Von Susanne Schulte
72 Jahre nach der Ermordung von fast 300 Widerstandskämpfern in der Bittermark und im Rombergpark kommen wie jedes Jahr hunderte von Menschen am Karfreitag zur Gedenkfeier ans Mahnmal mitten im Wald. Diesen Freitag war es nicht anders. Unter ihnen sind stets Angehörige der Opfer, wie Nicole Godard, stellvertretende Vorsitzende des Verbands der Zwangs- und Arbeitsdeportierten, die ihre Rede auf Deutsch hielt. „Sie erweisen uns eine große Ehre, indem Sie uns an der Feier teilnehmen lassen.“
Nach 60 Pilgerfahrten nach Dortmund: „In Ihrer Mitte fühlen wir uns ein bisschen zuhause“
Seit fast 60 Jahren unternehmen sie und viele andere Männer und Frauen diese Pilgerfahrt, wie Godard die knapp dreitägige Reise nannte.
Sie erinnerte an die 35000 jungen Franzosen, die während der Jahre des Nationalsozialismus in Deutschland ermordet wurden und mahnte angesichts der „Fremdenfeindlichkeit in unseren Gesellschaften“ vor der Manipulation durch die Medien: „Seien Sie kritisch gegenüber sozialen Netzwerken.“
Anerkennend erwähnt sie das Engagement der Dortmunder Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die seit Jahren als BotschafterInnen der Erinnerung die Feier mitgestalten. „Wir älteren schenken Ihnen Vertrauen.“ Und ein wenig stolz können die OrganisatorInnen der Gedenkfeier, die Stadt Dortmund und das Internationale Rombergpark-Komitee nach diesen Satz sein: „In Ihrer Mitte fühlen wir uns ein bisschen zuhause.“
Manfred Sauer: Die Erinnerung an die Opfer ist eine Verantwortung – vor allem in dieser Zeit
Zuvor hatte Bürgermeister Manfred Sauer in seiner Begrüßungsansprache gesagt, dass die Vergangenheit niemals Geschichte werden dürfe, das Gedenken an die ermordeten Zwangsarbeiter aus Frankreich und Belgien, aus den Niederlanden und Jugoslawien, aus Polen und der Sowjetunion, an die ermordeten Widerstandskämpfer lebendig bleiben müsse.
Er selbst, so erzählte er, habe lange Jahre in Nachbarschaft zu den beiden Töchtern von Martha Gillesen gewohnt, eine der in den letzten Kriegstagen von der Gestapo ermordeten Frauen, und sich viel mit ihnen unterhalten. Eine der Schwestern habe sich nie mehr davon erholt, als sie hörte, wie ihre Mutter in Gefangenschaft gefoltert worden sei. Dieses Wissen hatte ihr Leben zerstört.
Sauer mahnte, die Erinnerung sei auch eine Verantwortung, vor allem in dieser Zeit, in der sich „Antisemitismus wieder in die Gesellschaft einschleicht und eine Politikverdrossenheit zu erkennen ist, die für jede Demokratie gefährlich ist“.
Ernst Söder: Schon die Anfänge faschistischer Ideen müssten unter Strafe gestellt werden
Man solle nicht weggucken, sondern handeln. Das gelte auch dann, wenn Rechtradikale in den Rat gewählt seien, meinte Sauer im Hinblick auf die beiden Mitglieder der NPD und der Partei Die Rechte, die im städtischen Parlament sitzen.
Ernst Söder vom Förderverein Steinwache wurde da noch deutlicher. In seiner Rede ging er auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein, das ein NPD-Verbot ablehnte.
„Dieses Urteil ist so eindeutig wie vernichtend. Das Gericht hat nicht zur Kenntnis genommen, mit welcher Gewalt die Nazis in Deutschland wieder agieren. Auch oberste Richter leben nicht in geschichtsfreien Räumen“, kritisierte er. Die Anfänge von faschistischen Ideen müssten unter Strafe gestellt werden.
Junge Leute geben den Opfern ein Gesicht und setzen sich mit deren Leben und Sterben auseinander
Seit Jahren schon hängen immer am Karfreitag entlang des Weges zum Mahnmal Porträts von den in den Wochen vor Ostern 1945 ermordeten Frauen und Männern. SchülerInnen von Dortmunder Schulen stellten fünf der Personen näher vor.
Unter Anleitung der BotschafterInnen der Erinnerung wie Leonora Ahmetaj und Fabian Karstens, wie Melanie Burgdorf und Nicolas Weidemann hatten sie in Projektgruppen ihren Vortrag erarbeitet.
Die Jugendlichen der Droste-Hülshoff-Realschule übernahmen die Patenschaft für Karl Althenne, die der Johann-Gutenberg-Realschule die für Martha Gillesen, die des Gymnasiums Schweizer Allee entschieden sich für Friedrich Schramm, die der Gesamtschule Gartenstadt für Julius Nierstenhöfer und des THW Dortmund für Erich und Karl Mörchel.
Sie alle haben Hochachtung verdient – nicht nur, weil sie sich mit Themen beschäftigen, die bei Jugendlichen eher selten als Interessensgebiet angegeben werden, sondern auch, weil sie zum ersten Mal vor einem sehr großen Publikum und Fernsehkameras öffentlich gesprochen haben.
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Philosophie-Salon: Lässt sich das Böse verzeihen?
Diese Frage stellen Teilnehmer des Philosophie-Salons bezüglich des Karfreitags-Massakers vor 72 Jahren in der Dortmunder Bittermark am Sonntag, 30. April, zur Diskussion.
Zum geschichtlichen Hintergrund: Obwohl die amerikanischen Truppen bereits die Stadt besetzten, erschoss die Hörder Gestapo im Jahr 1945 in der Bittermark 280 Menschen. Dieses Geschehnis wird diskutiert im Philosophie-Salon der Volkshochschule, Hansastraße 2-4, von 11 bis 13.15 Uhr.
Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen unter (0231) 50-2 47 27 (Veranstaltungsnummer 171-53107) .