Von Klaus Winter
Mit dem rasanten Wachstum der Stadtbevölkerung Dortmunds ging in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein starker Anstieg des katholischen Bevölkerungsanteils einher. Seit der Reformation stand den Katholiken innerhalb des Wallrings mit der heutigen Propsteikirche aber nur eine einzige Kirche zur Verfügung.
Bau der Liebfrauenkirche stockte – Krimkapelle wurde früher fertig
Diese altehrwürdige Kirche, einst Mittelpunkt eines Dominikanerklosters, reichte für die Zwecke der immer stärker werdenden Gemeinde bei weitem nicht aus. Deshalb begannen 1870/71 die Vorbereitungen für den Bau einer neuen Kirche im Südwesten der Stadt.
Die Umsetzung der Pläne stieß trotz eines bereits vorhandenen Bauplatzes aber auf viele Probleme, so dass die spätere Liebfrauenkirche tatsächlich erst 1883 konsekriert und in Benutzung genommen werden konnte. Während das Kirchbauvorhaben im Südwesten stockte, errichtete die katholische Gemeinde Dortmunds eine Kirche nördlich des Burgwalls in der sogenannten „Krim“.
Über den Ursprung des Namens „Krim“ gibt es zwei häufig zitierte Deutungen: Zum einen soll der Name entstanden sein, weil die ersten Häuser an der Krimstraße entstanden, als zwischen Russland und der Türkei der Krim- oder Orientkrieg (1853-1856) tobte, der durch die Einbeziehung Frankreichs und Englands eine europaweite Bedeutung erlangte.
Kapelle wurde auf einem Garten des Dominikaner-Klosters gebaut
Zum anderen lag die Krimstraße nahe des heute längst verschwundenen Teiches der Kuckelkemühle, der durch die Einleitung von Abwässern der nördlichen Siedlung völlig verschmutzte und deshalb im Volksmund „Schwarzes Meer“ hieß.
In dem von Mühlen-, Kapellen- und Krimstraße begrenzten Gebiet lag ein ehemaliger Garten des Dominikanerklosters.
Dieser wurde als Baugrundstück für eine kleine Kirche mit angrenzendem Schul- und Wohngebäude bereitgestellt. Die Bauarbeiten begannen 1870 und konnten 1871 abgeschlossen werden.
Das Kirchlein war klassisch Ost-West-ausgerichtet, besaß anstelle eines Turmes einen Dachreiter und hatte ihren Eingang an der nördlichen Längsseite, also von der Mühlenstraße. Vor dem Chor lag im Winkel von Mühlen- und Krimstraße eine kleine Grünanlage.
Das westlich an die Kirche angebaute mehrstöckige Gebäude enthielt zunächst zwei Schulräume und Wohnungen für den Geistlichen und den Schullehrer.
Da die Schulräume sich aber rasch als zu klein für die hohe Kinderzahl erwiesen, wurde umgehend ein dritter Schulraum eingerichtet und bereits im April 1873 ein vierter.
Kapelle und Schulgebäude als Zentrum einer Filial-Gemeinde
Kapelle und Schulhaus waren das Zentrum einer Filial-Gemeinde („Mission“); Muttergemeinde war die Propsteigemeinde. Tatsächlich nannte man aber die kleine Kirche auch im offiziellen Sprachgebrauch nach ihrer Lage „Krimkapelle“. Erster Seelsorger („Missionsvikar“) in der Krim wurde der damalige Kaplan und spätere Propst Johann Löhers.
Alle Zeichen standen auf Wachstum, doch im sechsten Jahr nach der Eröffnung der Mission in der Krim gab es einen bedeutenden Einschnitt, der die bisherige Entwicklung stoppte. Ursache dafür war die Verkündigung der Unfehlbarkeit und der bischöflichen Allgewalt des Papstes durch das 1. Vatikanische Konzil in Rom am 18. Juli 1870.
Altkatholiken spalteten sich ab und feierten eigene Gottesdienste
Die Unfehlbarkeitserklärung führte unmittelbar zu einer Abspaltungsbewegung von der katholischen Kirche. Überall im deutschsprachigen Raum entwickelten sich nun altkatholische Vereine und Gemeinden.
In Dortmund gab es bereits im Oktober 1871 Bemühungen, einen Verein zu gründen mit dem Ziel, an „der an den von der Versammlung der Altkatholiken in München vorgeschlagenen Prinzipien zur Reorganisation der katholischen Kirche“ zu arbeiten.
