„ActionBound“ im Jugendtreff Kirchderne: Smartphones in der Pädagogik – Die Suche nach dem Glück am fremden Ort

Das Smartphone steht im Mittelpunkt bei diesem medienpädagogischen Konzept.
Das Smartphone steht im Mittelpunkt bei diesem medienpädagogischen Konzept im Jugendtreff Kirchderne.

Von Thomas Engel

Welches ältere Kind, welcher Jugendliche besitzt es heutzutage nicht: ein Smartphone? Die allermeisten sind damit vertraut, zumeist viel besser als Erwachsene. Und es wird so häufig genutzt, dass genervte Eltern über die Einschränkung der Nutzungszeiten nachdenken. Oder Schulleitungen in ihrem Hause das eingeschaltete Gerät gleich ganz verbieten. Aber neben dem an unseren Sprösslingen ablesbaren Unbill dieses verflixten Dings steckt auch eine Menge an pädagogisch positivem Potential darin. Genau dies nutzt ein Projekt der AWO im Jugendtreff Kirchderne seit einiger Zeit.

Die gute, alte Zeit – sie ist vorüber. Also: Mund abwischen, weitermachen!

„Verbunden im Handeln“, so ließe sich der Begriff „ActionBound“ übersetzen. Aus der Sozialpsychologie gibt es dazu eine tiefschürfende wie banale Erkenntnis: Wer kooperiert, um gemeinsame Probleme zu lösen, steht einander nahe. Und wer sich nahe steht, grenzt den anderen nicht so schnell aus. Ganz einfach.

Seinerzeit, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, als diese Erkenntnis langsam zu reifen begann, durften Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Gruppen dann in experimentellen Ferienlagern gemeinsam an einem Strang ziehen. Indem sie zum Beispiel dort zusammen eine große Wasserpumpe wieder in Stand setzten – zum Wohle aller Beteiligten. Denn trinken wollte in einem heißen Sommer jeder.

Heute, in einer Welt der Digitalisierung, sieht das vordergründig etwas anders aus. Die Kids mögen stundenlang mit ihrem Smartphone nebeneinander sitzen und schweigen sich dennoch zumeist an. Eine schreckliche Vorstellung für Alt-68er und ihre Nachfolgegenerationen: Da wurde schließlich über alles geredet. – Aber der Eindruck über die Kids mag täuschen.

Das Smartphone soll junge BenutzerInnen nicht trennen, sondern miteinander verbinden

Der Jugendtreff im Dortmunder Stadtteil Kirchderne: Es fällt schon gar nicht mehr auf, was allseits bekannt ist – schon die jüngeren haben ein Smartphone.

Diese Tatsache teilen sie mit vielen Flüchtlingskindern dort, für die ein Handy auf ihren verschlungenen Wegen überlebenswichtig war. Und es ist jetzt häufig die einzige Möglichkeit, um den Kontakt zu Angehörigen und Freunden zu halten. Soweit zur Ausgangslage.

Das AWO-Projekt im Kirchderner Jugendtreff „ActionBound – Die Suche nach dem Glück am fremden Ort“ richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 14 Jahren. An Flüchtlingskinder und an solche, die schon länger in Deutschland ansässig sind.

Zwischen ihnen sollen unter Rückgriff auf die Potentiale digitaler Medien Kontakte entstehen. – Und zwar, wir erinnern uns: durch Kooperation. Indem sie sich über gruppendynamische und erlebnispädagogische Spiele während des Medienprojekts immer wieder untereinander helfen müssen, um Aufgaben lösen zu können.

Andererseits zielt das Projekt auf die Auseinandersetzung mit neuen Medien ab. Die Kinder werden selbst zu Medienproduzentinnen und -produzenten, wenn sie einen ActionBound oder ein „Draw my Life“ – ein kurzes Internet-Video über die eigene Lebensgeschichte – in Eigenregie kreieren.

So können sie Orte auswählen, die im Bound zu suchen sind, beispielsweise die coolsten Spielplätze in der Umgebung oder versteckte Jugendtreffs im Stadtgebiet. Sie können beispielsweise eine „digitale Schnitzeljagd“ mittels Handy organisieren. Sie werden aktiv eingebunden bei der Auswahl der Spielaufgaben, die über den Bound von der Gruppe, die diesen spielt, gelöst werden sollen.

Fremde Orte und neue Medien gemeinsam miteinander entdecken

Über die gemeinsame Medienproduktion werden die Kinder und Jugendlichen untereinander zu Experten. Über mehrere „ActionBounds“ können sie die nähere Umgebung entdecken und ihr Wissen mit anderen mit und ohne Fluchterfahrung teilen. Von schönen Orten zum Chillen bis zu Fragen, was besonders die Flüchtlingsfamilienkids teilen wollen.

Ziel des Projektes ist es, junge Menschen mit Fluchterfahrung dabei zu unterstützen, in Dortmund „anzukommen“ – durch den Kontakt zu anderen Kindern und Jugendlichen gleichen Alters, mit denen sie kooperieren. Stichwörter: soziale Inklusion, gesellschaftliche Teilhabe, Bewusstseinsförderung für demokratisches und tolerantes Verhalten im Alltagsleben.

Digitale und analoge Welt werden im Format ActionBound miteinander verwoben. Das ist wichtig: Flüchtlingskinder und -jugendliche lernen jenseits ihrer Familie oder Wohnunterkunft Gleichaltrige kennen und können durch den Kontakt mit ihnen ihre kommunikativen Kompetenzen erweitern. Dabei werden sie jederzeit aktiv begleitet und an soziale Orte herangeführt, die sie mitgestalten können. Und sie erfahren sich zudem als Mediengestalter, erhöhen interaktiv ihre Medienkompetenz und erleben sich damit in ihrer medialen Selbstwirksamkeit.

Mehr Informationen:

  • AWO-Jugendtreff Kirchderne, Hardenbergstr.1-3, 44329 Dortmund, Tel.: 0231/890423
  • Das Projekt ist nachhaltig angelegt: Die Beziehungen zwischen Kindern und Jugendlichen sollen über das Projekt hinaus über die Orte „Social-Web“ und „AWO Jugendtreff Kirchderne“ weiter erhalten bleiben.
  • Es findet einmal wöchentlich für jeweils fünf Stunden in der Zeit von 15 bis 20 Uhr in der Einrichtung statt. Startschuss war Ende August. Das Projekt soll noch bis Ende März laufen. Wer Interesse hat – einfach hingehen oder anrufen.
  • Gefördert wird das Projekt durch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) über den Kinder- und Jugendplan des Landes (KJP) des Landesjugendamtes mit Sitz beim Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL).

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