An insgesamt sieben Orten verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig weitere Stolpersteine in Dortmund. Die beiden neuen Steine in der Nordstadt – in der Kurfürstenstraße und der Nordstraße – erinnern an die Schicksale homosexueller Männer, die den Tod in den Konzentrationslagern der Nazis fanden.
Bei der Verlegung des Stolpersteins für Stefan Ferdinand Schminghoff war auch die Verwandtschaft zugegen
An den Bergmann Stefan Ferdinand Schminghoff, der zuletzt in der Kurfürstenstraße wohnte, erinnerte Manuel Izdebksi von der Aidshilfe Unna.
Bei der Verlegung des Stolpersteins war auch die Verwandtschaft des 1888 in Brambauer geborenen Schminghoff zugegen. Bernhard Schminghoff aus Dortmund war zusammen mit seiner Mutter und seinem Sohn gekommen um am Gedenken teilzunehmen.
Das genaue Verwandtschaftsverhältnis muss noch geklärt werden. Es bedarf noch viel Forschung zu den Schicksalen der in der NS-Zeit umgekommenen schwulen Männern. Vieles wurde bis weit in die Nachkriegszeit verdrängt, ignoriert und geriet in Vergessenheit.
Schminghoff starb 1940 nur fünf Wochen nach Einlieferung im KZ Sachsenhausen
Bekannt ist, dass der Bergmann Stefan Ferdinand Schminghoff 1916 nach Dortmund zog. Schminghoff war mit Ottilie Böhm verheiratet.
Über den Internationalen Suchdienst fand Manuel Izdebksi heraus das der Nordstädter 1940 in das KZ Sachsenhausen eingeliefert wurde und dort die Häftlingsnummer 25 536 mit dem Kürzel „BV 175“ trug.
„Damit gehörte er zur nationasozialistischen Kategorie der Berufsverbrecher, die wiederholt wegen des § 175 mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren bzw. mehr als einen Mann „verführt“ hatten“, so Izdebksi.
Nur fünf Wochen nach seiner Einlieferung starb Schwinghoff im Alter von 52 Jahren.
In der Nordstraße erinnert Dr. Frank Ahland an das Schicksal von Werner Großheide
In der Nordstraße, dem letzten frei gewählten Wohnsitz von Werner Großheide, erinnerte der Historiker Dr. Frank Ahland an den 1908 in Dortmund geborenen Kaufmann.
Dreimal findet sich der Name Werner Großheide in den Haftbüchern des Polizeigefängnisses Steinwache am Nordausgang des Dortmunder Hauptbahnhofes.
Dreimal durchlief er die Aufnahmeprozedur, wurden seine Personalien, aber auch der Name des einliefernden Beamten und der Grund der Verhaftung notiert.
Am 11. August 1937 und erneut am 5. September 1938 lieferte Kriminaloberassistent Karl Wehmeyer vom Sittendezernat der Kriminalpolizei Werner Großheide ein. Als Haftgrund gab der Beamte lediglich „§ 175” an.
Damit war jene Bestimmung des Strafgesetzbuches gemeint, die Männern bei hoher Strafandrohung vor allem jedwede sexuelle Handlungen untereinander verbot. Beide Male wurde Werner Großheide im Anschluss dem Gericht vorgeführt. Ob er verurteilt wurde, ist nicht bekannt, doch spricht die dritte Verhaftung am 25. September 1942 dafür. An diesem Tag lieferte ihn die Polizei zur „Vorbeugung” ein.
Mit dem Mittel der sogenannten Vorbeugehaft konnte die Kriminalpolizei Personen, die sie gefährlicher Sittlichkeits- oder Berufsverbrecher verdächtigte, ohne weitere Begründung in Haft nehmen.
Werner Großheide starb im Alter von 34 Jahren im KZ Neuengamme bei Hamburg
Es war morgens um 8 Uhr an jenem Freitag im Spätsommer 1942, als der 33-jährige Werner Großheide in der Steinwache eintraf. Ein Polizeihauptwachtmeister lieferte ihn ein.
Neben einem Hut führte Werner Großheide zwei Koffer mit sich. Zuvor war er drei Tage lang im Polizeigefängnis Hamm gewesen – als Zwischenstation zwischen der Haftanstalt und der Steinwache.
War Werner Großheide bei den ersten beiden Verhaftungen nach wenigen Stunden dem Gericht vorgeführt worden, musste er nun 27 Tage der Ungewissheit ertragen. Erst am 22. Oktober 1942 war eine ausreichende Gefangener für einen Sammeltransport zusammengekommen, mit dem er in das Konzentrationslager Neuengamme überstellt wurde.
Im Hauptlager im Südosten Hamburgs wurde ihm die Häftlingsnummer 10938 zugeteilt. Über das fünfeinhalb Monate währende Martyrium in Neuengamme ist nichts bekannt. Dort starb Werner Großheide am 6. März 1943, einem Mittwoch. Er wurde nur 34 Jahre alt.
HINTERGRUND
- Am 16.12.2016 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig an insgesamt sieben Standorten Stolpersteine:
- Innenstadt-Nord, Kurfürstenstr. 32 Stefan Ferdinand Schminghoff
Die Verlegung erfolgt auf Initiative von Manuel Izdebksi und Dr. Frank Ahland in Kooperation mit der Aidshilfe für den Kreis Unna. - Innenstadt-Nord, Nordstr. 57 Werner Großheide
Die Verlegung erfolgt auf Initiative von Manuel Izdebksi und Dr. Frank Ahland in Kooperation mit dem KCR Dortmund - Lütgendortmund, Lütgendortmunder Str. 45 – Karl Dannenbaum und Wilhelm Dannenbaum
Die Verlegung erfolgt auf Initiative der Heinrich-Böll-Gesamtschule und wird von Schüler*innen gestaltet. - Kirchlinde, Heckelbeckstr. 1 – Ella Daniel,Heinrich Daniel undHannelore Daniel
Die Verlegung erfolgt auf Initiative der Droste-Hülshoff-Realschule und wird von Schüler*innen der AG gegen Rechts gestaltet. - Innenstadt-West, Balkenstr. 13 – Friedrich Bergermann
Die Verlegung erfolgt auf Initiative des Jugendring Dortmund und wird von Botschafter*innen der Erinnerung gestaltet. - Innenstadt-West, Stiftstr. 17 – Elise Kleffmann
Die Verlegung erfolgt auf Initiative einer Privatperson. - Innenstadt-Ost, Kaiserstr. 44 Sally Neugarten, Henriette Neugarten und Lore Neugarten (geb. Heinemann)
Die Verlegung erfolgt auf Initiative der Nachkommen von Lore Heinemann und einer Privatperson. Familie Heinemann wir während der Verlegung anwesend sein und diese gemeinsam mit Bezirksbürgermeister Dammer gestalten. - Seit Anfang des Jahres 2012 koordinieren der Jugendring Dortmund und das Stadtarchiv die Verlegung von Stolpersteinen in Dortmund. Die Verlegungen werden vorbereitet und durchgeführt durch angehende Garten-/Landschaftsbauer*innen der Grünen Schule Bochum.
- Die Stolpersteine sind ein internationales Kunstprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig (www.stolpersteine.de).
- „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist”, zitiert Gunter Demnig den Talmud. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten.
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