Von Rainer Wanzelius
Schöpfungsgeschichten, Schaffensgeschichten. Ja, so könnte man sie wohl betiteln, die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus am Sunderweg, die uns neue Wege zur Skulptur aufzeigen will. Doch sie heißt „Billo BÄM“, was natürlich viel knalliger, urknalliger klingt.
Das mit dem Knall als Schöpfungsbeginn trifft hörbar allerdings nur im Falle des David Baur und seiner „performativen Skulptur“ zu. Baur fordert die Besucher des Eröffnungsabends auf, mit vorgefertigten Pulverpfennigen auf ein an der Wand befestigtes, nicht sonderlich stabiles Holzkonstrukt zu feuern – mit dem Ziel, kleine, explosionsbedingte Einstürze und damit den skulpturalen End(zu)stand zu erreichen. Wenn es denn wirklich knallt …
Was aber kommt vor der Kunst, und was kommt nach ihr? Oder ist der Weg zu ihr das eigentliche Ziel? Alle der sechs an der Ausstellung beteiligten Künstlerinnen und Künstler stellen, bewusst oder unbewusst, diese Frage – und geben bedingt Antwort.
Vor der Kunst ist Arbeit
Vor der Kunst ist Arbeit, und die geht niemanden an. Also schließt Sebastian Wickeroth hinter sich die Tür des größten Raumes, um ungestört zu zerstören. Er zertrümmert gleich mehrere Lagen Gipskarton, blaue, weiße und Magenta-farbene, bis im Raum eine Gebirgslandschaft aus den Fetzenstücken entsteht.
Auch verformt er Bildrahmen, deren schwarze Folienbespannung Wellen wirft. Für Wickeroth geht der Weg rückwärts. Für ihn ist Skulptur Rückkehr zum Urgebrösel, in einen vermeintlichen Naturzustand.
Die Künstlerinnen gehen Risiken ein
Die beiden Frauen in dieser Ausstellung, Mareike Lee und Angelika Loderer, gehen, unabhängig voneinander, richtig Risiko. Beider Arbeiten scheinen den Naturgesetzen abgetrotzt, sind oder wirken in hohem Maße fragil und transparent. Ein Schubser, ein Fehltritt, und Aus und Vorbei. Da weht der Atem der Zerbrechlichkeit, der Vergänglichkeit des Kosmos.
Lee bemalt, besser: bezeichnet, gläserne Scheiben mit dünnen Farbfäden, spannt Drähte durch ihren Raum und lehnt die einzelnen Partien gegen den Draht und gegen einander. Der Balanceakt füllt den ganzen Raum, die Betrachter sind gebeten, Abstand zu halten.
Materialien aus der Arbeitswelt
Loderer arbeitet mit Materialien aus der Alltagswelt. Dazu gehört auch jener pinke Sand, aus der die Form wird, die dem Bronzeguß ersten Halt gibt. Nur dass Loderer ihn ganz anders nutzt als die klassischen Kollegen. Sie streut ihn über einen an die Wand gelehnten Teppich und nimmt in Kauf, dass es rieselt. Oder sie türmt ihn schichtweise unter und auf Aquarien-förmigen Glasbehältnissen in Meter-Höhe auf – mit dem Risiko, dass das Gebilde Opfer seines eigenen Gewichtes wird. Schließlich arbeitet das Material, trocknet, rutscht. Planbar, berechenbar ist diese Art der Schöpfung nicht. Schuf auch Gott die Welt nach Bauchgefühl?
Im Keller des Künstlerhauses hinterlässt Eric Winarto ein Wandbild, das seinen fluoreszierenden Charakter erst bei Einschalten von Schwarzlicht offenbart. Nur bedingt eine Skulptur, aber ebenso mit dem Gedanken der Endlichkeit behaftet.
Skulpturales Videoprojekt
Eine Videoarbeit hat Erik Olofsen mitgebracht. Auch „In Places“ ist also keine Skulptur, zeigt aber die mögliche Entstehung einer solchen. Ein Mensch (der Künstler?) stürzt sich im Bild auf eine Stadtlandschaft aus Schaumstoff, natürlich assoziiert man New York, die Schaumstoffhochhäuser stürzen ein – und werden sich wieder aufrichten. Schöpfung, will das zeigen, beinhaltet Zerstärung und Zerstörung Neubeginn. Ein endloser Kreislauf? Das Videostill jedenfalls ist als Schleife gebaut.
„Billo BÄM“ ist Ergebnis der Zusammenarbeit der Kuratoren Adriane Wachholz und Hannes Woidich mit den genannten Künstlern. Die Ausstellung ist donnerstags bis sonntags von 16 bis 19 Uhr geöffnet und schließt am 30. Juni. Sunderweg 1.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler:
David Baur, Stuttgart
Mareike Lee, Berlin
Angelika Loderer, Wien, Österreich
Erik Olofsen, Zaandam, Niederlande
Sebastian Wickeroth, Düsseldorf
Eric Winarto, Genf, Schweiz
Mehr dazu im Internet: Künstlerhaus Dortmund