Gemeinsam etwas erreichen in Dortmund: Auftakt des Präsentationsjahres für „nordwärts“ in der Zeche Zollern

Zeche Zollern Dortmund
Einer der historischen „Leuchttürme“ ist die Zeche Zollern in Bövinghausen – Präsentationsort für das Nordwärts-Projekt.

Auftaktveranstaltung des „nordwärts“-Präsentationsjahres 2018 auf Zeche Zollern mit 350 BesucherInnen, die ihre Teilnahme nicht bereuen mussten: nationale und internationale ReferentInnen zu Themen rund um das Dekadenprojekt, lebhafte Diskussionen, neue Impulse zu seiner weiteren Entwicklung und ein erlebnisreicher Markt der Möglichkeiten boten einen Einblick in „nordwärts“. Und schließlich wurde nicht nur geredet, sondern auch gesungen und gelacht.

Das „nordwärts“-Leitmotiv: Kluft zwischen dem Norden und Süden der Stadt verringern

Ulrich Sierau (Oberbürgermeister), Hildegard Müller (innogy SE), Ubbo de Boer (Kuratioriumsvorstand von "nordwärts"), Harrie Scholtens (Europäisches Institut für Öffentliche Verwaltung),xxx, Harriet Ellwein (stellv. Leiterin d. Koordinierungsstelle nordwärts), Philippe Narval (Geschäftsführer Europäisches Forum Alpbach), Prof. Klaus Selle (RWTH Aachen) , Ludger Wilde (Umweltdezernent)Es sei ein Gedanke gewesen, der sich anlässlich der Ergebnisse bei der Kommunalwahl 2014 aufgedrängt habe, erklärt Oberbürgermeister Ullrich Sierau in seiner Begrüßungsrede den Entstehungszusammenhang von „nordwärts“: aufzupassen, dass kein Riss durch die Stadt geht. Sondern vielmehr auch im Norden sichtbar würde, was im Süden bereits vorzeigbar war. Daher: den erforderlichen Strukturwandel nachhaltig „nordwärts“ treiben!

Dass dies bitter nötig gewesen ist, bestätigt Professor Klaus Selle, ausgestattet mit einem Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der Fakultät Architektur der RWTH Aachen, aber mit Wohnsitz an der Ruhr. Dort, wo früher der Horizont glühte, wenn einige Kilometer entfernt im Hörder Stahlwerk Abstiche gemacht wurden.

Am Abgrund habe Anfang der achtziger Jahre die Stadt gestanden, betont Selle: mit dem Wegbrechen von 80.000 Arbeitsplätzen und freigewordenen Industrieflächen in einer Größe, die ein Vielfaches der Dortmunder Innenstadt betrug. Während der Strukturwandel im Süden begonnen hatte, drohte dem Norden, weiter abgehängt zu werden und sich das Nord-Süd-Gefälle zu verstärken. An diesem Punkt hakt „nordwärts“ ein.

Offener Prozess als Kooperation unterschiedlichster Akteure in verzahnten Teilprojekten

Prof. Dr. Ing. Klaus Selle, RWTH Aachen
Prof. Dr. Ing. Klaus Selle, RWTH Aachen

Das erklärte Ziel von „nordwärts“ – die „Harmonisierung der Lebensverhältnisse“ in der Stadt – „ist in diesem Anspruchsniveau nirgendwo zu finden“, so Selle. Was im Weiteren das Besondere an dem Dortmunder Stadtentwicklungsprojekt ist, kann der Planungsspezialist an den Ergebnissen einer Studie verdeutlichen, in der 150 Projekte in ganz Deutschland miteinander verglichen wurden.

Statt einer komplexen Planungsphase, gäbe es keinen Masterplan, daher keine vorab fixierten Zustände, sondern das Gesamtprojekt würde vielmehr als offener Prozess unter kontinuierlicher Einbindung eines breiten, miteinander kooperierenden Akteursspektrums durch verzahnte Teilprojekte gestaltet. „Die Projekte sind sozial und politisch geerdet“, schlussfolgert Selle daraus.

