Ab Montag heißt es „Dortmund lernen!“ – CDU-Kandidat Andreas Hollstein aus Altena möchte Sierau als OB beerben

Der Altenaer Bürgermeister Dr. Andreas Hollstein gilt als zupackend und hemdsärmelig.
Der Altenaer Bürgermeister Dr. Andreas Hollstein gilt als zupackend und hemdsärmelig. Fotos (3): Rudi Rust

Ein Gastbeitrag von Klaus Maliga

Keine Spur von David gegen Goliath: Der 56-jährige CDU-Politiker Dr. Andreas Hollstein, bislang Bürgermeister des 17.000-Einwohner-Städtchens Altena, rechnet sich gute Chancen aus, die einstige SPD-Hochburg Dortmund zu knacken und bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 neuer Oberbürgermeister der 600.000-Einwohner-Metropole zu werden. Dr. Hollstein am Wochenende gegenüber Nordstadtblogger: „Die Messlatte ist hoch, aber sie ist zu schaffen!“

Messerangriff machte den Altenaer Bürgermeister bundesweit bekannt

Nach der einstimmigen Auswahl durch die Lenkungsgruppe der CDU steht für den Verwaltungsjuristen am Montag, 25. November, die Entscheidung an: die offizielle Nominierung durch die Vorsitzenden-Konferenz und den Kreisvorstand. Gewinnt Hollstein das Vertrauen  der Dortmunder Christdemokraten, schaltet der Altenaer um: „Dortmund lernen!“ heißt dann ab sofort die Devise. 

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Der Wahlkampf läuft an. Von den MitbewerberInnen, das lässt sich leicht erahnen, wird er sich gegen Hollstein richten und dazu jede Menge Häme gegenüber der örtlichen CDU ausschütten: Die Armen, müssen ihre klugen Köpfe schon im  Sauerland suchen!

Wer ist nun der Mann, der bundesweite Bekanntheit erlangte, als er am 27. November 2017 mit dem Messer angegriffen wurde, weil der Täter mit Hollsteins liberaler Haltung gegenüber Flüchtlingen nicht einverstanden war? Der Bürgermeister hatte mehr Menschen aufgenommen, als es die kommunale Verteilungsquote für Altena vorsah.

Gemeinsam mit den Grünen brach er in Altena die SPD-Vorherrschaft

Dr. Andreas Hollstein möchte für die CDU ins Rennen um das Dortmunder OB-Amt gehen.
Dr. Andreas Hollstein aus Altena möchte für die CDU ins Rennen um das Dortmunder OB-Amt gehen.

Hollstein kann, wie er selbst sagt, „Brücken bauen“. In den 1990er-Jahren hieß das zunächst einmal, Verbindung zu den Grünen aufzubauen und gemeinsam die Jahrzehnte  unangefochten regierenden Sozialdemokraten zurückzudrängen. 

Bei der Wahl 1994 fehlten gerade einmal 60 Stimmen, um die Mehrheit zu holen. Fünf Jahre später wurde Hollstein dann erster hauptamtlicher Bürgermeister von Altena. Das Machtgefüge in Dortmund kann den CDU-Politiker also nicht schrecken, zumal hier bei der Kommunalwahl 2014 Ullrich Sierau (SPD) nur knapp gegenüber seiner CDU-Herausforderin Annette Littmann gewann. 

Das aktuelle, entschiedene Nein der Dortmunder Grünen zu einem gemeinsamen Kandidaten mit der CDU schmälert im Übrigen Hollsteins Chancen auf das Oberbürgermeister-Amt kaum: Nach gegenwärtigem Stand ist die Stichwahl abgeschafft und es wird Stadtoberhaupt, wer im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhält.

Hollstein sieht viele Parallelen zwischen Dortmund und Altena

Der Altenaer sieht viele Parallelen zwischen seiner bisherigen Heimatstadt und der Westfalen-Metropole, auch wenn die Größenunterschiede übermächtig sind: „Dortmund ist eine der Top-10-Städte in Deutschland“, sieht sich Hollstein geehrt, diese Herausforderung für Dortmund angehen zu dürfen. 

Beide Städte seien geprägt vom Arbeitermilieu, beide müssten Stadtumbau, Integration, Abbau von Altschulden, Haushaltskonsolidierung und vor Ort die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Klimawandel schultern. Herausragend sei auch alles, was mit der Mobilität zusammenhänge. 

