Von Alexander Völkel
Kann man eine Kultureinrichtung „Junkyard“ – also „Schrottplatz“ – nennen? Man kann. Vor allem, wenn sie mal einer war – und auch optisch bleiben soll. In der Nordstadt – an der Ecke Schlägel- und Bornstraße – entsteht eine neue Veranstaltungshalle. Doch vor allem auch das Außengelände hat es in sich.
Unterstützer, Familie und Freunde der Initiative „Home of Freaks“ packen an
Am Samstag gab es dort mit dem „Junkyard Open Air“ einen Vorgeschmack auf kommende Ereignisse. Zu Gast waren vor ausverkauftem Haus die Bands „Baby Woodrose“ aus Dänemark, „All them Witches“ und „The Flying Eyes“ aus den USA und die beiden deutschen Gruppen „The Roughtones“ und „Travelin Jack“.
Noch brauchen Interessierte viel Phantasie, um sich die neue Kultur-, Freizeit- und Event-Halle vorzustellen. Doch die zahlreichen Besucherinnen und Besucher hatten zum Herzstück des „Junkyard“ noch keinen Zutritt – denn fertig sind die Macher damit noch nicht.
Sie haben in den vergangenen Monaten kräftig die Ärmel hochgekrempelt: Mit viele Mühe haben Unterstützer, Familie und Freunde der Initiative „Home of Freaks“ große Teile des Schrottplatzes freigeräumt, um eine ehemalige Bereitstellungs- und Werkstatthalle für Konzerte und Veranstaltungen herzurichten.
Initiative „Home of Freaks“ investiert 250.000 Euro in den Schrottplatz
Rund 250.000 Euro werden sie hier in der Nordstadt investieren. Ganz abgesehen von viel „Blut, Schweiß und Tränen“. Im zweiten Schritt soll unter anderem ein Open-Air-Skatepark entstehen. Dafür haben sie auch potente Unterstützer aus der Szene und der Werbebranche. Einen ersten Vorgeschmack auf den Skate-Park gab es schon beim Festival.
In den ersten Wochen haben sie sich vor allem durch Tonnen von Müll, Schrott und anderen Hinterlassenschaften des Schrottplatzes gewühlt. Selbst einen funktionierenden Abschleppwagen und einen Schrottplatzhund haben sie mit dem Gelände übernommen.
Die meisten der Autowracks wurden abtransportiert – nur einige haben sie aus Dekozwecken behalten. Das gilt auch viele viele andere Hinterlassenschaften und auch unzählige Reifen, die bei der Neugestaltung verarbeitet werden. Es ist eine herausfordernde Aufgabe für Architekt und Statiker. Doch die Ursprünge der Industriekultur sollen auf jeden Fall erhalten bleiben.
Vielseitig und kulturell genutztes Veranstaltungsgelände geplant
Durch lokale Künstler soll hier ein dreidimensional gestaltetes Kunstwerk entstehen, das den Rahmen für ein vielseitiges, kulturell genutztes Veranstaltungsgelände bildet. Denn Lebensgefühl und Musikkultur sind in der alternativen Szene untrennbar miteinander verbunden.
Umgeben war bzw. ist das Areal von einer hohen und teilweise lückenhaften Backsteinmauer. Diese mussten sie komplettieren und ergänzen. Denn die Mauer bildet u.a. das tragende Gerüst für die Halle. Ergänzt mit Natursandsteinen ist so eine geschlossene und gut schallisolierte Event-Location entstanden.
An den ungewöhnlichsten Stellen wurden auch die Reifen verbaut: Als farblich gestaltete Wanddekoration, ungewöhnliche Sitzmöbel, Thekenunterbau und sogar als Waschbecken-Ständer dienen sie jetzt.
Bei allen Mühen: Das Glück ist manchmal mit den Tüchtigen: Nachdem auf dem Gelände der ehemaligen Schnapsbrennerei Schulte Rauxel eine 20 Meter lange Backsteinmauer umgefallen ist, konnten sie die Steine kostenlos abholen.
