
Unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland“ versammelten sich am Samstag (26. April 2025) rund 800 Demonstrierende in Dortmund. Die Teilnehmenden aus dem Querdenker-Spektrum forderten Frieden und kritisierten die Regierung. Neonazis der „Heimat Dortmund“ nahmen mit einem Transparent an dem Aufzug teil. Linke Gegenproteste blockierten zeitweise die Demoroute.
Neonazis der „Heimat“ liefen mit eigenem Transparent mit
„Wir sind das Volk!“ hallte es am Nachmittag durch die Innenstadt. Unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland“ hatten sich mehrere Hundert Menschen aus der Querdenken-Szene vor dem Dortmunder-U-Turm auf dem Platz der Partnerstädte versammelt.

Dort stieß gegen 13.30 Uhr ein Autokorso von rund 30 Autos zu den mehr als 400 Demonstrierenden. Auch eine große Gruppe von rund 50 Neonazis reihte sich in den Aufzug ein. Sie hielten ein Transparent der „Heimat Dortmund“, ehemals „NPD“ und „Die Rechte“.
Unter ihnen waren neben jungen Rechtsextremist:innen der neuen Gruppierungen „Jung und stark“, „Deutsche Jugend voran“ und „Deutsche Elite Jugend“ auch Kaderfiguren wie Sascha Krolzig, Verleger des rechtsextremen „N.S.-Heute“-Magazins.
Deutschlandflaggen, Friedenstauben und Verschwörungsideologien
Ein Rechtsextremist wurde bei der Anreise von Personen aus dem „augenscheinlich linken Spektrum“ am Kopf verletzt. Er sei mit Glasflaschen beworfen worden, teilt die Polizei mit.

Neben Deutschlandflaggen und starker Kritik an Medien und Politik waren bei der Demonstration auch Verschwörungsideologien präsent. Eine davon: Der „Great Reset“, der dem Weltwirtschaftsforum (WEF) unterstellt, ein „groß angelegtes Projekt der globalen Polit- oder Wirtschaftselite“ zu sein.
Das Ziel: „Traditionelle gesellschaftliche Strukturen zerstören und eine sogenannte ,Weltregierung’ errichten“, wie der Verfassungsschutz auf seiner Website erklärt.
Linker Gegenprotest hielt den Aufzug zeitweise auf
An unterschiedlichen Stellen in der Dortmunder Innenstadt versammelten sich linke Gegendemonstrant:innen. Noch vor Beginn des rechten Aufmarsches hielt die Polizei rund 450 linke Demonstrierende am Eisenmarkt/Ecke Silberstraße an. Dort prüfte die Polizei „weitere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Sicherheit von Versammlungsteilnehmenden und Unbeteiligter“.

Aus den Kooperationsgesprächen mit den Verantwortlichen habe sich eine Folgeversammlung ergeben, die in Richtung des Platzes der Alten Synagoge zog, erklärt die Polizei. Dort wurde die Versammlung um 16.20 Uhr für beendet erklärt.
Auf dem Südwall vor dem Opernhaus versperrten zwischenzeitlich vier Sitzblockaden die Demo-Route des rechten Aufmarsches. Die Polizei drängte den Gegenprotest auch unter Einsatz „einfacher körperlicher Gewalt“ zurück, um ein Aufeinandertreffen der Lager zu verhindern.
Zwei Hitlergrüße: Polizei leitet Strafverfahren ein
Trotzdem führte sie die Teilnehmenden des Querdenken-Aufzugs teils unmittelbar an den antifaschistischen Sitzblocken vorbei. An der Spitze demonstrierten rund 800 Teilnehmende „gemeinsam für Deutschland“.

Nach einem kurzen Fußweg vom Startpunkt am U über den Südwall versammelten sich die Teilnehmer:innen der Querdenken-Demo zur Abschlusskundgebung vor dem Rathaus auf dem Friedensplatz, wo sich junge Rechtsextremist:innen medienwirksam zu inszenierten versuchten.
