Eine erfolgreiche Bilanz der Arbeit der Ordnungspartnerschaften und der Taskforce Nordstadt hat Ordnungsdezernentin Diane Jägers gezogen: „Wir haben ein gutes Jahr in der Nordstadt erlebt.“
Problematisches „Grundrauschen“ wird es immer in der Nordstadt geben
„Es war ein Jahr, mit dem wir sehr gut leben können. Gott sei Dank gab es keine Auswüchse, sondern wir konnten alles auf dem Niveau des Grundrauschens halten“, so Jägers.
Zum „Grundrauschen“ gehören viele Probleme – Prostitution, Drogenhandel und vielfältige Probleme im öffentlichen Raum, unter anderem mit der Trinker-Szene.
Jägers ist sich sehr wohl bewusst, dass Teile der Nordstadt-Bewohner ihre Einschätzung nicht teilen: „Teile der Bevölkerung hätten gerne, dass das alles weg ist. Aber das werden wir in einer richtig großen Großstadt nicht wegbekommen.
„Prostitution, Drogenhandel und viele Menschen auf der Straße, dass ist ein Stück der Realität in diesem Stadtteil“, betont die Ordnungsdezernentin erneut.
Allerdings habe es in diesem Jahr keine Auswüchse auf dem Nordmarkt und in der Nachbarschaft gegeben, auch „wenn wieder gut was los war“. Aber „alle Familien kamen zu ihrem Recht und die Alkoholiker-Szene war ganz friedlich. Die Lage ist ruhig“, zieht sie bei einem Besuch im Nordstadtbüro des Ordnungsamtes eine versöhnliche Jahresbilanz.
Ein ständiger Kampf gegen Ordnungswidrigkeiten aller Art
Neben der Bekämpfung der Straßenprostitution zählt auch die Sanktionierung aller anderen störenden und ordnungswidrigen Verhaltensweisen zu den täglichen Aufgaben der Einsatzkräfte.
Dazu gehören beispielsweise das Wegwerfen von Abfall, das Schlafen in Fahrzeugen oder in Grünanlagen, der Alkoholverzehr bzw. das Rauchen auf Kinderspielplätzen.
Wenngleich städtische Bedienstete im strafrechtlich relevanten Bereich der Bekämpfung von Drogenkriminalität keine Eingriffsbefugnisse haben, unterstützen sie im Rahmen der Ordnungspartnerschaft dennoch die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Auch regelmäßige Kontrollen von Gaststätten, Teestuben und Spielhallen, die Überprüfung von Problemhäusern und die Verkehrsüberwachung gehören zu den Handlungsfeldern der Task Force Nordstadt.
Nach Schließung des Straßenstrichs: Bekämpfung der Straßenprostitution bleibt Daueraufgabe
Wenngleich bereits unmittelbar nach Schließung des Straßenstrichs eine deutliche Verbesserung der Situation festzustellen war, hat sich über die Jahre 2013, 2014 und 2015 hinweg ein „hartnäckiger Kern“ von rund 25 bis 35 ganz überwiegend drogenabhängigen Prostituierten herauskristallisiert.
Sie bieten vor allem im Bereich rund um den Nordmarkt ihre Dienste auf der Straße an, um auf diesem Weg ihre Sucht zu finanzieren.
Neben gut 300 Ordnungswidrigkeitenanzeigen wurden so mehr als 700 Strafanzeigen gestellt. Einzelne Prostituierte sind über 20 Mal einschlägig in Erscheinung getreten.
Anwohnerinnen und Anwohner stören sich an dem Erscheinungsbild und vor allem an den zahlreichen Freiern, die dort auf der Suche immer wieder auch Unbeteiligte ansprechen.
Konsequentes Vorgehen gegen den „Freiersuchverkehr“
Auch beim gemeinsamen Rundgang mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern traf Jägers am Nachmittag drei Prostituierte und vier Freier an – alle den Behörden bekannt.
„Dieses Grundrauschen wird bleiben, auch wenn wir vor dem Oberverwaltungsgericht Münster unsere Sperrbezirksverordnung verteidigen konnten“, so Jägers.
Maßnahmen wie die Durchfahrtverbotsschilder würden das Problem nicht lösen, böten aber Möglichkeiten, gegen die Freier vorzugehen.