„Das war ein Kultursponsoring“, sagt Chris Brosky, einer der Macher, lachend. Denn lange hatten sie nach solchen Steinen gesucht – sie entsprachen ihrer lückenhaften Mauer in Dortmund. Aber bei „Ebay“ gebe es diese zumeist nur unter der Rubrik „Suche“ – nicht „Biete“.
Konzerte, Lesungen, Vorträge und Poetry-Slams in der Halle für 300 Personen
Während in der Halle vor allem Konzerte, aber auch Lesungen, Vorträge und Poetry-Slams stattfinden werden, soll der Vorplatz Raum für einen attraktiv gestalteten Skatepark mit ausreichend Möglichkeiten zu Sport und Konversation bieten.
Dort sollen in Zusammenarbeit mit verschiedenen überregional tätigen Organisationen zahlreiche Workshops stattfinden und ein für Jugendliche und junge Erwachsene aus jeder sozialen Schicht attraktives, beaufsichtigtes Freizeitprogramm entstehen. Auch hierbei ist eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt erwünscht, macht Chris Brosky deutlich.
„Es ist uns ein Anliegen, eine Anlaufstelle für Kulturinteressierte verschiedener Couleur aus Dortmund und Umgebung zu schaffen“, erklären die Macher. „Dadurch, dass unser Team selbst vor Ort arbeiten wird, wird zudem garantiert, dass das Gelände stets sauber gehalten wird und für Sicherheit gesorgt ist“, macht er deutlich.
„Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie schnell Freizeitstätten verwahrlosen oder Vandalismus zum Opfer fallen – das wollen wir unbedingt verhindern“, so Brosky.
Die neue Halle solle eine Lücke im Veranstaltungsangebot schließen
Doch braucht Dortmund überhaupt einen solchen Standort? „Ja, Dortmund braucht einen solchen Standort“, lautet die klare Botschaft. Die Stadt verfügt zwar über unzählige Proberäume, in denen die unterschiedlichsten Künstler an Ihren Projekten arbeiten.
Auch für die freie Musikwirtschaft ist Dortmund ein wesentlicher Standort. So befindet sich zum Beispiel „Century Media“ – bis zum Verkauf an Sony immerhin Deutschlands größtes Independent-Musiklabel – ebenfalls in der Nordstadt.
„Deren Künstlerinnen und Künstler fallen wie viele andere genau in die von uns gewünschte Größenordnung von 300 Besucherinnen und Besuchern. Bisher haben sie jedoch in Dortmund kaum Auftrittsmöglichkeiten“, erklärt Brosky. „Veranstalter sind häufig gezwungen, auf andere Ruhrgebietsstandorte wie Essen, Bochum oder Oberhausen auszuweichen.“
Gerade „mittelgroße“ Künstler würden dadurch standortbezogen in ihrem Wirken blockiert.
„Dabei ist es gerade wichtig für die lokale Kulturszene, diesen aufstrebenden Künstlern eine Plattform zu bieten und diese bei ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen und zu fördern“, erklärt der Konzertveranstalter.
Breit gefächertes und abwechslungsreiches Programm stößt auf Interesse
Für kulturell Interessierte ist es ebenfalls wünschenswert, ein breit gefächertes und abwechslungsreiches Programm zu erleben, das sich nicht ausschließlich an den Größten der Szene orientiert, die bereits sehr bekannt sind und oft gesehen wurden.
„Die bestehenden Räumlichkeiten und Veranstaltungszentren sind schlichtweg für unser Programm nicht geeignet“, erklärt Brosky. Entweder übersteigen die Kosten für die Logistik der größeren Örtlichkeiten die Kosten für eine realistische und wirtschaftliche Durchführbarkeit mittelgroßer Künstler-Darbietungen, oder sie sind schlichtweg zu klein. Diese Lücke soll nun durch den „Junkyard“ geschlossen werden.
