Die Herausforderung als Flüchtlingsdrehscheibe für NRW brachte Dortmunds beste Seiten zum Vorschein. Wesentlichen Anteil daran hatten die zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich Tag und Nacht um die ankommenden Flüchtlinge im Dietrich-Keuning-Haus in der Nordstadt kümmerten.
57 Menschen gründeten in der Nordstadt den „Train of Hope Dortmund e.V.“
„Train of Hope DO(rtmund)“ – „Zug der Hoffnung“ war das Schlagwort, unter dem sich die Hilfe online organisiert hat.
Auch wenn vorerst keine Flüchtlingszüge mehr in Dortmund ankommen, sollen die eingespielten Strukturen und motivierten Helferinnen und Helfer nicht verloren gehen. Sie haben daher jetzt einen Verein gegründet. Der Name, natürlich: „Train of Hope Dortmund e.V.“.
Das Interesse an der Hilfsaktion ist groß: Fast 3000 Menschen sind Mitglied in der gleichnamigen Facebook-Gruppe. 57 Gründungsmitglieder fanden sich im Haus der Vielfalt ein, um dem Verein Leben einzuhauchen.
„Wir wollen die Strukturen, die wir aufgebaut haben, aufrecht erhalten und ausbauen“, betont Fatma Karacakurtoglu, die neu gewählte Vorsitzende. „Dabei wollen wir mit vorhandenen Strukturen und anderen Organisationen kooperieren, um gemeinsam etwas für die Flüchtlinge zu schaffen.“
Der Verein soll eine nachhaltige Hilfe und Hilfsbereitschaft garantieren
„Uns geht es um Nachhaltigkeit und darum, den Schwung mitzunehmen“, ergänzt der neue Vereinsvize Cem Eroglu. Natürlich sei ein Verein ein anderer Rahmen. Denn bisher ist die Gruppe ohne Hierarchien ausgekommen.
Doch daran soll in der praktischen Arbeit auch eine Vereinsstruktur nichts ändern. Sie haben Arbeitskreise mit Koordinatoren gebildet – sie entsprechen denen der Arbeitsgruppen während der Hilfsaktionen im Dietrich-Keuning-Haus.
Auch dort gab es Organisatoren und Koordinatoren, um den Einsatz von rund 200 Helferinnen und Helfern pro Tag zu organisieren. Insgesamt hatten sich mehr als 2000 Ehrenamtliche im Dietrich-Keuning-Haus registriert.
„Dieser Einsatz hat mich stolz und mir Mut gegmacht, die Arbeit anzugehen“, sagt Cem Eroglu. Aus dem Nichts seien funktionierende Strukturen aufgebaut und effiziente Arbeitsabläufe entwickelt worden. „Es lief wie in einem Schweizer Uhrwerk.“ Diesen Schwung wollen die Helfer in den Verein herüberretten.
Flüchtlingskoordination Dortmund :Neue Datenbank soll Hilfsangebote koordinieren
Außerdem haben sie neben der Vereinsseite trainofhopedo.de eine weitere Internetseite im Aufbau: Flüchtlingskoordination Dortmund (FKDO.org).
Hier sollen Ehrenamtliche ihre Angebote einstellen und Einrichtungen ihre Bedarfe melden. Die Seite soll am 8. Oktober ab 16 Uhr online gehen bzw. funktionsfähig sein.
Über die Datenbank sollen Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden. Zwar kann man sich bisher schon bei der Freiwilligen-Agentur, bei den Wohlfahrtsverbänden oder auch direkt bei den Einrichtungen melden.
Aber viele Hilfsangebote von Ehrenamtlichen werden teils über Monate nicht abgerufen, weil die Einrichtungen durch die täglichen Belastungen und Herausforderungen dafür kaum oder zu wenig Zeit haben. Hier wollen die Ehrenamtlichen in die Bresche springen und diesen Organisations- und Koordinationsaufwand abfedern.
Aktive haben bewiesen, dass sie ein passgenaues Hilfenetzwerk aufbauen können
„Der Bedarf ist da, ob der Rat das wahrhaben will oder nicht“, betont die neue Vereinsvorsitzende. Denn die Forderung nach einer stadtweiten Flüchtlingskoordination wurde abgeblockt.
„In anderen Städten wird das gemacht und auch gut genutzt. Wir brauchen das auch in Dortmund“, erklärt Karacakurtoglu.
Der Vorteil: Die Aktiven haben gezeigt, wie sie binnen Stunden ein komplettes Hilfesystem auf die Beine stellen können – ohne die traditionellen Organisationsformen und Hilfsstrukturen.