Hollstein ist auf der Suche nach intelligenten Lösungen – und blickt kritisch nach Düsseldorf. „Das Umland kann ohne Dortmund nicht leben und umgekehrt. Da macht es doch keinen Sinn, so zu tun, als wolle man die Pendler ‘rausprügeln.“

Büroleiter im MdB-Büro und Referent der CDU-Bundestagsfraktion als frühe Stationen

Schul-Dezernentin Daniela Schneckenburger
Auf grüne Unterstützung kann Hollmann in Dortmund nicht zählen. Die Partei will eine/n Grüne/n ins Rennen schicken. Stadträtin Daniela Schneckenburger werden Chancen ausgerechnet.

Für Altena war es von großem Vorteil, dass ihr Bürgermeister das Politikgeschäft von der Pike auf gelernt hat. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Bonn, der 1. Staatsprüfung beim Oberlandesgericht Köln und dem Referendariat beim Oberlandesgericht Hamm promovierte er 1999 an der Fernuniversität Hagen; er saß übrigens im gleichen Doktorandenkurs wie der frühere FDP-Vorsitzende und Außenminister, der verstorbene Guido Westerwelle. 

Für den gebürtigen Altenaer war aber Anfang der 1990er-Jahre die kurze Zeitspanne beim Kommunalverband Ruhr (heute Regionalverband Ruhr) prägend: Hier lernte er beim damaligen Verbandsvorsteher und Mitinitiator des Initiativkreises Ruhrgebiet, Dr. Jürgen Gramke, das politische Handwerk. 

Gramke war zuvor Stadtdirektor von Altena gewesen. Während der KVR-Zeit knüpfte Hollstein die Kontakte zum „Pro Baltica Forum“, die letztlich zu seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter für Politik, Protokoll und Kultur an der Botschaft der Republik Litauen in Bonn führten. 

Auch die Jahre als Büroleiter des märkischen CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Lohmann in Lüdenscheid und Bonn sowie seine Tätigkeit als Referent für Fragen der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes bei der CDU-Bundestagsfraktion unter Dr. Wolfgang Schäuble, dem jetzigen Bundestagspräsidenten, waren arbeits- und lehrreiche Zeiten.

CDU-Politiker versteht sich auf das Netzwerken – über Parteigrenzen hinweg

Ganz wichtig dabei: Hollsteins Talent zum „Netzwerken“. Der CDU-Politiker hat Ämter und Verbindungen in fast alle politischen Lager auf Landes- und Bundesebene, ist in zahlreichen Zusammenschlüssen von Städten, Gemeinden und Bürgermeistern aktiv. Das  Wort „fast“ steht da, weil Hollstein stets und konsequent die Kooperation mit Rechtsaußen, der AfD, ablehnt.

Der Dortmunder Wirtschaftsförderer Thomas Westphal will für die SPD Oberbürgermeister werden.

Für den Erfolg der Hollstein´schen Politik in Altena war es von großer Bedeutung, dass es der CDU-Politiker versteht, sich Sachverstand auch von außen einzuholen, Probleme und Aufgaben strukturiert anzugehen und so an Lösungen heranzuführen. So konnten strukturelle Anpassungen, zu denen Altena gezwungen wurde, weil dort der stärkste Einwohnerschwund in NRW stattfand, angegangen und zum Teil gemeistert werden. 

Mit dem Aufzug zur Burg und damit zur ersten Jugendherberge der Welt ist der Tourismus deutlich gestärkt worden, die Innenstadt hat einen zweiten Umbau erfahren, der städtische Haushalt ist schon im fünften Jahr ausgeglichen und die Schulen haben millionenschwere Investitionsschübe erfahren, lange bevor es jetzt im Land aktuell ist.

Als Andreas Hollstein im September ankündigte, kein weiteres Mal für das Bürgermeisteramt seiner Heimatstadt zu kandidieren, war das keine Kapitulation vor den vielen noch anstehenden Aufgaben, sondern der Eindruck, dass eine Entwicklungsphase abgeschlossen und nach über zwei Jahrzehnten der richtige Zeitpunkt gekommen sei, die neuen Herausforderungen auch mit einer personellen Erneuerung zu verbinden.