Rund 10.000 BürgerInnen sind bereits in den „nordwärts“-Prozess eingebunden und alle helfen mit, die unglaublichen Potenziale des Nordens zu heben. „Mit ,nordwärts‘ stoßen wir einen enormen Innovations- und Entwicklungsschub an“, ergänzt OB Sierau.

Internationale Anerkennung des Dekadenprojekts durch Preis für innovatives Verwaltungshandeln

Uboo de Boer, Vorstand des Kuratoriums "nordwärts"
Uboo de Boer ist Vorsitzender des „nordwärts“-Kuratoriums. Fotos: Carmen Körner

Während Moderator Ubbo de Boer, Vorsitzender des Kuratoriumsvorstandes, die Gäste durch einen ereignisreichen Tag führt, zeigt sich vor allem eins: die Möglichkeiten, auf „nordwärts“ zu blicken, sind genauso wie die nördlichen Stadtteile Dortmunds selbst: vielfältig.

Vor knapp drei Jahren machte sich „nordwärts“ auf den Weg, die nördlichen Stadtbezirke Dortmunds stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Gesamtstadt aufzuwerten. Eine erste wichtige Etappe des Weges wurde bereits gemeistert. Das zeigt sich schon an der Anerkennung, die „nordwärts“ erfährt – auch international.

Im letzten Jahr setzte sich „nordwärts“ gegen 69 Mitbewerberprojekte durch und wurde vom Europäischen Institut für öffentliche Verwaltung (EIPA) mit dem ersten Preis für innovatives Verwaltungshandeln ausgezeichnet. Harrie Scholtens, Vertreter der EIPA und als Gutachter selbst einen Tag vor Ort, um sich ein Bild über das Projekt zu machen, betont, dass es eine große Stärke von „nordwärts“ sei, Akteure aus allen Bereichen für die lokale Entwicklung zusammenbringen.

Krise der Demokratie in Europa ist eine des Vertrauensverlusts in seine Institutionen

Philippe Narval, Geschäftsführer Europäisches Forum Alpbach, Wien
Philippe Narval, Geschäftsführer Europäisches Forum Alpbach, Wien

Bürgerbeteiligung, Kooperation, Engagement – Parameter, an denen sich „nordwärts“ messen lassen muss und kann.

Mit Philippe Narval, Geschäftsführer des Europäischen Forums Alpbach (Wien), setzt sich ein Redner mit zentralen Ansprüchen des Projekts hinsichtlich seiner demokratischen Praxis auf europäischer Ebene auseinander. Denn Demokratie würde von „nordwärts“ zwar befördert, sei aber in Europa auch in Gefahr.

Weil einerseits das Vertrauen in sie als Staatsform, vor allem aber in ihre Institutionen – wie Wirtschaft, Politik oder Zivilgesellschaft – verlorengegangen sei. Deliberalität unterminiere zudem die freien Medien sowie die Unabhängigkeit der Justiz.

Andererseits wanderten Diskurse in die sozialen Medien ab und würden dort nicht nur verkümmern, sondern es eröffneten sich dadurch neue Formen und Möglichkeiten der Manipulationen politischer Meinungsbildung.

Narval verwies in diesem Zusammenhang auf die jüngst bekannt gewordenen Manipulation von Nutzeraccounts bei Facebook vor dem Brexit-Referendum und der Wahl Donald Trumps. Durch die Aggregation individueller Daten war es der Firma Cambridge Analytica gelungen, Persönlichkeitsprofile von NutzerInnen zu erstellen, die dadurch – mit auf ihre Präferenzen maßgeschneiderte – „Informationen“ versorgt werden konnten, um ihr Wahlverhalten zu beeinflussen.

Chancen der Demokratie: was könnte „nordwärts“ davon in sich integrieren?

Demgegenüber stellt Narvel drei Modelle, besser: Denkansätze für eine Erweiterung und Vertiefung demokratischer Prozesse an Beispielen vor.

In der Essenz sind das: (1) Partizipation an und Praxis von demokratischen Prozessen bereits in Kindergärten und Schulen.

