Dortmund. Zum Gedenken an die Opfer der rechtsextremen NSU-Terroristen wird ein Mahnmal an der Steinwache errichtet. Am siebten Jahrestag der Ermordung des Dortmunder Kioskbesitzers Mehmet Kubasik stellte die Stadt im Beisein der Familie die Planungen vor.
Es war ein Termin der leisen Töne und der zarten Gesten in der Auslandsgesellschaft: „Kein Mensch hat einen solchen Tod verdient“, betont Gamze Kubasik. Dann versagt der Dortmunderin, Tochter des von Neonazis ermordeten Kioskbesitzers, zum ersten Mal die Stimme. „Entschuldigen Sie, ich bin in Trauer. Es ist der Jahrestag der Ermordung meines Vaters.“ Gemeinsam hatten Stadt und Familie sich für den 4. April entschieden – genau sieben Jahre nach dem feigen Mord an Mehmet Kubasik.
Betroffenheit in der Stadtgesellschaft
In seinem Kiosk an der Mallinckrodtstraße wurde der Ehemann und Familienvater ermordet. „Ich bin eine stolze Dortmunderin. Und das war mein Vater auch“, sagt Gamze, als sie sich wieder ein Herz gefasst hat. „Er hat unsere Stadt geliebt. Ich bin froh, dass wir einen so herzlichen OB haben“, sagt sie mit Blick auf Ullrich Sierau. Er sitzt neben ihrer Mutter Elif, spricht ihr Trost und Mut zu. Dem sonst so wortgewaltigen Politiker fällt es auch sichtlich schwer, Worte zu finden. Doch er findet sie – leise, passende Töne. Er erinnert an „die unfassbare rechtsextreme Tat, die die Stadt und die Stadtgesellschaft betroffen gemacht hat“.
Ehrung für Opfer
Das Mahnmal solle an die Tat erinnern und das Opfer ehren, so Sierau. „Mehmet Kubasik hat mit seiner Familie in der Nordstadt gelebt und sie geliebt.“ Zugleich stelle es aber auch eine Entschuldigung des Staates an den Familien der Opfer dar, die jahrelang Verdächtigungen ausgesetzt waren, dass die Opfer in kriminelle Machenschaften verstrickt und die Familien vielleicht sogar in die Morde verwickelt gewesen seien. Von „Dönermorden“ war jahrelang abfällig die Rede. An eine rechtsextreme Mordserie konnten oder wollten die Ermittler nicht glauben. Und genau daher will Dortmund – wie andere von NSU-Morden betroffene Städte auch – ihren Opfern gedenken.
Mahnung gegen Rechtsextremismus
Sierau will aber das Mahnmal auch als Mahnung verstanden wissen, dass man nicht im Kampf gegen Rechtsextremismus nachlassen dürfe. Schließlich ist der Platz an der Steinwache – Gedenkstätte für die Opfer der NS-Herrschaft – in den vergangenen Jahren mehrfach Ausgangspunkt von Neonazi-Aufmärschen gewesen. „Mit der neuen Gedenkstätte haben wir dem Polizeipräsidenten ein zusätzliches Argument an die Hand gegeben, dass es dort keine weiteren rechtsextremen Manifestationen geben wird“, hofft Sierau.
Zeichen der Entschuldigung
In großer Einigkeit hatten sich Gestaltungsbeirat und Bezirksvertretung für den Platz und den vom Tiefbauamt gestalteten Entwurf entschieden. „Ich möchte noch mal um Verzeihung bitten“, sagt Bezirksbürgermeister Siegfried Böker zu Gamze und Elif Kubasik. „Ich habe das zwar schon bei der Enthüllung der Tafel in der Mallinckrodtstraße gemacht, aber es ist mir wichtig, es erneut zu tun“, sagt der Nordstadtpolitiker und ringt dabei um jedes Wort.
Damit steht er nicht allein. Auch Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft NRW und künftig „Hausherr“ des neuen Mahnmals, hatte zu kämpfen. Er begrüßte die Ortswahl, schließlich erinnere die Steinwache an die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Die Auslandsgesellschaft unterstütze das Gedenken, schließlich sei sie im Geiste der Humanität und Toleranz gegründet worden.
Erinnerungsort für die Kinder
Daran will auch Gamze Kubasik anknüpfen: „Ich danke allen Beteiligten für die Sensibilität.“ Der von Gesa Köster und Ulrich Finger vom städtischen Tiefbauamt gestaltete Entwurf habe sie tief bewegt. „Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, konnte ich nicht sprechen, sondern nur noch weinen“, so Kubasik. Mitte Juli soll die Gedenkstätte fertig sein. „Dann wird mein Vater niemals vergessen. Dann haben meine Kinder und die meines Bruders einen Ort, sich an ihren Großvater zu erinnern.“
Wie wird das Mahnmal aussehen?
Auf die Fläche vor der Auslandsgesellschaft wird diagonal ein zehn Meter langer und 20 Zentimeter breiter, polierter Natursteinstrahl (Basalt) gestellt, der sich dem Geländeprofil folgend in der Höhe von 50 Zentimeter auf 25 Zentimeter verjüngt. Den Übergang zu einer zwei Meter hohen, 120 Zentimeter breiten und 20 Zentimeter starken Gedenkstele bildet ein 1,20 Meter langes, bodenbündig eingebautes Lichtband.
Auf der Oberseite des Basaltstreifens wird einzeilig folgender Text eingraviert:
„Neonazistische Verbrecher haben zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen in sieben deutschen Städten ermordet: Neun Mitbürger, die mit ihren Familien in Deutschland eine neue Heimat fanden, und eine Polizistin. Wir sind bestürzt und beschämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren: Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie wieder!“
Die Stele wird auf der einen Seite die Namen der Opfer, ihre Wohnorte und die Daten ihrer Ermordung tragen: „Wir trauern um
Enver Simsek, 11. September 2000, Nürnberg
Abdurrahim Özüdogru, 12. Juni 2001, Nürnberg
Süleyman Tasköprü, 27. Juni 2001, Hamburg
Habil Kilic, 29. August 2001, München
Mehmet Turgut, 25. Februar 2004, Rostock
Ismail Yasar, 5. Juni 2005, Nürnberg
Theodoros Boulgarides, 15. Juni 2005, München
Mehmet Kubasik, 04. April 2006, Dortmund
Halit Yozgat, 06. April 2006, Kassel
Michèle Kiesewetter, 25. April 2007, Heilbronn.“
Auf der anderen Seite wird die Inschrift „Gedenkstätte für die Opfer terroristischer Gewalt“ sowie das Errichtungsdatum zu lesen sein. Beiderseits der Gedenkstätte werden je drei Bänke aufgestellt und je drei dachförmig gezogene Platanen gepflanzt. So soll ein Ort entstehen, an dem man verweilen kann und der Gelegenheit zum Gedenken gibt.
Reader Comments
Ein eindrucksvolles Mahnmal gegen Rechtsextremismus | Nordstadtblogger
[…] Mehr zum Thema NSU-Gedenken: Nordstadtblogger vom 04.04.2013 […]