„Raving Iran“: Film über Leben, Liebe, Leidenschaft und Kunst im totalitären Gottesstaat in zwei Kinos in der Nordstadt

„Raving Iran" erzählt die Geschichte von Anoosh Raki und Arash Shadram aka Blade&Beard. Foto: Junkyard Dortmund
„Raving Iran“ erzählt die Geschichte von Anoosh Raki und Arash Shadram aka Blade&Beard. Foto: Verleih

Die Islamische Republik Iran hält die Welt in Atem. Die Religion durchdringt nahezu jeden Aspekt des sozialen Lebens. 99,4 Prozent der Bürger des Iran sind Muslime und gehören der schiitischen Minderheit des Islam an.Umgeben von sunnitisch-islamischen Nachbarstaaten, sieht sich der Staat unter ständiger Bedrohung von außen. Besonders die Beziehungen zum jüdischen Erzfeind Israel und die damit verbundenen Ambitionen des Iran, Uran zur Bombenherstellung anzureichern, sorgen für Dauerkrisenstimmung im Nahen Osten, die sich auf den Rest der Welt überträgt. Das Regime der Mullahs, der islamischen Rechtsgelehrten, ächtet die Freude am Leben und die freie Entfaltung des Individuums.

Im Iran ist kein Platz für Freidenker, Dissidenten und blasphemische Künste

Die Scharia dient den alten Männern mit langen Bärten als Instrument, durch das sie Angst und Schrecken verbreiten und drakonische Strafen verhängen für Menschen, die anders denken, anders fühlen, anders leben, anders sind.

Vor allem Frauen, Kinder und Jugendliche sind die Leidtragenden, die völlig rechtlos der blinden Willkür selbsternannter Prophetenerben unterworfen sind. Westliches Kulturgut gilt als gottlos und blasphemisch und Kritik ist nicht erwünscht, kann sogar zu heftigen, unverhältnismäßigen Reaktionen führen. So wurde der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie für sein Werk „Die satanischen Verse“ vom damaligen Ayatollah Khomeini 1989 kurzum mit einer Fatwa belegt.

Hierdurch wurde es quasi jedem Moslem weltweit als Pflicht aufoktroyiert, den Gottlosen zu töten, sobald er oder sie die Möglichkeit dazu habe. Umgeben von „Feinden“ sieht sich der Staat gezwungen, seine BürgerInnen durch religiöse Bigotterie von jeglicher Opposition fernzuhalten, um wenigstens im Inneren die Kontrolle zu behalten. Für die freidenkenden, liberalen Menschen im Iran eine tagtägliche Tortur und ein gefährlicher Spießrutenlauf.

Sweet sixteen-Kino im Depot und Open-Air-Kino im Junkyard zeigen „Raving Iran“

Das Filmplakat zu „Raving Iran". Foto: SweetSixteen-Kino
Das Filmplakat zu „Raving Iran“.

Wie das Leben im totalitären Iran für freidenkende, junge Menschen aussieht, veranschaulicht der preisgekrönte Dokumentarfilm „Raving Iran“ von Regisseurin Susanne Meures, der am 4. Juni 2018 um 18 Uhr im SweetSixteen-Kino im Dortmunder Depot gezeigt wird. Im Anschluss an den Film wird es eine Diskussion mit dem Sozialwissenschaftler Said Boluri geben. Diskutiert wird über das gemeinsame diverse Zusammenleben in Deutschland. 

Wen es bei den sommerlichen Temperaturen aber eher an die frische Luft lockt, der hat die Möglichkeit sich „Raving Iran“ schon am kommenden Samstag, dem 2. Juni 2018 um 21 Uhr im Junkyard Dortmund anzuschauen. Einlass ist ab 20 Uhr. Der Schrottplatz wird hierfür in ein Sommernachtskino verwandelt. Bei schlechtem Wetter, steht die Veranstaltungshalle als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung.

Das Tolle im Junkyard ist, dass die Protagonisten des Films, Anoosh Raki und Arash Shadram aka Blade&Beard, selbst vor Ort sind und nach dem Film ab 23 Uhr auftreten und auflegen werden. „Elektronische Musik und Raves sind in Teheran verboten, dennoch versuchen die Künstler ihrer Leidenschaft nachzugehen, ehe sie nach Europa flüchten. Mittlerweile lebt das Duo in Zürich, führt mit Futurist ein eigenes Label und genießt einen vollgepackten Tour-Kalender“, so das Junkyard-Team.