Hollstein taugte nicht für eingetretene Pfade des Links-rechts-Denken

So hatte auch die erfolgreiche Karriere von Hollstein in den 1990er-Jahren begonnen: Nach drei Jahrzehnten SPD-Regentschaft verlangten viele Menschen nach einem Wechsel und nach unverbrauchten Gesichtern. In diese Situation stieß der junge Hollstein, Sohn eines Einzelhändlers, der offen und aufrichtig auf die Menschen  zuging, ihnen ohne Politiker-Gehabe entgegentrat. Stattdessen war er als Sportler gut bekannt. 

Strahlende Gesichter: Parteichefin Nadja Lüders und OB Ullrich Sierau beim SPD-Familienfest.
Beim SPD-Familienfest verkündete OB Ullrich Sierau – hier mit Parteichefin Nadja Lüders – dass er nicht wieder antreten wolle. Foto: Alex Völkel

Ehrenamtlich führte er die Geschäfte des damaligen Tischtennis-Bundesligisten TTC Plaza Altena um den deutschen und internationalen Rekordmeister Wilfried Lieck. Wer auf Lagerwahlkämpfe setzte, war bei Hollstein an der falschen Adresse. Das Mitglied der „Mayors for Peace“, gegründet vom Bürgermeister von Hiroshima, war offen für die Anliegen von Friedens- und Eine-Welt-Gruppen ebenso wie für die internationalen Städtepartnerschaften. 

Das christdemokratische Stadtoberhaupt taugte nicht für eingetretene Pfade des Links-rechts-Denkens. So in die Bürgerschaft eingebettet, konnte er auch unpopuläre Entscheidungen wie die Schließung eines Schwimmbades durchsetzen: Wo jeder in der Stadt das Gefühl hatte, dass sich die Bevölkerungszahl auf kurz oder lang halbieren werde, war es naheliegend, dass solche Einschnitte notwendig würden. 

Diese Argumentation war letztlich für die Mehrheit einsichtiger als ein optimistisch verklärtes Wünsch-dir-was. Hinter vorgehaltener Hand bekannten viele SPDler: „Diesmal wähle ich aber Hollstein.“ Sein Amtsvorgänger Günter Topmann (SPD) „adelte“ ihn später: „Das meiste hätte ich auch so gemacht.“ 

Bundeskanzlerin zeichnete ihn mit dem Nationalen Integrationspreis aus

Für Altena entwickelt er Pläne abseits des klassisches Rechts-Links-Denkens.
Für Altena entwickelt er Pläne abseits des klassisches Rechts-Links-Denkens.

Wahrheit und Klarheit ist auch das Rezept, Bürgerinnen und Bürger zum Mitmachen zu animieren. Unter dem Begriff „Partizipation“ wird diese Form der Bürgergesellschaft, der Einbindung, des Mitgestaltens und der Mitverantwortung heute diskutiert.

Gerade hier, so Hollstein gegenüber den „Nordstadtbloggern“, hätten auch Großstädte Nachholbedarf. Die Menschen lebten in den Stadtteilen, ihre Bezirksvertretungen müssten gestärkt werden.

Hollsteins kommunalpolitisches Wissen und seine mitunter hemdsärmelige Art des Zupackens werden noch auf längere Zeit in der breiten Öffentlichkeit hinter all dem zurückstecken, was mit dem Attentat vom November 2017 zu tun hat. Der Altenaer Bürgermeister ist aber viel länger auch international gefragter Referent und Interviewpartner zum Thema „Integration“. 

So ist daran zu erinnern, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den CDU-Politiker schon über ein halbes Jahr vor dem Messerangriff mit dem Nationalen Integrationspreis ausgezeichnet hat.

Fairness, Respekt und Achtung sind ihm wichtig – und guter Fußball

Woher kommt diese Haltung? Bevor man bei Andreas Hollstein aufgrund seiner CDU-Mitgliedschaft nach christlicher Soziallehre und ähnlichem fragt, kann man es auch eine Nummer kleiner machen: Der 56-Jährige sieht sich als Sportler, da werden schon immer Fairness, Respekt und Achtung groß geschrieben. Oder sollten es. 

Dass Hollstein sich von dem Messerstich nicht kleinkriegen lassen wollte und will, hat er ziemlich schnell deutlich gemacht, als er das für viele unverständlich milde Urteil gegen den Attentäter akzeptierte: Nicht das Attentat sollte sein weiteres politisches Leben bestimmen, sondern sein Gestaltungswille. Dafür sammelte er Kraft. 