1873 wurde im Lokal „Kölnischer Hof“ nahe dem Marktplatz dann der „Verein zum Zwecke der Bildung einer altkatholischen Gemeinde in Dortmund“ ins Leben gerufen. Zwei Tage nach diesem Ereignis, am 10. Oktober 1873, wurde in Dortmund der westfälische Altkatholikenkongress veranstaltet.
Dabei wurde mit Erlaubnis der Stadtverwaltung und des Presbyteriums der erste altkatholische Gottesdienst gefeiert und zwar in der Marienkirche am Ostenhellweg. Die Predigt hielt Dr. Reinkens, erster deutscher altkatholischer Bischof.
Im Nachgang des Kongresses konstituierte sich am 22. Oktober 1873 die Altkatholische Gemeinde Dortmund.
Obwohl die Bemühungen, die staatliche Anerkennung für die Gemeinde zu erhalten, stetig vorangetrieben wurden, erteilten der zuständige Staatsminister in Berlin erst am 21. Dezember 1874 und die Königliche Regierung in Arnsberg am 5. Januar 1875 ihre Genehmigungen zu der Gemeindegründung.
Altkatholiken durften ab 1875 katholische Kirchen mitbenutzen
Ihre Gottesdienste feierten die Altkatholiken zunächst weiter in der Marienkirche. Durch Gesetz vom 4. Juli 1875 wurde den altkatholischen Gemeinden aber der Mitgebrauch der katholischen Kirchengebäude gestattet. Das Gesetz sah auch vor, dass den Altkatholiken eine Kirche zugeteilt werden sollte, wenn in einer Stadt mehrere katholische Kirchen vorhanden seien.
Das war in Dortmund seit 1870 der Fall, denn neben der Propsteikirche gab es ja die Krimkapelle. Die altkatholische Gemeinde, die nach eigener Zählung damals etwa 20.000 Mitglieder hatte, strebte an, die Propsteikirche für sich zu beanspruchen, stellte im April 1876 aber zusätzlich einen Antrag auf Mitbenutzung der Krimkapelle.
Es folge ein zähes Ringen zwischen der römisch-katholischen und der altkatholischen Gemeinde, an dem der Oberpräsident der Provinz Westfalen und die Königliche Regierung in Arnsberg als staatliche Behörde beteiligt waren.
Zähes Ringen um die katholischen Kirchen – Krimkapelle ging an Altkatholiken
Es zeichnete sich bald ab, dass die Krimkapelle das Kirchengebäude war, das den Altkatholiken zur Verfügung gestellt werden sollte. Bei der Diskussion hierüber zeigte sich aber, dass die Kapelle mit dem Schulgebäude enger verbunden war, als von außen erkennbar.
Denn es gab im Innern vier weite Bogenöffnungen zwischen beiden Gebäudeteilen, die Orgelbühne der Kapelle war nur von der Schule aus zugänglich und auch die Glocke wurde von der Schule aus bedient.
Wenn die Kapelle – und nur um die ging es – den Altkatholiken zugeteilt werden sollte, dann waren verschiedene Umbauarbeiten notwendig. Die römisch-katholische Gemeinde war bereit, diese auf ihre Kosten auszuführen. Dagegen befürchteten die Altkatholiken ständigen Reibereien mit ihren römisch-katholischen Nachbarn, wenn diese weiterhin im Besitz des Schulhauses bleiben sollten.
Auch hielt man den vorhanden Kirchenraum für zu klein: Der altkatholische Kirchenvorstand „weigerte sich, den Einzug in die Krimkapelle zu halten und zwar mit der Begründung, Architekt Plücker müsse sich geirrt haben, die Krimkapelle könne unmöglich 140 Quadratmeter Raum enthalten. Eine neue Vermessung durch einen königlichen Beamten stellte daraufhin fest, dass sie nicht 140, sondern sogar 197 Quadratmeter Raum besitze.“
1877 fand die letzte römisch-katholische Messe in der Krimkapelle statt
Die letzte römisch-katholische Messe in der Krimkapelle wurde am Mittwoch, dem 21. März 1877 gefeiert. Missionsvikar Löhers entnahm dem Tabernakel das Allerheiligste und löschte das ewige Licht. Die Übergabe der Schlüssel wurde zwar verzögert, konnte aber nicht verhindert werden.