(2) Schaffung von Bürgerräten, die sich zu einem maßgeblichen Teil – neben VertreterInnen der Parteien – aus Bürgern zusammensetzen, die in einem qualifizierten Zufallsverfahren ausgewählt wurden, um Repräsentativität zu sichern. Dieses Gremium besitzt unter bestimmten Voraussetzungen legislative Kompetenzen und arbeitet an Reformthemen (so geschehen in Irland).

(3) Webplattformen, in denen barrierefrei Vorschläge zur Verbesserung von Bürgerbeteiligung eingereicht und darüber in Gesetze eingearbeitet werden können (realisiert mit einem Budget von 30.000 Euro in Frankreich).

Aus unternehmerischer Sicht berichtet schließlich Hildegard Müller, Vorstand Netz & Infrastruktur, innogy SE, über die Bedeutung smarter Techniken bei der Quartiersentwicklung und das Aufeinandertreffen von Tradition und Innovation bei „nordwärts“.

Das Projekt sei auch eine Plattform, auf der in smarten Quartieren technische Lösungen für die Bedürfnisse der Menschen bereitgestellt werden könnten. Beispiele: Energieeffizienz, nachhaltige Energieversorgung, neue Mobilitätskonzepte.

„nordwärts“ ist Engagement – und die Beteiligung der Menschen vor Ort ist das Herzstück

Das Projektgebiet von Nordwärts
Sieben Stadtbezirke sind in „Nordwärts“ ganz oder teilweise einbezogen. Karte: Stadt Dortmund

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion „‘nordwärts‘ von innen“, moderiert von Harriet Ellwein, stellvertretende Leiterin der Koordinierungsstelle des Gesamtprojekts, gewannen die ZuhörerInnen Eindrücke zu den unterschiedlichsten „nordwärts“-Themen.

Ob Tourismus und Landschaftspfade, Bildung und Jugend, Bedeutung für die Gesamtstadt und Change Management in Verwaltung und Politik oder Soziales und „nordwärts“ als Plattform – jedes Thema wurde aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und diskutiert.

Die DiskutantInnen waren sich einig: Beteiligung und die Einbeziehung der Menschen vor Ort sind das Herzstück von „nordwärts“. Verschiedenste Kompetenzen werden zusammengebracht und die Menschen packen an, mischen sich ein und gestalten ihre Stadt. Hinter jedem einzelnen Projekt steckt Engagement, ohne das „nordwärts“ nicht funktionierte.

Dieses Engagement zeigte sich auf dem Markt der Möglichkeiten, der Interessierten einen guten Überblick in die „nordwärts“-Projektarbeit und einen Austausch mit Projektverantwortlichen bot.

Premierenabschluss mit dem Improtheater Emscherblut und deren Version von „nordwärts“

Auf dem "Markt der Möglichkeiten" bei der nordwärts-Veranstaltung gab es unterschiedliche Stände, die die Projekte erklärten.
Auf dem „Markt der Möglichkeiten“ gab es unterschiedliche Stände, an denen die Projekte erklärt wurden.

Vom blauen Gold am Knoten Scharnhorst, den „nordwärts“-Landschaftspfaden und Mint-Scouts über die Allianz Smart City Dortmund und Smart Service Power bis zu DoNaPart und dem Begegnungszentrum Dorstfeld – für alle war ein spannendes Projekt dabei. Daneben wurden im Labor für Wohnen und Zukunft verschiedene Showcases und Modelle präsentiert.

Wer nicht auf eigene Faust den Markt der Möglichkeiten erkunden wollte, konnte die „nordwärts“-Projekte alternativ in geführten Touren kennenlernen.

Nach dem städtischen Kampagnen-Motto „Dortmund überrascht. Dich.“ wurde „nordwärts“ selbst schließlich mit zwei Kulturdarbietungen überrascht. Dem gemeinsamen Singen des Steigerliedes, textlich auf „nordwärts“ zugeschnitten, folgt beim abendlichen Kulturprogramm der Premierenabschluss mit dem Improtheater Emscherblut, das seine ganz eigene Version von „nordwärts“ und Bürgerbeteiligung zum Besten gab.

Mehr zum Thema auf Nordstadtblogger.de gibt es hier: nordstadtblogger.de/category/nordwaerts

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