Von Klaus Winter
Am 4. Dezember 1877 gründete der 23jährige Wilhelm Stoffregen eine „Kunst- und Handelsgärtnerei“ an der damaligen Chaussee nach Brechten, der heutigen Münsterstraße. Die Anfänge waren bescheiden, doch bereits frühe Werbeanzeigen bezeugten den Tatendrang des jungen Unternehmers.
NordstädterInnen bewunderten das idyllische Häuschen mit den hohen Palmen
Stoffregen empfahl sich zur Ausführung und Unterhaltung von Gartenanlagen und wies auf seine Topf- und Freilandpflanzen, Kränze, Girlanden u. a. hin. Für den Verkauf seiner Produkte unterhielt er ein Geschäftslokal in der Stadtmitte und zwar zunächst am Reinoldi-Kirchhof, ab 1879 dann im Haus Westenhellweg 26 und schließlich am Ostenhellweg.
Auf dem Gärtnerei-Gelände in der nördlichen Vorstadt stand Wilhelm Stoffregens Wohnhaus, Münsterstr. 204. Ein Zeitzeuge erinnerte sich 1927: „Als Jungens haben wir oft vor seinem idyllischen Häuschen gestanden und die hohen Palmen bewundert. Und diese machen heute noch die Hauptkultur des Betriebes aus.“
Der Gartenbaubetrieb wurde durch Ankäufe benachbarter Grundstücke im Laufe der Zeit mehrfach erweitert, zuletzt von Otto Stoffregen, dem Sohn des Firmengründers. Schließlich umfasste das Gelände fast den ganzen von Münster-, Rückert-, Uhland- und Kleiststraße begrenzten Bereich.
Werbeanzeigen in den Tageszeiten spiegeln die positive Entwicklung der Gärtnerei wider. So wurden 1894 außer hoch- und niederstämmigen Stachel- und Johannisbeeren auch Pflanzen für Hecken und Obst-, Zier- und Alleebäume angepriesen.
Zahlreiche Ehrungen für sein berufliches und ehrenamtliches Engagement
Neben seiner beruflichen Tätigkeit übernahm Wilhelm Stoffregen verschiedene ehrenamtliche Aufgaben. Als 1883 in Dortmund der Westfälische Gartenbauverein ins Leben gerufen wurde, wurde er in den Vorstand gewählt und übernahm die Aufgabe des Kassierers.
Bei der Gründung einer Verbandsgruppe Westfalen /Lippe der Handelsgärtner, dem 1895 gleich 85 Mitglieder beitraten, machte ihn die Versammlung zum Vorsitzenden. Wilhelm Stoffregen war ferner Mitglied der städtischen Feuerlösch- und der Friedhofs-Kommission. Bei der Anlage des Hauptfriedhofs Dortmund zu Beginn der 1920er Jahren fielen seine Ratschläge auf fruchtbaren Boden.
Für sein umfassendes ehrenamtliches Engagement wurde Wilhelm Stoffregen mehrfach geehrt, u. a. ernannte man ihn 1930 zum Ehrenmitglied des Dortmunder Gartenbauvereins. Die wohl größte Auszeichnung erfuhr er aber 1932, als ein Weg im Romberg-Park auf den Namen Stoffregen-Allee getauft wurde. Dieser Weg führt vom Bahnhof Tierpark nach Südosten in Richtung Café Orchidée und trägt noch immer den 1932 erhaltenen Namen.
Am 3. März 1934 starb Wilhelm Stoffregen kurz vor seinem 80. Geburtstag. Er wurde auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. Dem Gründer einer „der größten Palmenzüchtereien Deutschlands und der Nachbarländer“ hatte man in der dortigen Trauerhalle „einen Palmenwald“ aufgebaut, und prächtige Blumen umgaben den Sarg.
Rund 47 Jahre hatte Wilhelm Stoffregen den von ihm gegründeten Betrieb geführt. Am 14. April 1924 wurde die Firma in das Handelsregister eingetragen und am 20. Juni desselben Jahres der Sohn Otto Stoffregen als Inhaber eingetragen.
Etwa zu der Zeit standen auf dem Grundstück an der Münsterstraße außer dem Wohnhaus der Familie Stoffregen verschiedene Gewächs- und Überwinterungshäuser, Schattenhallen etc. Fotografien aus dem Inneren dieser Gebäude finden sich in der im Herbst 1927 entstandenen „Jubiläums-Preisliste für Wiederverkäufer“.
