prognose nicht bewahrheitet, setzen sich die Frauen der „Maria 2.0“-Bewegung deutschlandweit immer wieder für eine moderne katholische Kirche ein.
Man möchte dem aktuellen Trend entgegenwirken und den Menschen zeigen, dass sie Platz in der katholischen Kirche haben und geschätzt werden, unabhängig vom Geschlecht.
Wichtig ist Sigrun Eggenstein, dass ihre Bewegung nicht falsch verstanden wird: „Wir wollen die Kirche nicht spalten. Wir wollen, dass sich etwas verändert, damit die Mitglieder bei uns bleiben.“ Der Wunsch: Ein Zusammenarbeiten statt gegeneinander zu arbeiten, um die Kirche wieder zu einem Platz zu machen, wo sich alle willkommen fühlen.
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Reaktionen
D. Schneider
Ich finde es gut, das die Frauen, die seit eh und je dafür sorgen, das es im Kirchenapparat überhaupt läuft, nun auch endlich mehr Geltung zu gestanden bekommen, als es bisher ist. Warum nicht eine Gleichberechtigung, in alles Funktionen? Ist doch in der Gesellschaft nicht anders. Aber ich glaube, bis die Kirche so weit ist, werden wohl eher die Menschen der Kirche den Rücken zu drehen. Wenn die Kirche sich nicht wandelt, und die Lebensweise des Mittelalters nicht ablegt, dann müssen die sich nicht wundern, das keiner mehr bereit ist, so ein verkrustetes System weiter zu unterstützen, Glaube hin oder her!
Frauen der Initiative Maria 2.0 aus dem Erzbistum Paderborn sprachen mit ihrem Erzbischof (PM)
Frauen der Initiative Maria 2.0 aus dem Erzbistum Paderborn sprachen mit ihrem Erzbischof
Bereits im November 2020 hatten sich 17 Frauen aus dem Erzbistum Paderborn an ihren Bischof gewandt und ihn, auch angesichts der Vorgänge im Erzbistum Köln, um ein Gespräch gebeten. Eine Antwort mit einer Einladung zu einem Gespräch in Paderborn hatten die Frauen schnell im Briefkasten, jedoch ließ die Pandemiesituation ein persönliches Treffen lange Zeit nicht zu.
Jetzt war es dann soweit: Barbara Erdmeier und Elisabeth Niehaus aus Bielefeld, Sigrun Eggenstein aus Dortmund und Christa Hesse, Claudia Siegel, Magdalena Schlüter und Ulrike Fromme aus Paderborn trafen sich zu einem persönlichen Gespräch mit Erzbischof Hans-Josef Becker und Monsignore Dr. Michael Bredeck, dem Leiter des Bereichs Pastorale Dienste, im Liborianum. Im Gepäck hatten die Frauen, die alle der Initiative Maria 2.0 im Erzbistum Paderborn angehören, vier wichtige Anliegen, die sie mit ihrem Bischof besprechen wollten.
Zunächst nahmen die Frauen das Thema Macht und Gewaltenteilung in den Blick. Die Frauen fordern dringend eine Gewaltenteilung und unabhängige Kontrollinstanzen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens. Deutlich gaben sie zu verstehen, dass sie oft Rückschritte statt Fortschritte erleben. Erzbischof Becker bestätigte den großen Nachholbedarf in der Kirche.
Auch die unabhängige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sprachen die Frauen an. Hier bewegt sie insbesondere die Frage, wie die Aufarbeitung im Erzbistum Paderborn erfolgt und was noch zu erwarten ist. Erzbischof Becker berichtete, dass eine Studie durch die Universität Paderborn erfolgt, wobei die Wissenschaftlerinnen uneingeschränkten Aktenzugang haben und die Veröffentlichung der Ergebnisse allein in ihren Händen liegt. Noch in diesem Jahr soll ein Betroffenenbeirat sowie eine unabhängige Aufarbeitungskommission eingerichtet werden. Der Erzbischof bot den Frauen der Initiative Maria 2.0 ein vertiefendes Gespräch mit dem Interventionsbeauftragten des Bistums, Thomas Wendland, an.
In dem Anliegen der Initiative Maria 2.0 nehmen die Frauen Bezug auf das Interview von Bischof Bätzing als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz anlässlich der Bekanntgabe des Rücktrittwunschs von Kardinal Marx in den Tagesthemen. Dort blickt Bätzing in die Zukunft und sagt voraus, dass die Kirche “in der Frage der Gleichberechtigung von Frauen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens weiterkommen (muss), und das wird nicht enden an der Grenze des sakramentalen Amtes”. Die Paderbornerinnen freuten sich über Bätzings Vision und die Zustimmung hierzu von Erzbischof Becker. Ebenfalls stimmte Becker zu, dass es um eine fundamentale Reform in der katholischen Kirche gehe, nicht um kosmetische Reparaturen.
In dem von gegenseitiger Wertschätzung geprägten und vertrauensvollen Gespräch wurden die Sichtweisen auf die Themen ausgetauscht, auch zur Sexualmoral der katholischen Kirche. Erzbischof Becker machte deutlich, dass er die Vision von Bischof Bätzing teile und den Synodalen Weg als alternativlosen Schritt in die richtige Richtung sehe. Die Frauen von der Initiative Maria 2.0 erklärten, sie würden diesen Weg weiterhin mit ihren kreativen Protestformen begleiten. Sie ermutigen ihren Erzbischof, seine Möglichkeiten wahrzunehmen, um für Reformen und gegen Diskriminierung in der Kirche einzutreten. Sie luden den Erzbischof entsprechend ein, die Aktion “Mein Gott liebt alle Menschen” zu unterstützen.