Sie haben über soziale Netzwerke – die ihrem Namen wirklich alle Ehre gemacht haben – passgenaue Hilfsaufrufe gestartet und sie – bei Erreichen der Ziele – gestoppt. „Das hat gezeigt, dass die Koordination funktionieren kann“, so Fatma Karacakurtoglu.
Verein bietet ein großes Betätigungsspektrum – von der Jugendarbeit bis zur Umzugshilfe
Der Verein ist schon breit aufgestellt: Jugendangebote, Dolmetscher-Einsatz, Sachspenden-Koordination (Kleider und Nahrungsmittel), Lagerung und Logistik, Flüchtlingsintegration (auch Sprachkurse), das Flüchtlings-Café im DKH und die Koordination der Ehrenamtlichen selbst sind Arbeitsgruppen.
Dazu kommen noch die Arbeitsfelder Umzugshilfe für Flüchtlinge, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie der Bereich Kunst, Kultur und Sport. Eine Ausdifferenzierung der Gruppen ist gewünscht.
„Wir haben bewusst einen unabhängigen Verein geschaffen. Dort können sich Helfer registrieren und Organisationen Bedarfe anmelden. Außerdem können darüber Push-Nachrichten verschickt werden“, verdeutlicht Cem Eroglu.
Kein Hilfsangebot soll verpuffen oder nicht abgerufen werden: „Es ist ein unheimliches Scheiß-Gefühl, wenn Du Helfer wegschicken musst.“
In der Not konnte die Nordstadt ihr großes Potenzial unter Beweis stellen
Die Offenheit der Strukturen habe Menschen zum Mitmachen motiviert und organisiert, die ansonsten nicht den Weg in klassische Hilfsorganisationen fänden.
Und das Besondere: Die Nordstadt habe eindruckvoll bewiesen, welche Kraft und welches Potenzial in ihr steckt, verdeutlicht Levent Arslan, der stellvertretende Leiter des Stadtteil- und Kulturzentrums der Nordstadt.
„Ich habe um 21.22 Uhr den Anruf bekommen, dass nachts Flüchtlinge kommen. Um 22 Uhr war ich im Dietrich-Keuning-Haus und um Mitternacht waren allein 70 ehrenamtliche Dolmetscher da“, freut sich Arslan.
Jetzt, wo die Netzwerke stehen, könnten binnen vier Stunden bis zu 2000 Leute versorgt werden, sind sich die Vereinsmitglieder sicher. „Ohne die Nordstadt wäre es nicht möglich gewesen, so viele Dolmetscher in so vielen Sprachen zur Verfügung zu haben“, sagt Arslan.
Eine Besonderheit, die er von Journalisten aus dem In- und Ausland rückgekoppelt bekam. „Die Leute sind direkt aus der Nachbarschaft zum Helfen gekommen. Das klappt nur hier“, freut sich der DKH-Vize.
Gemeinschaftliches Anpacken – über alle Grenzen und Religionen hinweg
„Das Miteinander war toll. Alle Nationalitäten haben gemeinsam angepackt“, freut sich Cem Oroglu.
Das Besondere: „Sehr viele Migrantinnen und Migranten konnten sich direkt einbringen“, verdeutlicht die neue Vereinsvorsitzende.
Sie wüssten oft nicht, wie sie sich bei den bestehenden Strukturen einbringen können. „Das hier war so offen und einmalig, weil neben der Mehrheitsgesellschaft die Communities direkt mitmachen konnten.“
Vom Übersetzen bis zum Essen: Alle Hilfen waren gefragt – unabhängig von Religion, Hautfarbe und Nationalität, unterstreicht Justo Moret, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender des neuen Vereins. „Bei allen Kriegen der Welt – wir haben hier Frieden gelebt und zusammen angepackt.“
Gänsehautgefühl: Das neue Kapitel der Stadtgeschichte soll lebendig bleiben
Alle Beteiligten bekommen auch heute noch Gänsehaut, wenn sie an die Zeit denken oder die Bilder sehen. „Was hier passierte, ist Stadtgeschichte“, findet Levent Arslan.
Doch die Hilfe soll nicht Geschichte sein, sondern lebendig bleiben. „Es geht um Inklusion und Unterstützung der Flüchtlinge“, sagt Karacakurtoglu.
„Man muss das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Daher wollten wir schnell den Verein gründen.“ Jeder und jede, die sich für Flüchtlinge engagieren wollen, sind herzlich eingeladen Mitglied zu werden. Der Beitrag liegt bei drei Euro im Monat.
Weiterführende Links:
- Mehr Informationen über den Verein gibt es unter www.trainofhopedo.de oder per E-Mail: info@trainofhopedo.de
- Die Hilfsangebote und Bedarfe können ab dem 8. Oktober ab 16 Uhr unter fkdo.org eingestellt werden.
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