Eine neue römisch-katholische Kirche wurde dann an der Münsterstraße gebaut. Der Grundstein zu der Kirche, die dem Hl. Josef, dem Patron der Arbeiter geweiht wurde, wurde am 1. September 1889 gelegt.
Am 25. März feierte man erste altkatholische Messe in der Krimkapelle. Erster Pfarrer der Gemeinde war Dr. Anton Hochstein. Er war aber nicht allein für die Dortmunder Gemeinde zuständig, sondern in verschiedenen Orten Westfalens. Deshalb hielt er sich häufig nicht in Dortmund auf. Die Gemeinde suchte vergeblich nach einem Hilfsgeistlichen.
Die Lösung des Problems bestand schließlich in der Einführung des Laiengottesdienstes: Drei Gemeindemitglieder sollten abwechselnd vertretungsweise für Dr. Hochstein den sonntäglichen Gottesdienst halten. Die bischöfliche Genehmigung für diese Regelung datiert 5. Juni 1878.
Verworrene Rechtsverhältnisse – Kapelle wurde im 2. Weltkrieg zerstört
Die verworrenen Rechtsverhältnisse der Krimkapelle zeigten sich 1909, als die evangelisch-alt-lutherische Gemeinde sich um eine Mitbenutzung der Krimkapelle bemühte.
Die altkatholische Gemeinde zeigte sich dem Anliegen gegenüber nicht abgeneigt, konnte aber keine Entscheidung fällen, weil die Krimkapelle zwar von ihr genutzt wurde, aber nach wie vor Eigentum der Propsteigemeinde war.
Die Propsteigemeinde war zwar Eigentümerin, hatte aber kein Verfügungsrecht über die Kapelle, da ihr dieses von den Regierungsbehörden entzogen worden war.
Die Krimkapelle blieb die Kirche der Altkatholiken bis zu ihrer Zerstörung bei einem Bombenangriff im Jahre 1943. Eine vermutlich 1944 entstandene Luftaufnahme, die sich im Besitz des Stadtarchivs befindet, zeigt die Kriegszerstörungen im Bereich der Krim.
Die Kapelle ist darauf nur noch anhand der Außenmauern erkennbar. Sie wurde nicht wieder aufgebaut. Die altkatholische Gemeinde fand eine vorläufige neue Unterkunft in der evangelischen Johanneskirche.
Abschied von der Innenstadt: Neue Kirche der Alt-Katholiken wird heute in Kley geweiht
Nach dem 2. Weltkrieg war unsere Gemeinde in verschiedenen evangelischen Gemeinden zu Gast, bis sie 1970 das Haus in der Weißenburger Straße erwarb und dort eine Kapelle einrichtete.
Das Haus Weißenburger Straeß 23 ist nach wie vor im Besitz der Gemeinde. Die Kapelle im Haus ist jedoch seit dem 5. Februar entwidmet.
Das neue Domizil der Alt-Katholiken befindet sich in Kley. Dort haben die Alt-Katholiken die ehemalige Neuapostolische Kirche im Kleyer Weg 89 gekauft – sie stand seit Jahren leer. Im vergangenen Jahr nahmen Pfarrer Rudolf Geuchen und Mitglieder des Gemeinderates die Schlüssel entgegen.
Nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten wird die neue Kirche am heutigen Samstag (11. März) um 14.30 Uhr durch Bischof Dr. Matthias Ring geweiht.
______________________________________________________________________
Aufruf: Wir suchen alte Bilder, Postkarten
und Geschichten aus der Nordstadt!
Wir möchten in den nächsten Monaten weitere Nordstadt-Geschichte(n) veröffentlichen. Aber dafür sind wir auf Input angewiesen. Vor allem sind wir an alten Postkarten und Fotos aus der Nordstadt interessiert.
Gleiches gilt aber auch für Zeitzeugenberichte. So würden wir gerne auch mehr Bilder zu den Beiträgen zeigen und Erinnerungen hören – letztere gerne als Kommentare zum Artikel.
Aber auch an Abbildungen von und aus den Telekom- bzw. Postgebäuden an der Schützenstraße, des CEAG-Gebäudes, des Johanneums in der Kielstraße sowie der Schule an der Zimmerstraße sind wir interessiert. Kontakt: info@nordstadtblogger.de
Weitere Nordstadt-Geschichte(n) auf nordstadtblogger.de: