Die Zuwanderung aus Südosteuropa (kurz „EU2“) ebbt ab: Nachdem 2014 die Zahl der Menschen aus Bulgarien und Rumänien noch um 47,2 Prozent und und 2015 um 20,1 Prozent angestiegen war, hat sich die Zahl im vergangenen Jahr auf einem gleichbleibendem Niveau eingependelt. Im Dezember 2016 waren in Dortmund nur noch 76 EU2-Angehörige mehr gemeldet als Ende 2015. Das entspricht nur noch einem Anstieg um ein Prozent auf insgesamt 7977 Menschen.
Zuwanderung stabilisiert sich – kaum noch Zuwächse in Dortmund
Das ist eines der Ergebnisse, mit denen sich der Verwaltungsvorstand mit dem Sachstandsbericht „Zuwanderung aus Südosteuropa 2017“ beschäftigt hat. Wie in den Vorjahren beschreibt der Bericht mit Blick auf das Jahr 2016 die Auswirkungen der EU-Beitritte Bulgarien und Rumänien in Dortmund.
Eine ähnliche Entwicklung gibt es unter den Vergleichsstädten nur noch in Gelsenkirchen mit einem Zuwachs von 1,2 %, Mannheim (+ 2,9 %) und München (+ 4,4 %). In den übrigen Städten sind die Zahlen in Offenbach (+ 11,8 %), Hannover (+ 11,8 %), Nürnberg (+ 13,1 %) und Duisburg (+ 20,3 %) deutlich stärker angestiegen.
Der Bericht beschäftigt sich schwerpunktmäßig das systematisch aufgebaute Gesamtangebot, das unterschiedliche Träger gemeinsam mit dem Sozialdezernat entwickelt haben. Es besteht aus Regelangeboten und aus Projektmaßnahmen, die auch im zurückliegenden Jahr aus beantragten Landes-, Bundes- und EU-Mitteln umgesetzt werden konnten.
Der Bericht zeigt für die Stadtspitze: Die aufgebauten Angebote und die Dortmunder Initiativen Richtung Land und Bund zeigten Wirkung. Die Unterstützung des Bundes bleibe hingegen mangelhaft.
Weder sprachliche, schulische noch berufliche Voraussetzungen für schnellen Erfolg
Der aktuelle Bericht bestätigt zudem, dass ein Großteil der EU-ZuwandererInnen weder die sprachlichen noch die schulischen oder beruflichen Voraussetzungen mitbringen, um sich in Dortmund schnell zurecht zu finden.
Viele der Menschen sind zudem nicht krankenversichert. Sozialdezernentin Birgit Zoerner bilanziert: „Durch unseren bundesweiten Austausch mit anderen deutschen Zuzugsstädten wissen wir, dass im Ruhrgebiet vor allem die Zuwanderer ankommen, die keine guten Qualifikationen mitbringen. Das ist die Realität, mit der wir umgehen müssen.“
„Wir haben daher schnell darauf gesetzt, die Menschen, die auf Dauer zu uns kommen, so zu unterstützen, dass sie möglichst zügig nachhaltige Perspektiven aufbauen können“, so Zoerner. Das sei eine schwierige und langwierige Aufgabe.
Zusammenarbeit der unterschiedlichen Träger ist herausragend
Aber die aufgebauten Angebote wirkten: Die Stadt Dortmund und die freien Träger hätten über die vergangenen Jahre ein Gesamtangebot auf die Beine gestellt, das auch in 2016 noch einmal deutlich weiterentwickelt worden sei.
In der „Anlaufstelle Willkommen Europa“ haben Caritas, Diakonie, dobeq und GrünBau ihr Angebot noch weiter optimiert. „Dafür haben wir Landesmittel aus dem Europäischen Sozialfonds beantragt, aus denen die aufsuchende Arbeit und Kompetenzfeststellung finanziert und noch weiter an die Bedarfe der Menschen angepasst und mit Sprachkursen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen verknüpft werden konnten“, so Zoerner.
„Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Über das Jahr 2016 konnten insgesamt 337 Menschen in Arbeit vermittelt werden, 225 davon in sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten.“
Clearingstelle Gesundheit arbeitet an Überleitung ins Gesundheitssystem
Mit der aus Landesmitteln eingerichteten Clearingstelle Gesundheit könne außerdem endlich die Überleitung in den Krankenversicherungsschutz, dort wo dies möglich ist, systematischer angegangen werden.
Diese positiven Ergebnisse, so Zoerner weiter, seien nur möglich durch die herausragende Zusammenarbeit der unterschiedlichen Träger und die hohe Kompetenz der Menschen, die in den Angeboten eingesetzt sind.
Sowohl in der trägerübergreifenden Anlaufstelle als auch in der Clearingstelle Gesundheit seien multiprofessionelle muttersprachliche Teams im Einsatz, die mit ihrem großen Engagement und Fachwissen nachhaltige Lösungen für die großen Herausforderungen überhaupt erst ermöglichten.
Viele Maßnahmen ergänzen das bestehende Beratungs- und Hilfsangebot
Der Bericht weist auf viele weitere Maßnahmen der Verwaltung und der freien Träger hin, die das Gesamtangebot ergänzen. Dazu zählen die muttersprachlichen Familienbegleiterinnen und der Beratungsbus für Familien, die medizinischen Sprechstunden und viele weitere Angebote der städtischen Fachbereiche Jugend und Schule, Gesundheit, Arbeit und im Ordnungsbereich.
Auch der im Wintersemester 2014/2015 eingerichtete duale Bachelor-Studiengang „Armut und (Flüchtlings-)Migration“ an der Fachhochschule Dortmund konnte weitergeführt werden und hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt.
Mittlerweile sind 46 Studierende in unterschiedlichen Bereichen der der Sozialen Arbeit bei der Stadt Dortmund und bei den freien Trägern beschäftigt, 33 davon finanziert aus Landesmitteln des Europäischen Sozialfonds, 13 aus Eigenmitteln der Träger.
Keine Projektitis: Finanzierung erfolgreicher Projekte muss gesichert werden
Als problematisch sieht Zoerner die Tatsache, dass erfolgreiche Projekte wieder eingestellt werden müssen, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. „Während das Land uns in unterschiedlichen Bereichen verlässlich unterstützt, streicht der Bund uns die Mittel für die Weiterführung erfolgreicher Ansätze.“
Ein Beispiel ist das Projekt der kostenlosen Öffnung der Integrationskurse für EU-Zuwanderinnen und Zuwanderer. Hier haben die Anlaufstelle und die Sprachkursträger PdL, Stadtteilschule, Internationaler Bund und VHS ein gutes Modell entwickelt, die Menschen in Sprachkurse zu bringen und sie auf ihrem Weg durch den Sprachkurs zu begleiten.
Momentan werden rund 600 Menschen in dieser Maßnahme betreut, der Bund stellt aber die Finanzierung ein. Ein Alternativangebot dazu gibt es nicht.
Klare Forderungen der Kommunen: Bund muss sich stärker einbringen
Hier sei nach wie vor die Verantwortung des Bundes einzufordern. „Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der EU2-Zuwanderung werden in den Zuzugsstädten nicht geringer, weil der Bund sie von der Tagesordnung nimmt“, so Zoerner.
Ankunftsquartiere wie die Nordstadt übernähmen enorme Integrationsleistungen für die Städte, aber auch für das Land und für den Bund. „Es bleibt dabei, dass alle ihren Teil beizutragen haben, um diese Leistungen zu unterstützen. Allen voran muss der Bund sich hier stärker einbringen. Wir merken, dass unsere steten Forderungen Wirkung zeigen, aber noch bin ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden“, sagt die Dortmunder Sozialdezernentin.
Zoerner will sich als Vorsitzende der Arbeitsgruppe Zuwanderung beim Deutschen Städtetag gemeinsam mit den anderen dort aktiven Städten Hamburg, München, Berlin, Köln, Nürnberg, Offenbach, Mannheim, Duisburg, Gelsenkirchen, Hannover und Saarbrücken konsequent dafür einsetzen, dass der Bund die Städte stärker unterstützt.
Zentral seien dabei unter anderem die Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunftsstaaten, öffentlich geförderte Beschäftigung und der Krankenversicherungsschutz, aber auch Veränderungen bei der Gewährung von Kindergeld und dem Zugang zum SGB II. Nach wie vor seien auch flexibel einsetzbare Mittel notwendig, die bedarfsgerecht dort eingesetzt werden können, wo sie wirklich fehlen.
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