Von Alexander Völkel
Persönlichen Einsatz und Klartext weiß man bei „Holz Kummer“ zu schätzen. Menschen mit Charakter, die sich einbringen und anpacken wollen, sind immer willkommen. Bei Auszubildenden ist das nicht anders. „Vor einigen Jahren haben wir zwei Stellen ausgeschrieben und 488 Bewerbungen bekommen. Davon waren 488 Schrott“, bedauert Max Kummer. „Hätte nur einer das Engagement von ihm gezeigt, wäre alles gut gewesen“, klopft der Familienunternehmer Ugwu Obodoewu Williams nicht nur verbal auf die Schulter. Der 36-jährige Flüchtling aus Nigeria macht seine Ausbildung als Fachlagerist in der Nordstadt.
Die zupackende Art des Geflüchteten ließen die Vorbehalte schwinden
Dabei war das keine ausgemachte Sache: „Wir haben das Thema Flüchtlinge zunächst mit gemischten Gefühlen gesehen. Passt ein Geflüchteter zu uns?“, räumt Till Kummer ein. „Unsere Vorbehalte waren eben typisch westfälisch. Was der Bauer nicht kennt…“, ergänzt Max Kummer lachend.
Denn das „Passen“ ist den Brüdern wichtig. „Wir sind ein Familienunternehmen“ – und das Team bildet ebenso eine Familie. 150-jähriges Bestehen kann „Holz Kummer“ im nächsten Jahr feiern. Ein Kunde – Daniel Kok vom gleichnamigen Parkett-Unternehmen – redete den Kummers gut zu, es doch ruhig mit einem Flüchtling zu versuchen.
Als Ugwu Obodoewu Williams dann in Begleitung der Caritas zu einem ersten Kennenlernen vor der Tür stand, konnte er die beiden Geschäftsführer überzeugen. Nicht unbedingt sprachlich – das ist noch in Arbeit. „Aber er hat Charakter und so viel Engagement und Ehrgeiz gezeigt. Das hat uns und auch das Team überzeugt.“ Bei Holz Kummer arbeiten viele Nationalitäten. Nach einem Probearbeiten und vier Monaten Praktikum ging es nun zum 1. September nahtlos über in die Ausbildung zum Fachlageristen.
Das Unternehmen hat 22 Mitarbeiter, davon sind drei Azubis. „Viel wichtiger ist die Zahl, wie viele DAVON ehemalige Auszubildende sind – zwölf“, sagt Kummer nicht ohne Stolz. Diese zwölf Azubis haben sie anschließend übernommen – nur sieben Beschäftigte kamen „von außerhalb“. Wenn Williams sich weiter so macht, könnte er auch anschließend bleiben.
Die Belegschaft nimmt den neuen Kollegen gut an und hilft ihm auch privat
Mit dem Nigerianer – der nicht nur französisch, sondern auch türkisch spricht – ist ein weiterer bunter Farbtupfer im Team hinzugekommen. Ein türkischer Kollege hilft sprachlich aus, wenn es mal klemmt. Ein polnischer Kollege hat ihn auch persönlich unter seine Fittiche genommen. „Damian Bakun geht mit Williams auch nächste Woche auf Wohnungssuche. In seiner Freizeit – er hat sogar Urlaub“, berichtet Till Kummer.
Sozialamt – Jobcenter – Caritas. Stationen im neuen Leben von Williams. In seiner Heimat hat er als Elektriker gearbeitet. „Aber hier kann ich das nicht“, sagt er mit einem Ton des Bedauerns. Eine Ausbildung zum Elektriker allerdings scheut er in Deutschland. „Das ist zu schwierig“, räumt der Praktiker aus Afrika ein.
Fast hätte ihm die Ausländerbehörde einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er sollte abgeschoben werden, weil Nigeria mittlerweile als sicheres Herkunftsland gilt. Mit viel Einsatz hat es dann doch noch geklappt, eine sogenannte „Ausbildungsduldung“ zu bekommen. „Es war überraschend und beeindruckend, welche Angebote es gibt“, räumen die Kummers ein. Viele Behörden und Einrichtungen – darunter auch die Caritas – hätten sich gekümmert.