Nordstadt-Firma war international im Blumen- und Pflanzenhandel tätig
Ein von der Industrie- und Handelskammer Dortmund zur Einrichtung einer Firmen- und Branchenkartei benutzter Fragebogen aus dem Jahre 1928 gibt Auskunft über die Großgärtnerei: Zehn bis zwölf Arbeiter und zwei kaufmännische Angestellte besorgten die anfallenden Arbeiten.
Die Größe der gewerblichen Räume und anderer Betriebseinrichtungen wie Lagerplätze etc. wurde mit 65 Ar angegeben. 1927 hatte der Umsatz fast 230.000 Reichsmark betragen. Die Fa. Stoffregen war international tätig: Sie führte lebende Pflanzen aus Holland, Belgien, Frankreich und Italien ein und exportierte nach Holland und in die Schweiz.
1927, dem Jahr des 50jährigen Betriebsjubiläums wurde die Gärtnerei in eine GmbH umgewandelt. Der Gesellschaftsvertrag datiert 7. Juni 1929. Geschäftsführer wurde Otto Stoffregen, und das Stammkapital belief sich auf 20.000 RM.
1930 platzte der Verkauf des Gärtnerei-Geländes an die Stadt Dortmund. Die Stadt war an einem Kauf interessiert gewesen, weil sie das Grundstück für die Durchführung der Rückert- und Kleiststraße von Westen nach Osten nutzen wollte. Der hohe Preis und andere Umstände verhinderten aber das Zustandekommen des Kaufvertrages.
Wäre der Verkauf zustande gekommen, hätte das nicht das Aus für die 1877 gegründete Gärtnerei bedeutet. Otto Stoffregen hatte für diesen Fall eine Verlagerung des Betriebes nach Brünninghausen geplant. Nun blieb der Gartenbaubetrieb im Dortmunder Norden.
Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erfolgte 1937 die Umwandlung der GmbH in eine Kommanditgesellschaft, in der Kaufmann Otto Stoffregen persönlich haftender Gesellschaft war.
Wie sein Vater, so übernahm auch Otto Stoffregen ehrenamtliche Aufgaben. 1930 wurde er in den Vorstand des Gartenbauvereins gewählt. In diesem Verein hielt er z. B. 1932 einen Vortrag über Pflanzenschönheiten in seinen Gewächshäusern.
Die Zukunftspläne des Gartenbaubetriebes Stoffregen starben im 2. Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg zerstörte die Zukunftspläne des Gartenbaubetriebes Stoffregen. Rolf Stoffregen, einziger Sohn von Otto Stoffregen wurde am 31. Juli 1945 für tot erklärt; wahrscheinlich war er gefallen. Auch das Firmengelände an der Münsterstraße wurde vom Krieg nicht verschont, denn das Wohnhaus wurde zumindest teilweise zerstört.
Auf einem im August 1945 verwendeten Brief ist angegeben „Betrieb: Münsterstr. 204, Büro: Lindemannstr. 26“, und Ende 1947 sprach Otto Stoffregen im Zusammenhang mit der Anschrift Lindemannstr. 26 von seiner „Notwohnung“. Zu der Zeit wohnte er aber bereits wieder an der Münsterstraße.
Otto Stoffregen starb am 30. Juni 1957. Das Unternehmen blieb zwar im Familienbesitz, doch ging die Geschäftsführung auf Alfons Stollmeier über. Dessen Tätigkeitsfeld war der Ein- und Verkauf, während die kaufmännische Leitung in den Händen von Elisabeth Stoffregen lag. Gemäß Fragebögen der Industrie- und Handelskammer aus den Jahren 1957 und 1966 betrug die Gesamtgröße der gewerblich genutzten Räume 5.000 Quadratmeter.
In den 1970er Jahren wurde das Betriebsgelände an der Münsterstraße aufgegeben
Die Zahl der kaufmännischen Angestellten stieg von einem 1957 auf zwei 1966, die der Arbeiter betrug bei beiden Umfragen drei. 1957 wurden zwei Lkw und ein Pkw genutzt, 1966 gab es zwei Firmen-Lkw. Der Umsatz steigerte sich von 233.500 DM 1955 auf 335.300 DM 1956 und auf 650.000 DM 1965.
Seit dem 1. Juni 1969 übernahm Herbert Stihl als Pächter die Gärtnerei Stoffregen. Der gab wenige Jahre später das Betriebsgelände an der Münsterstraße auf und verlegte die Gärtnerei an die Derner Straße. Dort bestand sie noch bis zum 31. Januar 1981.
Nach Unterlagen der Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv stellte das Unternehmen seine gewerbliche Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt ein. Das ehemalige Gärtnerei-Gelände an der Münsterstraße wurde nach der Betriebsverlegung bebaut und erhielt sein heutiges Erscheinungsbild.
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