Es ist ein letzter symbolischer Schritt, aber ein sichtbares Zeichen: Das Hinweisschild zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge an der Buschmühle wurde jetzt entfernt. Die EAE ist Geschichte, die Anlagen werden rückgebaut. Vor mehr als einem Monat wurden hier die letzten Flüchtlinge registriert. Bis Mitte des Jahres soll die Zeltstadt Geschichte sein – und damit auch die zehnjährige Geschichte von Dortmund als EAE-Standort.
27 Prozent aller in Deutschland angekommenen Flüchtlinge durchliefen Dortmund
Zeitweise kamen hier 80 Prozent aller NRW-Flüchtlinge und 27 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland an, um dann auf andere Städte verteilt zu werden. Die Zeltstadt aus Leichtbauhallen an der Buschmühle war der dritte Dortmunder Standort. Nach der Unterbringung in der ehemaligen Kaserne an der B1 wurde die EAE im April 2011 nach Hacheney verlegt.
Doch die Einrichtung mit 300 Plätzen und 50 Reserveplätzen platzte bald aus allen Nähten: Kamen im Jahr 2013 noch 32.000 Flüchtlinge in Hacheney an, waren es im Folgejahr schon doppelt so viele 64.000. Das Jahr 2015 wurde zum Schicksalsjahr: 166.000 Menschen mussten registriert und erstversorgt werden.
Weil die Stadt wegen der Überfüllung – statt der maximal 350 waren es häufig über 1000 Menschen in der Einrichtung – den ordnungsgemäßen Betrieb nicht mehr gewährleisten konnte, musste sogar mehrfach geschlossen werden. Über Jahre hatte die Stadt vergeblich beim Land angemahnt, weitere Erstaufnahmeeinrichtungen zu eröffnen.
Offener Streit zwischen Land und Stadt über das Versagen des Ministeriums
Der Briefwechsel zwischen Stadt und Land ist mittlerweile schon legendär – ebenso wie das Versagen des Noch-NRW-Innenministers Ralf Jäger in dieser Sache. Die Dortmunder Ordnungs- und Rechtsdezernentin Diane Jägers (CDU) und ihr Team in Ordnungsamt und Ausländerbehörde machten in der Krise eine sehr gute Figur.
Dass Jägers jetzt als mögliche Ministerin oder Staatssekretärin in einer neuen schwarz-gelben Landesregierung gehandelt wird (was ihr zu diesem Zeitpunkt aber mehr schadet als nützt) ist in diesem Zusammenhang schon bemerkenswert.
Die Stadt nahm wegen des großen Drucks und der mittlerweile per Zug aus Ungarn ankommenden Flüchtlinge das Heft des Handelns selbst in die Hand und schuf – natürlich nach Rücksprache mit dem Land – eine zweite EAE. An der Buschmühle wurde im Herbst 2015 binnen Wochen eine Zeltstadt mit 900 Plätzen (und 100 Reserveplätzen) errichtet.
Die Eröffnung an der Buschmühle brachte die längst ersehnte und dringend notwendige Entlastung in Hacheney – nicht nur für Personal und BewohnerInnen, sondern vor allem auch für die Nachbarn, die sehr gelitten hätten, so Jägers. „Die Lage war zeitweise fast unzumutbar“, räumte sie ein.
Neue „Asylstraße“ sorgte für eine kurze Verweildauer in der Dortmunder EAE
Mit der Errichtung einer sogenannten „Asylstraße“ am Standort An der Buschmühle wurde ein zeitoptimiertes Verfahren umgesetzt. Die Asylsuchenden wurden bei ihrer Ankunft von der Betreiberfirma European Homecare (EHC) erfasst und anschließend der Registrierung und Röntgenorganisation zugeführt.
Ziel war es, neben einer Registrierung und einem Gesundheitscheck mit Röntgenuntersuchung eine durchschnittliche Verweildauer von maximal 48 Stunden zu erreichen. Die EAE Dortmund, immer noch die einzige EAE mit einem ungesteuerten Zugang in NRW, hat wesentlich zur Weiterentwicklung der Prozessschritte mit allen beteiligten Partnern im Asylverfahren beigetragen.
Anders als noch 2014 und 2015 in Hacheney kam es an der Buschmühle nie zu einer Überfüllung. Nur bis zu zwei Dritteln war die Zeltstadt ausgelastet. Ein Grund dafür war, dass besonders schutzbedürftigte Personen sowie alleinreisende minderjährige Flüchtlinge in den festen Bauten in Hacheney untergebracht werden konnten.
Viel Lob für das Radisson Blu-Hotel – sehr kooperative Nachbarschaft
Ein ganz wichtiger – wenn auch ein stiller – Partner bei den Umzugsplänen war das Radisson Blu-Hotel in unmittelbarer Nachbarschaft des neuen EAE-Standorts. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass OB Ullrich Sierau gemeinsam mit dem Hotel-Manager Dieter Ulbricht das Hinweisschild auf die EAE entfernte.
Auch die „Zugangsberechtigung 001“ zur Baustelle an der Buschmühle überreichte Sierau ihm: „Die haben sie sich verdient durch ihre kooperative Art. Als Nachbar sind Sie sehr konstruktiv das Thema angegangen, haben sehr sachlich Dinge angesprochen und waren hilfreich für uns“, lobte Sierau.
„Sie haben nicht in ein Lamento eingestimmt, was wir mitunter zu hören bekommen. Das war extrem konstruktiv, das fand ich richtig toll. Das hat uns die Arbeit erleichtert und auch ein Stück die Willkommenskultur deutlich gemacht“, würdigte der OB die Rolle des 4-Sterne-Plus-Hauses.
4+-Sterne-Hotel hatte durch die Nachbarschaft zur EAE keine Einbußen
„Meine Geschäftsführung war nicht begeistert – aber es war notwendig. Ich sage einfach nur Danke für die konstruktive Zusammenarbeit“, gab Ulbricht den Dank an die Stadt zurück. Denn es wurde von Anfang an mit offenen Karten gespielt.
Das Hotel bekam auch Einblick in die ebenfalls geprüften Alternativen: „Es ist der beste Standort“, musste Ulbricht einräumen. „Auch wenn ich das Schlucken und Durchatmen in unserem ersten Telefonat hören konnte“, sagte Planungsdezernent Ludger Wilde.
Dass das Hotel beispielweise bei den Bauarbeiten für die EAE zur Entschärfung von fünf Fliegerbomben für 2,5 Stunden evakuiert werden musste, war nur eine der Fußnoten. Professionell und partnerschaftlich lief das Nebeneinander.
Doch Einbußen hat das Hotel durch die direkte Nachbarschaft nicht erleiden müssen – im Gegenteil: Das Haus konnte vom allgemeinen Boom in Dortmund profitieren und auch steigende Belegungszahlen verzeichnen. Es gab auch keinerlei Konflikte. Dennoch ist man „nicht unfroh“, dass die EAE nun wieder abgebaut wird und die Parkplätze wieder zur Verfügung stehen.
Gründe für die Schließung der Einrichtungen in Dortmund
Der enorm gestiegene Flüchtlingszugang und die Weiterentwicklung der Prozesskette im Asylverfahren führten dazu, dass im Jahr 2016 darüber zu entscheiden war, wie in Zukunft mit der EAE Dortmund an den zwei Standorten zu verfahren sein wird.
Der Standort An der Buschmühle als „Zeltstadt“ implizierte, dass eine auf mehrere Jahre angelegte Nutzung nicht möglich sein würde und eine Anschlusslösung gefunden werden musste. Hinzu kam, dass die Gesamtsituation und das Gelände der EAE im Stadtteil Hacheney einen weiteren, dauerhaften und erweiterten Betrieb ebenfalls nicht zuließ.
Da die neuen Erstaufnahmeeinrichtungen zukünftig Kapazitäten in einer Größenordnung von mindestens 1.000 Plätzen haben müssen, wurde deutlich, dass die in Dortmund vorhandenen Standorte, sowohl in Hacheney als auch An der Buschmühle diese neuen Anforderungen nicht erfüllen können.
Der Standort Hacheney war mit seinen 350 Plätzen zu klein und dauerhaft überlastet. Der Standort An der Buschmühle war von Anfang an als Provisorium gedacht und hatte schon alleine wegen der Verwendung von Leichtbauhallen nur eine begrenzte Nutzungsdauer.
Fehlende Zusagen des Landes und Unzufriedenheit vor Ort verhinderten Neubau
Der geplante Neubau einer EAE auf einem Gelände in Dortmund-Huckarde mit dem BAMF und der Arbeitsagentur wurde in der Dortmunder Öffentlichkeit nicht mitgetragen.
Doch ebenso entscheidend war der Eiertanz des Landes in Sachen Finanzierung und Anrechnung der EAE auf die kommunale Zuweisung von Flüchtlingen nach Dortmund. Deshalb wurde die Schließung der EAE beschlossen. Das Land wollte stattdessen zehn neue EAE in fünf Regierungsbezirken einrichten.
Nach der Schließung in Hacheney am 30. September 2016 wurden – rund anderthalb Jahre nach der Eröffnung – am 10. April 2017, die letzten Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung An der Buschmühle registriert.
Mit der letzten Registrierung beginnt für den Standort Buschmühle nun die Phase des Abbaus. Das Kapitel der Erstaufnahme in Dortmund ist daher nach zehn Jahren beendet. „Ich bin fast schon ein bisschen wehmütig, wenn jetzt alles abgearbeitet wird. Eine turbulente und aufregende Zeit geht zu Ende“, gesteht Heike Tassilo, stellvertretende Ordnungsamtsleiterin. Doch nochmal solch turbulente und anstrengende Zeiten wünscht sich wohl niemand mehr zurück.
Die TOP 5 der Hauptherkunftsländer in der EAE der letzten Jahre:
- 2013 Serbien, Mazedonien, Syrien, Guinea, Eritrea
- 2014 Syrien, Serbien, Kosovo, Albanien, Eritrea
- 2015: Syrien, Irak, Albanien, Kosovo, Algerien
- 2016: Syrien, Irak, Marokko, Iran, Afghanistan
- 2017: Syrien, Türkei, Iran, Irak, Afghanistan
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