Behörden und Institutionen können beim Start in Ausbildung und Beruf helfen
„Die Hürden schrecken vielleicht auch den ein oder anderen Arbeitgeber ab. Aber bei vielen ist ein guter Wille da, es zum Erfolg zu bringen“, betont Monika Würker, Chefin der Arbeitsagentur in Dortmund. „Unser Integration Point unterstützt mit Kontakten und Netzwerken. Wir können zwar den ausländerrechtlichen Status nicht klären, aber helfen – auch während der Ausbildung.“
Denn sowohl die Arbeitsverwaltung als auch externe Bildungsträger können die Azubis begleiten und unterstützen, damit sie die Herausforderungen auch meistern und Abbrüche vermieden werden. Die Bildungsträger helfen auch bei der Suche nach einem Praktikum.
An den entsprechenden gesellschaftlichen Bemühungen führt kein Weg vorbei: Denn Geflüchtete spielen auf dem Arbeitsmarkt eine zunehmende Rolle: Rund 5000 Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, die seit 2015 gekommen sind, sind bei Arbeitsagentur und Jobcenter in Dortmund gemeldet. 2182 sind derzeit arbeitslos gemeldet, 2700 nehmen an sprach- und berufsbildenden Maßnahmen teil.
„Wir wünschen uns viele Unternehmen, die Geflüchteten eine Chance geben. Eine Chance ist neben Arbeit vor allem die Ausbildung. Wir glauben, dass wir da ein Potenzial haben“, betont Würker. 40 Prozent sind unter 35 Jahren. Sie sind jung – ein Potenzial an Leuten, die lernen wollen und können. Wir wollen ihnen Brücken bauen in Betriebe, weil wir sie künftig als Fachkräfte brauchen.“
Wartezeiten auf Sprachkurse von sieben Monaten auf zwei bis drei Wochen gesunken
Mittlerweile gebe es dafür auch die Rahmenbedingungen. „Beim Spracherwerb hat sich sehr viel getan. Vor einem Jahr hatten wir noch viel zu wenig Integrations- und Sprachkurse. Die Menschen mussten viel zu lange warten – teils sieben Monate“, erinnerte Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer des Jobcenter Dortmund, an die Anfangsprobleme.
„Das hat sich deutlich verbessert. Durch unsere zentrale Testungs- und Zuweisungsstelle haben wir jetzt nur noch Wartezeiten von zwei bis drei Wochen.“ Die normalen Kurse enden mit B1-Niveau. Da dieses Sprachniveau aber noch nicht für eine Ausbildung reicht, gibt es mittlerweile auch Deutsch-Förderkurse von B2 bis C2 – sie dauern jeweils drei Monate. Mit C2 reicht es sprachlich auch für ein Studium.
In Dortmund gibt es 26 Sprachkursträger und elf Anbieter für Förderkurse. „Es hakt noch bei denen, die Teilzeit- oder mit Familienbetreuung brauchen. Da sind wir in Gesprächen mit dem BAMF und Bildungsträgern“, so Neukirchen-Füsers. „Das dauert manchmal noch zu lang. Wir versuchen, das durch berufliche Orientierungskurse aufzufangen. Durch Praktika bei Unternehmen und im Handwerk können wir die Wartezeit sinnvoll überbrücken.“
Deutlich mehr Geflüchtete haben eine Arbeit oder Ausbildung begonnen
Mittlerweile bekommen auch immer mehr Geflüchtete eine Arbeit: „In diesem Jahr haben wir bisher schon 335 sozialversichungspflichtige Arbeitsaufnahmen realisiert – 65 Prozent mehr als im Vorjahres-Vergleichszeitraum“, freut sich Neukirchen-Füsers.
Zudem konnten über die Arbeitsagentur 62 Ausbildungsverhältnisse für 2017 vermittelt werden. „Das klingt nicht riesig, ist aber toll. Viele die kamen, haben keinen formal anerkannten Bildungsabschluss und große Sprachprobleme“, erinnert Monika Würker. 26,5 Prozent der arbeitslos Gemeldeten verfügt über Abitur oder Hochschulreife.
36 Prozent besaßen keinen formalen Schulabschluss. Bei 13 Prozent ist der Abschluss in Klärung. Das ist aber kein Wunder“, findet Neukirchen-Füsers. Viele hätten ihre Schulabschlüsse in der Heimat nicht mehr machen können. Durch den Krieg seien viele Schulen über Jahre geschlossen gewesen.