Die Protagonisten des Films Anoosh Raki und Arash Shadram aka Blade&Beard sind im Junkyard live dabei

Anoosh Raki und Arash Shadram haben sich für eine Zukunft in Europa entschieden. Foto: Junkyard Dortmund
Anoosh Raki und Arash Shadram haben sich für eine Zukunft in Europa entschieden. Foto: Junkyard

„Raving Iran“ sei ein wertvoller kultureller Beitrag, der einen Einblick in die Lebensumstände im Iran am Beispiel der beiden Hauptprotagonisten erlaubt. Zum Inhalt des Films: Anoosh und Arash sind die Helden von Teherans Undergrund Techno-Szene. Müde und desillusioniert vom ewigen Versteckspiel vor der Polizei und ihrer stagnierenden Karriere, organisieren sie unter gefährlichen Umständen einen letzten ekstatischen Rave in der Wüste.

Zurück in Teheran versuchen sie vergeblich ihr illegales Musikalbum unter die Leute zu bringen. Als Anoosh auf einer Party verhaftet wird, erlischt auch der letzte Funken Hoffnung auf eine Zukunft im Iran. Doch dann erreicht sie ein Anruf von der Streetparade in Zürich, der größten Techno Party der Welt.

Nach langem Bangen erhalten die beiden ein Fünf-Tage-Visum. In der Schweiz angekommen, katapultieren sie Radio- und Zeitungsinterviews, Millionen von Ravern und DJ Kollegen in eine andere Sphäre. Die Euphorie verfliegt jedoch schnell, denn die näher rückende Abreise stellt sie vor eine große Entscheidung.

VeranstalterInnen engagieren sich für multikulturellen Zusammenhalt in Dortmund

Das SweetSixteen-Team freut sich auf einen interessanten Abend mit „Raving Iran" Foto: Alex Völkel
Das SweetSixteen-Team freut sich auf einen interessanten Abend mit „Raving Iran“ Foto: Alex Völkel

Die Vorführung am 4. Juni 2018 im SweetSixteen-Kino im Depot in der Immermannstraße 29 ist kostenfrei. Die Veranstaltung wird im Rahmen des Projektes INKLUDO und des Projektes flügge als Dialogforum durchgeführt. 

Diese vom Planerladen e.V. initiierten Dialogforen haben das Ziel anhand von Filmvorführungen, Lesungen oder Podiumsdiskussionen mit Experten eine Plattform zu schaffen, bei der verschiedene Meinungen und Ansichten über migrations- und integrationsrelevante Themen ausgetauscht werden können. Diese sollen einer besseren Verständigung in der Stadtbevölkerung dienen und das Miteinander fördern.

Im Junkyard wird ein Ticket für Film inklusive Aftershowparty im Vorverkauf 16 Euro plus Vorverkaufsgebühren kosten. Wer nur die Aftershowparty besuchen möchte, ist mit elf Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühren dabei. Für die Preise an der Abendkasse bittet das Team Junkyard darum, die öffentlichen Aushänge zu beachten. Der Junkyard befindet sich ebenfalls in der Dortmunder Nordstadt, in der Schlägelstraße 57.

Update: 
„Blade and Beard“ im Interview mit Nordstadtblogger:
Anoosh und Arash bei ihrem nächtlichen Auftritt im Junkyard.
Anoosh und Arash bei ihrem nächtlichen Auftritt im Junkyard.

Kurz vor ihrem Auftritt um 1 Uhr nachts, haben „Blade and Beard“, Zeit für ein kurzes Interview, trotz zweistündiger Verspätung. Müde und desillusioniert scheinen Anoosh und Arash auch jetzt zu sein. Müde, weil sie gerade auf Europatournee sind und dadurch im Dauerstress. „Wir sind alle paar Tage in einer anderen Stadt und immer unterwegs“, erläutert Anoosh, der größere der Beiden.

Desillusioniert, weil das zweijährige Asylverfahren in der Schweiz Grenzen der europäischen Freizügigkeit aufgezeigt hat. „Wir haben zwei Jahre in Asylheimen in den Schweizer Bergen festgesessen, weit entfernt vom Nachtleben in Zürich“, beschreibt Anoosh die Situation nach ihrer Entscheidung, in der Schweiz zu bleiben. Zuletzt hat Arash kein Visum für einen Auftritt in Großbritannien bekommen können.

Die Tragweiter der schwierigen Entscheidung wird deutlich, da auch der Weg zurück in den Iran versperrt bleibt. „Wir können heute unmöglich zurück. Vielleicht in der Zukunft, wenn die Ideologie der Regierung sich ändert“, berichtet Arash. „Aber es wird nur schlimmer und schlimmer“, fügt Anoosh hinzu. Sie verfolgen die politische Situation in ihrem Heimatland sehr genau.

Anoosh und Arash wollen sich aber auch von den politischen Problematiken abgrenzen: „Wir sind keine Politiker. Musik ist unsere Mission.“ Heute wollen die beiden DJ´s anderen Musikern helfen, denen es ähnlich ergeht. „Wir wollen Leute unterstützen und bekannt machen, die talentiert sind, aber unsichtbar bleiben.“

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