Hollstein: „Ich arbeite immer gern und viel. Ich brauche keinen Job zum Ausruhen. Ich brauche die Herausforderung. Und ich brauche den Kontakt mit den Menschen. Ganz nah am Menschen sein. So verstehe ich Politik, so will ich das machen.“ Und: „Wenn ich Oberbürgermeister werde, dann ziehe ich mit meiner Familie nach Dortmund. Anders kann ich mir das nicht vorstellen.“ Ob er dann auch BVB-Fan wird? „Ich liebe Fußball. Guten Fußball!“

Zum Autor:
Klaus Maliga (66) hat als Redakteur und Redaktionsleiter der Westfälischen Rundschau in Altena den Werdegang Hollsteins von Anfang an begleitet.

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Reaktionen

  1. Dirk Franke

    Dortmund braucht keinen Lehrling an der Spitze!
    Gute Auszubildende sind in der wachsenden Stadt Dortmund gerne gesehen, doch einen Auszubildenden an der Spitze dieser Stadt brauchen wir nun wirklich nicht!
    Es ist schon bezeichnend wie in diesem Gastbeitrag der Kandidat, das Wort Spitzenkandidat verbietet sich in diesem Zusammenhang, beworben wird.
    Die Schließung eines Schwimmbades als politischen Meilenstein anzugeben ist schon bezeichnend, leider wird hier schamhaft verschwiegen, dass neben dem stolz erwähnten Ende eines Freibades auch gleich mehrere Kindergartengruppen geschlossen und ein Grundschulstandort aufgegeben wurden. Ja, politische Sparzwänge auf Grund der unzureichenden Finanzierung durch Bund und Land sind uns in Dortmund auch nicht unbekannt, doch es zeugt nicht nur von einer erstaunlichen Chuzpe diese nicht zu beklagen, sondern als Errungenschaft zu verkaufen!
    Wenn dann noch die Reduzierung der Verwaltung um mehr als 20% (Von 180 Beschäftigte auf 140 Beschäftigte) bejubelt wird, wissen wir was uns erwartet. Dies wird nicht nur die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Dortmund zu Jubelstürmen, hinsichtlich der zu erwartenden Mehrbelastung, veranlassen sondern auch die Dortmunder Bürger sicher von den Stühlen hauen! Wir als Dortmunder können uns wirklich nichts Schöneres vorstellen als noch mehr Zeit damit zu verbringen auf die Aushändigung des Personalausweises oder der KFZ-Zulassung zu warten. Erhellend, wozu diese Privat vor Staat – Ideologie führt, ist ein Blick auf die Internetseite der Stadt Altena vom heutigen Tage (25.11.2019). Dort finden wir den Hinweis, dass die Öffnungszeiten des Hallenbades, das gibt es tatsächlich noch, eingeschränkt sind; DER Grund ein Krankheitsfall, das sind die Folgen fehlender Reserven in der Personalplanung! Wir brauchen in Dortmund mehr und nicht weniger Personal, liegen doch viele Investitionen, sowohl öffentlicher als auch privater Natur, auf Eis, da es an qualifiziertem Personal fehlt!
    Das betonen des bürgerlichen Engagements ist schön und gut, steht aber im krassen Widerspruch zur Kürzung der Vereinsförderung in Altena (Westfälische Rundschau aus 2012), doch etwas anders zu bewerten, wenn dieses Engagement nichts anderes ist als Notwehr gegen kommunales Versagen!
    Allein die TU Dortmund ist mit mehr als 34 000 Studierenden doppelt so groß wie die weiter schrumpfende Stadt Altena.
    Für ein Schwergewicht reichte es wohl nicht bei der Dortmunder CDU. Um einen Vergleich aus dem Fußball zu ziehen, diese Kandidatur ist so als wenn der BVB den Trainer von Kleinkleckersdorf mit der Begründung verpflichtet hätte er habe ja dort 20 Jahre gute Arbeit in der Kreisliga C nachgewiesen!
    Daher ist es schon fast logisch, wenn die Verbesserung der Aussichten des CDU-Bewerbers darauf basieren und beworben werden, dass das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Bürger durch die Abschaffung der Stichwahl durch die CDU/FDP Koalition in NRW erfolgte. Wer nicht bereit ist sich der Auseinandersetzung von Angesicht zu Angesicht zu stellen outet sich als politisches Leichtgewicht!

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