„Aber es ist ein hohes Potenzial für Fachkräfte. Das müssen wir entwickeln – wir brauchen sie“, so der Chef des Jobcenters. Er wünscht sich, dass mehr Unternehmen „dem super-positiven Beispiel von Holz-Kummer“ folgen würden. Max Kummer hat den Schritt auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht bereut. Doch die Kooperationspartner sehr wichtig und hilfereich gewesen. „Ohne die Caritas hätte das mit uns und Williams wohl nicht geklappt.“
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Arbeitsagentur
Der Ausbildungsmarkt im August 2017: Endspurt am Ausbildungsmarkt – Da geht noch was
Im August ist die erste Welle von jungen Erwachsenen in die Ausbildung gestartet. Morgen, am ersten September, folgt die zweite. Doch auch nach diesem Zeitpunkt werden noch Ausbildungen angetreten oder Lehrstellen nach Abbrüchen oder Nichtantritten neu besetzt. Berufsberater und Vermittler im Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Dortmund arbeiten sehr intensiv daran Jugendliche, die bisher noch keinen Erfolg bei der Ausbildungssuche hatten und Arbeitgeber, die ihre Lehrstelle noch nicht besetzt haben, zusammenzubringen.
Auch Anfang September herrscht noch weiter Hochbetrieb auf dem Ausbildungsmarkt: Allein im August entschieden sich noch 195 junge Menschen, die Unterstützung der Berufsberatung in Anspruch zu nehmen, um über ihre beruflichen Perspektiven zu sprechen. Aber auch die Betriebe sind noch auf der Suche nach Auszubildenden für dieses Jahr und meldeten auch im August noch einmal 40 neue betriebliche Ausbildungsstellen. Die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen liegt damit aktuell bei 3.121 (Vorjahr: 3.375)
Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober 2016 meldeten sich 4.695 Jugendliche bei der Agentur für Arbeit Dortmund als Bewerber. Das sind 218 Ju- gendliche oder 4,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon haben 3.626 bereits eine Anschlussperspektive gefunden, darunter gut 40 Prozent, die einen Ausbildungs- vertrag unterschrieben haben. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch 1.069 junge Leute ohne Zusage. Weitere 536 haben sich schon eine Alternative gesucht, sind aber nach wie vor an Ausbildung interessiert.

„Auch nach dem Ausbildungsstart Anfang September ist es noch nicht zu spät, um mit einer Berufsausbildung zu beginnen. Unsere Berufsberatung arbeitet mit Hochdruck daran, um Bewerberinnen und Bewerber und Ausbildungsplätze zusammenzubringen. Arbeitgeber, die ihren passenden Azubi noch nicht gefunden haben oder denen er kurzfristig wieder abgesprungen ist, sollten jetzt auch Bewerber, die in ihrer Entwicklung noch Unterstützung brauchen, verstärkt in den Blick nehmen. Die Unterstützung reicht von finanziell geförderten Langzeitprakti- ka oder Einstiegsqualifizierungen über ausbildungsbegleitende Förderangebote bis hin zur assistierten Ausbildung, in denen Coaches Betrieb und Azubi durch die Ausbildung begleiten. Voraussetzung ist die schnelle Kontaktaufnahme zu unseren Berufsberatern oder dem Arbeitgeber-Service“, sagt Martina Würker, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Dortmund.
„Der Ausbildungsmarkt bleibt in Bewegung. Es kommt jetzt darauf an, sich bietende Chancen zu nutzen“, so Würker. Aktuell sind bei der Agentur für Arbeit Dortmund noch 687 unbesetzte Ausbildungsstellen gemeldet. Die besten Chancen für das Ausbildungsjahr 2017/2018 noch einen Ausbildungsplatz zu finden, haben Jugendliche im Handel; der Verkäufer bzw. die Verkäuferin und der Kaufmann bzw. die Kauffrau im Einzelhandel führen im August die Top 10 der noch unbesetzten Ausbildungsplätze in Dortmund an.
Berufe mit großem Angebot freier Ausbildungsplätze: Kaufmann/-frau im Einzel- handel (36), Verkäufer/in (42), Fachverkäufer Lebensmittelhandwerk – Bäckerei (31), Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r (26), Medizinische/r Fachangestellte/r (22), Gebäudereiniger/in (21), Fachinformatiker/in (20).
Ansprechpartner für junge Erwachsene: Beratungsgespräch bei der Berufsberatung: Anmeldung telefonisch unter der kostenlosen Hotline-Nummer 0800 4 5555 00 oder online unter http://www.arbeitsagentur.de/beratungswunsch.
Ansprechpartner für Arbeitgeber: Meldung freier Ausbildungsstellen über 0800 4 5555 20 (kostenlos) bzw. per E-Mail an Dortmund.Arbeitgeber@arbeitsagentur.de.