Die Versammlung wurde um 16.39 Uhr beendet. Während der Versammlung seien zwei „Hitlergrüße“ gezeigt worden, so die Polizei. Entsprechende Strafeverfahren wurden eingeleitet.
„Gemeinsam für Deutschland“: Demo mit 1.500 Teilnehmenden am 26. April in Dortmunder City
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Reaktionen
Bettina Neuhaus
„anhalten“ und „Kooperationsgespräche führen“an der Silberstrasse ist ein ziemlicher Euphemismus für mehrstündiges Einkesseln.
Polizei durchsucht Gaststätte in der Nordstadt nach Angriff auf rechte Versammlungsteilnehmende (PM Polizei Dortmund)
Nach Beendigung der gestrigen Versammlungen in der Dortmunder Innenstadt (Samstag, 26. April 2025) kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Angehörigen der rechten und linken Szene in der Nordstadt.
Gegen 22:55 Uhr wurden drei Personen des politisch rechten Spektrums (eine 20-jährige Frau sowie ein 26 und ein 29 Jahre alter Mann) an der Bornstraße von mehreren Angreifern mit Flaschen beworfen, getreten und mit Reizgas besprüht. Die Geschädigten verletzten sich hierbei leicht und wurden ins Krankenhaus gebracht.
Aufgrund unabhängiger Zeugenaussagen und eigenen Ermittlungen konnte die Polizei davon ausgehen, dass sich die Tatverdächtigen in einem naheliegenden Szene-Treff befinden würden. Die Gaststätte ist als Treffpunkt von linken Szeneangehörigen bekannt.
In Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft wurde die Lokalität umgehend betreten, um Tatverdächtige festzustellen und Beweise zu sichern. Bei der hier vorliegenden „Gefahr im Verzuge“ kann dabei, aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit, regelmäßig von Gesetzes wegen auf die Einholung eines schriftlichen, richterlichen Durchsuchungsbeschlusses verzichtet werden. Die Personalien von möglichen Tatverdächtigen wurden festgestellt, und dazugehörige Beweise sichergestellt. Personen, die offensichtlich nicht im Zusammenhang mit den Vorfällen standen, blieben ausdrücklich von polizeilichen Maßnahmen unbeeinträchtigt. Der polizeiliche Einsatz dauerte insgesamt von 23:00 bis 02:00 Uhr in der Nacht zu Sonntag.
Während der Durchsuchung wurde eine Polizeibeamtin beleidigt. Ein Strafverfahren wurde hierzu eingeleitet. Im Verlauf der weiteren Nacht wurden Personen des vermutlich linken Spektrums zudem noch bei Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien beobachtet. Auch hierzu wurde eine Strafanzeige gefertigt.
Weitere Ermittlungen ergaben, dass die drei Geschädigten ihrerseits für eine Körperverletzung, die sich während der Versammlung ereignete, in Betracht kommen. Der polizeiliche Staatsschutz wird die weitere Bearbeitung übernehmen.
Hierzu der verantwortliche Direktionsleiter Gefahrenabwehr und Einsatz des Polizeipräsidiums Dortmund Achim Stankowitz:
„Für die Polizei Dortmund stellt die Verhütung und Verfolgung der politischen Kriminalität-Rechts, angesichts der erheblichen Folgen der Straftaten für die Opfer oder ganzer Bevölkerungsgruppen, einen besonderen Schwerpunkt in unserer Aufgabenwahrnehmung dar. Nicht ohne Grund haben wir die Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren zu einem behördenstrategischen Schwerpunkt gemacht. Das bedeutet aber nicht, dass wir bei anderen politisch motivierten Straftaten wegschauen. Wir nehmen konsequent unseren gesetzlichen Auftrag wahr und verfolgen jede Form strafbaren Handelns. Erst recht, wenn es um Leib und Leben geht, wie in dem hier vorliegenden Fall der gefährlichen Körperverletzung. Das zeigt sich insbesondere auch an der weiteren Entwicklung, die wir gestern festgestellt haben: als der Verdacht aufkam, dass die drei ursprünglich Geschädigten ihrerseits auch als Tatverdächtige für eine zuvor begangene Körperverletzung in Frage kommen. Auch das wird konsequent weiterverfolgt und ist Teil unserer Ermittlungen.“
Unverhältnismäßiger Einsatz der Dortmunder Polizei am Samstag gegen die Gegenproteste (PM Sonja Lemke, MdB Die Linke)
„Die Polizeiführung in Dortmund hat das Augenmaß für Verhältnismäßigkeit völlig verloren.“ bilanziert Sonja Lemke (MdB Die Linke) ihren Einsatz als parlamentarische Beobachterin am Samstag (26.April). Hunderte Demonstrierende wurden im Bereich der Straße Eisenmarkt mehrere Stunden in der prallen Sonne durch die Polizei festgesetzt, die meiste Zeit ohne Zugang zu Wasser oder Toiletten.