Die ungewöhnlichen Schrottplatz-Pläne wurden mit großem Interesse bei der Stadt aufgenommen. Planungsdezernent Ludger Wilde setzte sich persönlich mit den Machern zusammen und auch die Fachverwaltung zeigte sich bisher sehr kooperativ, um Steine aus dem Weg zu räumen.
Doch davon gab es bisher viele – planerische, rechtliche, bauliche und technische Herausforderungen. Wann die eigentliche Veranstaltungshalle eröffnen wird, da will sich „Home of Freaks“ nicht festlegen. Nicht mehr – zu häufig gab es schon Rückschläge und Terminverschiebungen. Denn ein solcher Schrottplatz ist ein Überraschungsei. Doch entmutigen lassen sie sich nicht.
„Junkyard“-Idee wurde vor einem Jahr bei einer Autoreparatur geboren
Sie wollten jetzt das Open-Air unbedingt durchziehen. Denn mit dem Schrottplatz-Konzert wurde die Idee überhaupt erst geboren. Entstanden ist sie durch einen puren Zufall. Auslöser war ein abgefallener Auspuff. Den wollte sich Chris bei Ruhrpott-Original Erkan an der Schlägel-Straße reparieren lassen.
Während der Auspuff des in die Jahre gekommenen VW-Bullis umgehend repariert wurde, kommt man ins Gespräch: „Watt machst du so?“ – „Bin Clubbetreiber“ – „Warum machste nicht hier mal `ne Party?“ sagte Erkan.
So banal die Idee auch sein mag, so genial ist sie auch: „Ein Festival auf’m Schrottplatz – wie geil! Gesagt, getan!“ Innerhalb von wenigen Wochen wurde das erste „JUNKYARD-OPEN-AIR“ unter der Federführung von Gerwi Fimpler und Sebastian Reschke umgesetzt und zum vollen Erfolg.
Lokale Bands machten einen alten Abschlepper zur Bühne für „Stoner Rock“ und verwandte Stilarten. Im Nu wurde eine Skate-Rampe organisiert, aus alten Autoreifen und Europaletten eine Bar gezaubert.
Nach einem Jahr eine Neuauflage des „Do it yourself“-Festivals in der Nordstadt
Das „Do it yourself“-Festival war vor ziemlich genau einem Jahr – für die Neuauflage haben sich die Rahmenbedingungen natürlich ziemlich verändert. Erkan ist übrigens, obwohl er seinen Schrottplatz abgegeben hat, immer noch dabei. Er ist heute der Betriebsschlosser von „Home of Freaks“ und ist eine der guten Seelen der Truppe.
Wie schon vor einem Jahr wurde auch dieses Mal noch viel improvisiert. Doch viele der guten Ideen wurden professionalisiert – wie beispielsweise der schon genannte Einsatz der Autoreifen.
Trotz mancher technischer Probleme – so bei der Wasserversorgung bei den Toiletten – war das Festival insgesamt gelungen und macht Lust auf mehr. Der Schrottplatz spielte schon jetzt seinen Charme aus. Mal sehen, wie es dann mit der eigentlichen Konzerthalle weiter geht…
Der „Junkyard“ jedenfalls ist schon jetzt eine echte Bereicherung für die Nordstadt, Dortmund und sogar den Ruhrpott. Das stellten jedenfalls die vielen Fans von außerhalb mit ihrem Kommen unter Beweis.
Reader Comments
Natalie Branz
Gerade die Umbauten persönlich angesehen. Weiterhin viel Erfolg. Die Kälte ,die die Umbauverzögerung auch noch zur Gehnehmigung verzögert ist auch nicht gerade angenehm.
leider durch Unfall März 2017 (Dokomentiert) nicht möglich Euch freiwillig zu Helfen.