Der Verwaltungsvorstand hat sich mit der Reform der Wohnungslosenhilfe in Dortmund befasst und grünes Licht für das weiterentwickelte Konzept gegeben. „Rein rechtlich wäre es ausreichend, nur eine Notübernachtung vorzuhalten. Wir haben es aber immer schon anders gesehen und haben ein ausdifferenziertet Programm vorgelegt“, betont Sozialdezernentin Birgit Zoerner.
35-Seiten-Konzept geht jetzt in die politischen Gremien
Es sieht eine Vielzahl von Weiterentwicklungen und neuen Angeboten für verschiedene Zielgruppen vor“, fasst Zoerner das 35-seitige Papier zusammen, welches jetzt in die politischen Gremien geht.
Der Rat hatte die Verwaltung im April 2017 beauftragt, das damals bestehende System inhaltlich zu überarbeiten und bedarfsgerecht anzupassen. Seit gut einem Jahr hat die Verwaltung in der Federführung des Sozialamtes intensiv das bestehende und gut vernetzte Versorgungssystem einem Check unterzogen.
Alle Netzwerkakteure, vor allem auch die nichtstädtischen Profis und ehrenamtlich aktiven Träger, Initiativen und Vereine, haben sich in vielen – auch kontroversen – Diskussionen auf einen neuen Weg geeinigt. So wurden bereits bestehende Angebote bedarfsgerecht verändert, neue und differenzierte Maßnahmen entworfen und abgestimmt. Auch die Betroffenen wurden einbezogen.
Plätze in den Notschlafstellen werden ausgeweitet – zahlreiche neue Angebote
Die etablierten Notunterbringungseinrichtungen für Frauen und Männer werden aktuell zu Clearingsstellen weiterentwickelt. Zudem sollen sie sich sich auf ihre originären Funktionen als kurzfristige Notschlafstellen konzentrieren. Die maximalen Platzkapazitäten werden auf 70 (Männerübernachtungsstelle) und 50 (Frauenübernachtungsstelle) erweitert. Kurzfristige Notschlafstellen bedeutet: Beide Einrichtungen werden von Personen mit verfestigtem Aufenthalt entlastet – diesen Menschen werden andere Angebote gemacht.
In der Männerübernachtungsstelle wird nach der Realisierung des Neubaus in der Unionstraße ein Kontingent von 25 Plätzen in kleinen Wohneinheiten (zwei bis maximal vier Personen) für Menschen mit einer speziellen psychiatrischen Diagnose als Dauerschlafplätze reserviert. Für Frauen soll es dieses Angebot bei Bedarf im Einzelfall ebenfalls geben.
Die Platzkapazitäten der Frauenübernachtungsstelle werden von 30 auf 50 aufgestockt. Zudem wird ein neuer Standort gesucht – bisher gibt es zwei kleinere Einrichtungen der Diakonie in der Kronprinzen- und der Jägerstraße.
Neue Angebote für Jugendliche, chronisch kranke und drogensüchtige Obdachlose
Langjährig obdachlose Menschen mit schwersten und chronischen gesundheitlichen und sozialen Problemen, die das qualifizierte Hilfesystem verweigern, dennoch absprachefähig sind, werden dauerhaft in geeigneten Wohnungen ordnungsrechtlich untergebracht. Dafür soll das Wohnraumvorhalteprogramm der Stadt genutzt werden. Das sogenannte „WVP Plus“ soll bis zu 70 Plätze vorhalten, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt liegen sollen.
Es sollen zudem rund 25 Unterbringungsplätze für Männer und Frauen mit schwerer Drogenabhängigkeit (illegale Drogen) geschaffen werden – ebenfalls als Clearingstelle konzipiert und an das örtlich etablierte Drogenhilfesystem angebunden. Es geht um Perspektivklärung, Hilfeplanung, Überleitung in Wohntrainingsangebote. Ein Start ist noch nicht absehbar.
Benötigt werden zudem rund 20 Notschlafplätze für „junge Erwachsene“, zumeist langjährig Jugendhilfe-Erfahrene, die weitergehende Hilfen ablehnen, ebenfalls mit Perspektivklärung, Hilfeplanung, Überleitung in Wohntrainingsangebote. Ein Start ist noch nicht absehbar.
Neben den ordnungsrechtlichen Unterbringungsformen planen der Landschaftverband Westfalen-Lippe (LWL) und Stadt mit „Pension plus“ die Etablierung eines niederschwelligen ambulanten Wohnangebotes mit 25 Plätzen für Menschen mit multiplen Problemlagen, die sich auf zunächst niederschwellige persönliche Hilfen einlassen und anschließend in hochschwellige Hilfen am Ort flexibel wechseln. Ziel ist der Wechsel in den allgemeinen Wohnungsmarkt.
Angebote von freien Trägern werden von der Stadt finanziert und ausgeweitet
Neben der Weiterentwicklung des Systems der Unterbringung sind weitere Änderungen geplant oder bereits umgesetzt. So wird das „Gast-Haus“ mit jährlich 100.000 Euro gefördert und hat bereits die Öffnungszeiten verlängert. Für Verlängerungen der Öffnungszeiten des Brückentreffs befindet sich die Stadt in Verhandlungen mit dem Betreiber Diakonisches Werk (Bedarf jährlich rund 30.000 Euro).
Es findet eine erhöhte Beratungspräsenz durch die Zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose (ZBS) des Diakonischen Werkes und durch das Jobcenter Dortmund im „Gast-Haus“ statt; das Jobcenter ist auch in der ZBS zu Beratungsterminen präsent. Das Sozialamt erprobt ab dem 1. Mai dieses Jahres eine Beratung bei Wohnraumkündigung und -sicherung im „Gast-Haus“.
Die Stadt Dortmund beabsichtigt, eine freiwillige Zuverdienstmöglichkeit für Menschen zu schaffen, die sich in den Notunterbringungseinrichtungen aufhalten. Dabei sollen durch die Bewohnerinnen und Bewohner zum Beispiel Reinigungsarbeiten auf dem Gelände oder den umliegenden Gehwegen durchgeführt werden.
Eine Entlohnung soll in Höhe von 1,50 Euro pro Stunde erfolgen, analog zu den Bezahlstrukturen im Bereich der Arbeitsgelegenheiten (AGH). Es wird damit gerechnet, dass diese Zuverdienstmöglichkeit zunächst nur wenige Personen und Stunden umfassen wird. Bei einer Bewährung in der Aufgabe soll jedoch dem Personenkreis die Möglichkeit in Aussicht gestellt werden, in der Stadtteilwerkstatt mitzuarbeiten.
Neuauflage von „Kompass“ – differenzierte Angebote zur Entlastung Ehrenamtlicher
Es wird eine Neuauflage der Broschüre „Kompass“, als Taschen-Ausgabe geben. Die Einrichtung einer Seite für mobile Endgeräte zur Verbesserung der Informationsmöglichkeiten für Betroffene und Helfende ist geplant.
Das Thema Wohnungslosenhilfe rückt insbesondere in den Wintermonaten in das öffentliche Bewusstsein. Offenkundig wird dann, dass es auch für die Profis schwierig ist, den oftmals sehr individuellen Notlagen, Bedürfnissen und Verhaltensweisen betroffener Menschen oder bestimmter Personengruppen zu entsprechen.
Fachleute wie Ehrenamtliche stoßen an ihre Grenzen, wenn sie in der täglichen Arbeit akzeptieren müssen, dass sich Menschen trotz höchster Not nicht helfen lassen wollen und sich zum Beispiel aufgrund erheblicher psychischer und suchterkrankungsbedingter Störungen der institutionellen und organisierten Hilfe entziehen.
Sozialdezernentin Birgit Zoerner: „Die Stadt Dortmund hält an ihrem Grundsatz fest, dass das Handeln in diesem Bereich immer darauf ausgerichtet sein muss, Menschen in das qualifizierte Hilfesystem zu bringen, um ihnen aus dieser Lebenslage heraus zu helfen, ohne dass die ordnungsrechtliche Relevanz aus dem Blick gerät.“
Hier gibt es das Gesamtkonzept als PDF zum Download: Wohnungslose Menschen in Dortmund
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Grünen-Fraktion
Hilfe für wohnungslose Menschen – Konzept muss nachgebessert werden
Die GRÜNEN im Rat wollen das von der Verwaltung vorgelegte neue Konzept der Wohnungslosenhilfe nachbessern. Das sieht ein Antrag der Fraktion vor, der in dieser Woche in den Sozialausschuss eingebracht worden ist.
Fraktionssprecher Ulrich Langhorst: „Die Zahl wohnungs- und obdachloser Menschen hat auch in Dortmund in den letzten Jahren stark zugenommen. Deshalb ist es richtig, dass die Verwaltung nun endlich ein neues Hilfskonzept vorgelegt hat. Allerdings reicht uns das in dieser Form nicht aus, weil es sich zum größten Teil darauf beschränkt, bereits vorhandene Hilfen auszubauen. Was wir vermissen, sind neue Ansätze, die den neuen Anforderungen gerecht werden. Mit unserem Antrag wollen wir das korrigieren.“
So schlagen die GRÜNEN unter anderem vor, dass das Konzept um ein Nothilfeprogramm für EU-Zuwander*innen ergänzt wird, die obdachlos sind oder in prekären Wohnverhältnissen leben. Sie besitzen weder einen Anspruch auf Sozialleistungen, noch einen Krankenversicherungsschutz und sind größtenteils von integrierenden Hilfeleistungen ausgeschlossen. Für sie bleiben im Fall der Bedürftigkeit meist nur die offenen Tagestreffs, Suppenküchen oder Notfallambulanzen, wo ihnen unabhängig von ihren rechtlichen Ansprüchen geholfen wird.
Ulrich Langhorst: „Die Verwaltung spricht in ihrem Konzept davon, dass es für einige der Zuwander*innen insbesondere im vergangenen Winter teilweise zu lebensbedrohlichen Situationen kam. Demnach ist es wahrscheinlich nur Glück gewesen, dass dabei niemand zu Tode kam. Trotz dieser Feststellung fehlt im Papier der Verwaltung ein eigenständiges niedrigschwelliges Konzept bzw. Nothilfeprogramm zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen.“
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für die GRÜNEN darüber hinaus ein Nothilfeprogramm für den Winter. Auch hier gibt es bisher keine Ideen der Verwaltung. Die GRÜNEN drängen deshalb nun auf die Erarbeitung eines Konzeptes für den Betrieb eines Mitternachtsbusses, der jahreszeitenunabhängig wohnungslose Menschen ohne Übernachtungsplatz versorgt und ihnen unbürokratische Überlebenshilfen anbietet. Und auch die Angebote der Tagesaufenthalte sollen nach Auffassung der GRÜNEN über die im Konzept genannten Ausführungen hinaus erweitert werden. Dabei sollen zusätzliche dezentrale einfache Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen werden, insbesondere auch für die zunehmende Zahl jugendlicher Obdachloser.
Der Antrag der GRÜNEN soll nun in einer Sondersitzung des Sozialausschusses Anfang Juni beraten werden.
CDU-Fraktion
CDU-Forderung für Wohnungslose Menschen: „Wohnen im Alter 60 plus“ – Konzept für Wohnungslose wird ergänzt – auch für obdachlose Jugendliche
Auf Initiative der CDU-Fraktion hat der Sozialausschuss in seiner Sitzung am 7. Juni das von der Verwaltung vorgelegte Konzept der Wohnungslosenhilfe um eine Wohneinrichtung „60 plus“ und einen Tagesaufenthalt für obdachlose Jugendliche ergänzt.
„Für (ehemalige) Prostituierte, Obdachlose und Menschen mit langer Suchtbiografie ab 60 Jahren gibt es in der Dortmunder Trägerlandschaft keine Einrichtung, in die diese Klientel sich im Alter zurückziehen kann“ beschreibt die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Justine Grollmann die Situation. „Personen dieser Zielgruppe sind am Wohnungsmarkt besonders benachteiligt und finden nur sehr schwer oder gar keinen Zugang zu entsprechenden Hilfeeinrichtungen. Der Wunsch nach Individualität, Privatsphäre und Selbstentfaltung, aber auch das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Geselligkeit im Alter ist bei diesem Personenkreis ebenfalls ein großes Begehren. Diese Menschen bringen aufgrund ihrer Vorgeschichte eine Problemlage mit, die mit denen in vorhandenen Einrichtungen für ältere Menschen, nicht konform gehen.“
Mehrere Städte bieten mittlerweile solche Unterbringungen an, u. a. auch die Stadt Münster. Sie bietet eine „60 plus“-Einrichtung für das oben genannte Klientel bereits seit 2013 an und sieht es heute – fünf Jahre später – als ein geglücktes Projekt. Als möglicher Träger einer solchen Einrichtung könnte sich die CDU den LWL vorstellen.
„Ein weiterer Schritt wurde aber auch für die obdachlosen Jugendlichen unternommen, für die es bisher keine Tagesaufenthalte gibt. Auch das hat der Ausschuss auf Antrag der CDU mehrheitlich beschlossen. Soll heißen, dass die Verwaltung den Auftrag erhalten hat, eine zusätzliche Einrichtung für obdachlose Jugendliche in zentraler Lage zu schaffen. Das wäre eine weitere große Bereicherung auf der sozial-menschlichen Ebene für Dortmund“, so Grollmann abschließend.