„Erst lange nachdem die Eingekesselten durch eine Anmeldung als Versammlung anerkannt wurde, kam Bewegung in die Situation“ so Lemke weiter. Die friedlichen Demonstrierenden, darunter z.B. die „Omas gegen Rechts“, Naturfreunde und viele andere setzten sich wieder in Bewegung und beendeten mit einer kurzen Demonstration zum Platz der Alten Synagoge den Tag.
„Blockaden rechter Aufmärsche sind ein legitimes Mittel des Protestes“, stellt Lemke fest. „Ich freue mich sehr, dass tausende Menschen dem Aufruf des Bündnisses BlockaDo gefolgt sind und erfolgreich gegen den rechten Aufmarsch protestiert haben.
Lange nach der Versammlung gegen Mitternacht drangen Polizist*innen in die linke Kneipe „Nordpol“ ein und stellten Personalien fest. „Das stellt einen weiteren unzulässigen Einschüchterungsversuch gegen die linke Szene dar“, kritisiert Lemke. „Antifaschismus ist kein Verbrechen, sondern gerade in Zeiten wie diesen Pflicht!“
Fadenscheiniger Polizeieinsatz an linker Kneipe Nordpol (PM Nordpol)
In der Nacht vom 26. auf den 27. April wurden die Gäste der linken Kneipe Nordpol über eine Stunde von der Polizei mit Helmen und Polizeihunden festgehalten. Die Betreiber*innen des Ladens halten das Vorgehen für überzogen.
„Die Polizei hat uns keine schlüssigen Gründe für die Durchsuchung unseres Ladens genannt. Es wurde keine konkrete Gefahr benannt. Wie auch? Im Nordpol saßen Gäste und hatten einen entspannten Abend. Dass die räumliche Nähe zu einer angeblichen Auseinandersetzung genutzt wird, um den Nordpol zu durchsuchen und die Gäste zu drangsalieren, ist eine Frechheit“, kritisiert Kathrin Wischke, Sprecherin vom Nordpol. Das erste Gespräch zwischen Anwesenden des Nordpols und der Polizei fand vor dem Ladenlokal statt.