Seit Beginn der Aktionen im Mai 2011 bis heute wurden über 1100 Verfahren gegen Freier allein wegen des Kontaktaufnahmeverbotes eingeleitet.
Die positive Nachricht: Es sind keine neue Prostituierten dazugekommen. „Wir werden ihnen keinen Millimeter Fläche geben, damit nicht andere es auch versuchen“, gibt sich Diane Jägers kämpferisch. „Da bin ich ganz zuversichtlich, dass wir auf dem Niveau verbleiben.“
Drogenhandel bleibt im Blick – wenn auch ohne Erfolgsaussichten
Natürlich war auch 2015 der Drogenhandel in der Nordstadt wieder ein Thema. Dafür sei originär die Polizei zuständig: „Wir können nur zuarbeiten.“ Daher ist Jägers froh, dass die Vereinbarung über die Ordnungspartnerschaften mit der Polizei erneuert werden konnte.
„Zwei Doppelstreifen sind nicht sehr viel, aber das, was an Ressourcen zur Verfügung steht.“
Insgesamt bis zu 48 Beschäftigte des Ordnungsamts sind in diesem Bereich im Einsatz.
„Wir schauen uns auch jeden Kleindealer an, auch wenn es ein Hase-und-Igel-Spiel ist.“
Die ganz große Leistung sei, dass sich die Kolleginnen und Kollegen immer wieder neu motivierten, obwohl sie wüssten, dass sie nie als Sieger vom Platz gehen würden. „Der Erfolg ist, wenn es nicht mehr werden“, sagt sie mit Blick auf die vielen kleinen Dealer.
Präsenz in der Nordstadt – aber auch in anderen Stadtbezirken
„Wir wollen im nächsten Jahr, ohne die Nordstadt zu vernachlässigen, uns auch in anderen Stadtteilen näher umschauen“, kündigte Diane Jägers an. Die Ordnungspartner sind theoretisch stadtweit unterwegs.
Allerdings sind sie – außer auf dem Weihnachtsmarkt – vor allem in der Nordstadt zu sehen, um dort den Kontrolldruck aufrecht zu halten.
„Wir wollen aber auch in anderen Stadtteilen wieder den Druck erhöhen, weil sich sonst da andere Szenen ausbreiten“, so die zuständige Dezernentin. Zu „anderen Szenen“ gehören zum Beispiel trinkende Jugendliche auf Spielplätzen.
Ordnungsamts-Außenstelle soll im 2. Quartal 2016 in die Nordmarkt-Apotheke ziehen
Doch auch in der Nordstadt sollen die Ordnungshüter den Problemen dichter auf den Pelz rücken. Anfang des zweiten Quartals soll eine Dependance des Nordstadt-Büros in der ehemaligen Nordmarkt-Apotheke einziehen.
„Das Nordstadt-Büro bleibt hier erhalten“, verdeutlicht Tobias Marx mit Blick auf den bisherigen Standort in der alten Sparkasse an der Ecke Mallinckrodt- und Bornstraße.
Hier bleibt auch die Heimat der 80 Beschäftigten der Service- und Präsenzdienste.
In der ehemaligen Apotheke soll eine Anlaufstelle für die Ordnungspartner mit Pausenraum, Raum für ordnungsbehördliche Maßnahmen wie Durchsuchungen sowie Büroarbeitsplätze entstehen.
Allerdings ist der Zeitplan noch wackelig, denn die bauliche Substanz des erworbenen Ladenlokals ist schlecht.
„Hoffentlich erleben wir nicht zu viele Überraschungen“, sagte Jägers. Sie möchte nämlich schnellstens in das Gebäude: „Wir werden sehr intensiv von der Umgebung beäugt“, hat sie beim Ortstermin in dem Problemhaus erlebt.
(Über das Thema Problemhäuser berichten wir noch in einem eigenen Artikel)
Reader Comments
Almuth Wessel
Sexarbeiterinnen unterstützen statt bekämpfen – dann wird das mit dem „Grundrauschen“ vielleicht etwas anders. Aber Ausgrenzen ist natürlich einfacher – und der deutsche Spießer braucht allemal einen Sündenbock. Und da bieten sich die Huren auf dem Straßenstrich natürlich an. Sie sind ohnehin schon stigmatisiert – und kein Huhn und kein Hahn kräht nach ihnen.
Sexarbeit braucht gesellschaftliche Akzeptanz – dann erledigen sich viele Probleme von allein.