Steht man in der Eberhardstraße in der Dortmunder Nordstadt vor dem Portierhaus der Hoesch AG, so fällt es dem Betrachter aus heutiger Sicht schwer zu glauben, das es sich um den Eingang zu einem Stahlwerk handelt. Vergleiche mit den Zugangsgebäuden historischer Schloßanlagen sind berechtigt. Der Begriff Industriebarone wird an diesem Ort anschaulich. Ein repräsentatives steinernes Zeugnis einstiger Macht und Wirtschaftskraft des Unternehmens zu Beginn des letzten Jahrhunderts.
Die Dortmunder Architekten Hugo Steinbach und Paul Lutter planten und bauten repräsentatives Portal zum Stahlwerk
1871 gründete Leopold Hoesch zusammen mit seinen Söhnen Wilhelm und Albert Hoesch sowie seinen Vettern Viktor und Eberhard Hoesch das Eisen- und Stahlwerk nordöstlich des Oesterholz. Kohlevorkommen vor Ort und günstige Eisenbahnverbindungen zum Transport des Erzes sind als Gründe für die Standortwahl zu nennen. Die Leitung übernahm 1872 Sohn Albert. Die Expansion des Werkes führte zu einer weiteren Zuwanderung von Arbeitskräften in die Nordstadt. Ausgehend von den Werkstoren wurde rund um den Borsigplatz das Hoesch-Viertel als Wohnstätte für die Betriebsangehörigen erbaut.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts stießen die räumlichen Kapazitäten des 1882 errichteten, noch heute erhaltenen, „Central Bureaus“ an die Grenzen. Ein neuer repräsentativer Verwaltungsbau musste her. 1912 wurden die beiden renommierten Dortmund Architekten Hugo Steinbach und Paul Lutter mit der Planung und dem Bau einer ganzen Reihe von Gebäuden am den Toren des Werkes beauftragt. Dazu zählten die Portierhäuser I und III sowie die Hauptverwaltung und ein Gästehaus.
Lutter und Steinbach zeichneten auch Verantwortung für den Bau der Krügerhauses mit Passage, des Löwenhofs, heute Sitz der Volkshochschule, dem Verwaltungsgebäude für die Westfälische Transport-AG (WTAG),das Haus der Schifffahrt am Hafen und vieler anderer bekannter Bauten im Dortmunder Stadtgebiet.
Das Portierhaus überstand den zweiten Weltkrieg unbeschadet
Das Portierhaus I wurde Anfang 1913 in den Dienst gestellt. Das gesamte Ensemble bestehend aus Verwaltungsgebäude und Portierhaus III wurde 1914 fertig. „Zeitgenossen lobten die Verbindung von Ästhetik und Zweckmäßigkeit“, zitiert der Museumsführer des Hoesch-Museums.
Den zweiten Weltkrieg überstand nur das Portierhaus I unbeschadet, sein Pendant auf der anderen Seite am Ende der Oesterholzstraße existiert heute nicht mehr. Das Hauptverwaltungsgebäude wurde mit einer zusätzliche Etage aufgestockt und mit einem Flachdach versehen, stark verändert.
Der Eingang I ist heute Heimat des Hoesch-Museums. Das neoklassizistische Gebäude erinnert mit seinem dreischiffigen Grundriss und seinem gewölbeartigen halbkreisförmigen Raum (Apsis) im Eingangsbereich des Hauses an griechische Tempelarchitektur.
Eingangsbereich des Hauses diente der Arbeitszeiterfassung
An diesem Raum, der Pförtnerloge gingen die Arbeiter zu Beginn der Schicht an Portier und Markentafel vorbei, nahmen ihre Marke und hängten sie an ihrem Arbeitsplatz auf eine ähnliche Tafel, die der Meister vor Ort kontrollierte. Die Marke aus Messing mit einer Nummer versehen gab Auskunft über den Arbeiter. Erschien jemand nicht zur Arbeit konnte der Pförtner dies an den hängengebliebenen Marken erkennen. Wenn man will der Vorläufer der Stechuhr. Das Arbeitszeiterfassungssystem war bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts im Gebrauch. Nach Schichtbeginn wurden der Zugang zu den Tafeln verschlossen. Wer zu spät zur Arbeit kam, musste sich dann beim Pförtner melden, wurde notiert und musste im Betrieb dem Meister persönlich die Marke übergeben.
Lohnbüro , Speisesaal und Arrestzelle für auffällig gewordene Arbeiter unter einem Dach
Aber das Portierhaus war nicht nur Ort der Kontrolle, sondern auch Ort der Begegnung. Die eine Schicht traf auf die andere. Es gab einen Speisesaal in dem die Arbeiter ihre mitgebrachten Mahlzeiten verzehren konnten, oft aus dem Henkelmann. Hier wurde auch der Lohn ausgezahlt. An den Schalter bildeten sich dann immer lange Schlangen. „Neben den Arbeitern fanden sich an diesen Tagen mitunter auch die Kostfrauen ein, die ihre Vergütung für die Verpflegung ihre Logis-Herren einforderten“, beschreibt der Museumsführer die Situation.
Zudem befanden sich in dem Gebäude zwei Räume der Werkspolizei, eine Büro und eine Arrestzelle. Im sogenannten Bittermann wurden Arbeiter, die auffällig geworden waren, vorübergehend eingesperrt und, wenn nötig, später der Polizei übergeben. Diese und viele andere spannende Geschichten aus alter und jüngerer Vergangenheit erzählt uns das Haus und das in ihm beherbergte Museum noch heute. „Gebäude erzählen“, heißt es passend im ersten Kapitel des Museumsführer.
Quelle: Hoesch-Museum, Führer zur Dauerausstellung, Michael Dückershoff (Hrsg) 2010
Hoesch-Museum: Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch: 13:00 – 17:00 Uhr, Donnerstag: 09:00 – 17:00 Uhr, Sonntag: 10:00 – 17:00 Uhr
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