Schließlich verschaffte sich die Polizei gewaltsam Zutritt zum Laden. Innerhalb kurzer Zeit trafen insgesamt 18 Polizeiwagen an der Bornstr. 144 ein. Die Polizei war behelmt und hatte Polizeihunde dabei. „Es war mehr Polizei als Gäste in unserer Kneipe. Dieses Auftreten war völlig überzogen und ist ein Einschüchterungsversuch, der das politische Handeln der Polizei zeigt“, beschreibt Wischke. Im Nordpol wurden mehrere Personen kontrolliert und fotografiert. „Die Polizei hat wahllos Menschen ihrer Freiheit beraubt und sie einer willkürlichen Maßnahme unterzogen. Es wurden persönliche Daten erhoben und Bilder angefertigt, während den Personen kein Tatvorwurf gestellt wurde und sie keine Möglichkeit bekamen, sich juristischen Beistand zu organisieren.“
Die Polizei gab in ihrer Pressemitteillung an, dass Zeug*innen der angeblichen Tat gesehen hätten, wie Menschen in den Nordpol geflüchtet wären. Vom vermeintlichen Tatort, die vermutlich an der U-Bahn-Station Glückaufstraße stattgefunden hat, kann man den Eingang vom Nordpol überhaupt nicht sehen. Selbst, wenn Leute zum Nordpol gelaufen wären, hätte das niemand sehen können. Auf dem Weg gibt es mehrere Seitenstraßen und einen Park. Die Polizei stellt die Geschehnisse bewusst verdreht dar, um ihren überzogenen Einsatz im Nordpol zu rechtfertigen. Wir werden den Vorfall juristisch prüfen lassen“, kündigt Wischke an. An der U-Bahn-Station Glückaufstraße fand zeitgleich zum Einsatz am Nordpol ein polizeilicher Einsatz statt. Wischke kritisiert weiter: „Den ganzen Tag über zogen gewaltbereite Gruppen von Neonazis ungehindert durch die Innenstadt und später die Nordstadt. Als es dann spät in der Nacht tatsächlich zu einer Auseinandersetzung kommt, sucht die Polizei die Verdächtigen ausgerechnet an einem der wenigen Orte, an dem rechte Gewalt regelmäßig thematisiert wird.“
Vor dem Besuch durch die Polizei fand im Nordpol eine Veranstaltung statt, bei der über rechte Übergriffe und Organisierungen in Eisenach in Thürigen informiert wurde. Am Nachmittag stand der Nordpol Teilnehmer*innen der Demonstationen gegen den rechtsextremen Aufzug in der Innenstadt als Ort der Erholung und Entspannung offen.
Der Nordpol ist seit 2013 fester Bestandteil der Subkultur in der Dortmunder Nordstadt. Als nicht-kommerzieller, offener Treffpunkt wird er von einem Verein getragen und ausschließlich von Ehrenamtlichen betrieben. Im Nordpol finden regelmäßig niedrigschwellig kulturelle und politische Veranstaltungen statt. Mit seiner klaren politischen Positionierung tritt der Nordpol für gesellschaftliche Teilhabe und gegen Nationalismus, Rassismus, Faschismus, Antisemitismus, Ableismus, Sexismus und Misogynie sowie Trans*- und Homofeindlichkeit im Stadtteil, in Dortmund und darüber hinaus ein. In der Verangenheit kam es schon häufiger zu rechten Übergriffen, Bedrohungen und Schmierereien am Nordpol und gegen Besucher*innen.
Mehr zum Nordpol: https://nrdpl.org/
Hannah S.
„… Dort prüfte die Polizei „weitere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Sicherheit von Versammlungsteilnehmenden und Unbeteiligter“. Aus den Kooperationsgesprächen mit den Verantwortlichen habe sich eine Folgeversammlung ergeben, die in Richtung des Platzes der Alten Synagoge zog, erklärt die Polizei. …“
Soll das ein Witz sein? Vielleicht Ironie? Eine schöne Beschreibung auf jeden Fall dafür, Menschen ca. drei Stunden, natürlich ohne jede Begründung (jedenfalls war für die Eingeschlossenen keine zu hören) … und ohne Toiletten, lange auch ohne Wasser in der Sonne … usw., und selbst Menschen, die zwischendurch kollabiert sind und denen es offensichtlich sehr schlecht ging, in einem geschlossenen Polizeikessel festzuhalten. Was während dieser drei Stunden „geprüft“ worden sein soll, bis der rechts-verschwörungstheoretische Aufmarsch seine Abschlusskundgebung beendet hat (womit den im Kessel Befindlichen ihr Demonstrationsrecht gegen diesen Aufmarsch entzogen worden ist), ist ein einziges Rätsel.
Sich vielleicht einmal mit dem Thema ‚unabhängiger Journalismus‘ auseinanderzusetzen, wäre ganz angebracht.