
Nach dem abgebrochenen Kreisligaspiel zwischen ÖSG Viktoria 08 Dortmund und BV Viktoria Kirchderne am 16. März befasste sich am Mittwoch (23. April) die Spruchkammer des Fußballkreises Dortmund mit dem Vorfall. Im Fokus steht ein Rassismus-Vorwurf gegen den Schiedsrichter, der während der Partie am 16. März laut Spielern der ÖSG eine umstrittene Aussage getätigt haben soll. Um den Spielabbruch in einer mündlichen Verhandlung aufzuarbeiten, versammelten sich im Vereinsheim des FC Brünninghausen Beklagte, Zeugen, der Schiedsrichter sowie Vertreter der Spruchkammer.
Mutmaßliche rassistische Äußerungen vom Schiedsrichter brachten „Das Fass zum Überlaufen”
Es war eine Partie, die in einer hitzigen Atmosphäre endete und schließlich mit einem Spielabbruch entschieden wurde: Insgesamt wurden 13 Gelbe Karten verteilt, davon drei an Kirchderne und acht an ÖSG Viktoria, sowie zwei Gelb-Rote Karten. Nach dem Ausgleichstreffer ging Kirchderne in der 90. Minute mit 3:2 in Führung. In der Nachspielzeit erhielten zwei Spieler von ÖSG Viktoria die Gelb-Rote Karte. Kurz darauf entschloss sich die Mannschaft von ÖSG, das Spiel in der 95. Minute abzubrechen.

Der Abbruch erfolgte aus der Sicht der ÖSG nach mehreren, als umstritten empfundenen, Entscheidungen des Schiedsrichters. Was laut Kapishan Kamalakumar, dem 1. Vorsitzenden des Vereins, das Fass zum Überlaufen brachte, war eine Aussage des Schiedsrichters: „Bei so Leuten wie euch kann man gar nicht anders pfeifen“, unmittelbar nachdem die zweite Gelb-Rote Karte gegen einen ÖSG-Spieler ausgesprochen worden war.
Auf die Nachfrage von Samir Boudih, Spieler und Geschäftsführer der ÖSG, wie der Schiedsrichter die Bemerkung gemeint habe, soll dieser geantwortet haben: „Es ist doch immer das Gleiche mit euch Leuten“, so die Darstellung der ÖSG-Spieler.
Tim Preuß, Trainer von Kirchderne, bewertete die Leistung des Schiedsrichters in der Verhandlung jedoch wie folgt: „Was die Entscheidungen des Schiedsrichters betrifft, ist es einfach, als Trainer zu sagen, dass der Schiedsrichter gut gepfiffen hat, wenn die Mannschaft zwei Elfmeter und die Gegner mehrere Gelb-Rote Karten bekommen hat. Es gab Entscheidungen, die aus meiner Sicht gerechtfertigt waren, und andere, bei denen man diskutieren könnte. Aber ich möchte nicht jede Szene im Detail durchgehen.“
Schiedsrichter weist Vorwürfe zurück, die Aussagen getätigt zu haben
Schiedsrichter Tim K. wies die Vorwürfe in der Verhandlung zurück: „Ich habe mir noch einmal lange Gedanken gemacht, aber ich habe es definitiv nicht gesagt.“ Spieler der gegnerischen Mannschaft sowie Preuß erklärten, solche Aussagen während des Spiels nicht gehört zu haben.

„Sollte diese Aussage tatsächlich gefallen sein, sehe ich jedoch keine Anhaltspunkte für eine rassistische Äußerung, die die Rasse in den Vordergrund stellt und eindeutig als solche erkennbar wäre“, erklärte Patrick Neumann, Vorsitzender des Sportrichterausschusses. Auch habe er sich mit dem Verbandsport in Verbindung gesetzt, der ebenfalls keinen klar rassistischen Inhalt in den Aussagen feststellen konnte.
Dennoch betonte Neumann, dass eine Beschwerde bezüglich der mutmaßlich rassistischen Äußerungen beim Kreisschiedsrichterausschuss eingereicht werden müsse, da in dieser Verhandlung vor allem der Spielabbruch im Fokus stehe: „Wir behandeln hier den Spielabbruch, nicht die Aussage.“
In Bezug auf die mutmaßlichen rassistischen Äußerungen merkte Neumann an, dass diese auf zivilrechtlichem Weg angegangen werden müssten, insbesondere da dieser Weg laut Kamalakumar bislang noch nicht eingeschlagen worden sei.
Spieler müssen sich dem Vorwurf des grob unsportlichen Verhaltens stellen
Abseits des Spielabbruchs wurden in dem Sonderbericht von Schiedsrichter Tim K. auch gegen mehrere Spieler der ÖSG Viktoria Vorwürfe erhoben. Spieler Selami S. soll nach dem Erhalt seiner Gelb-Roten Karte beim Verlassen des Spielfelds den gegnerischen Spieler mit den Worten „Hurensohn“ beleidigt haben. Selami S. bestritt diese Beleidigung, doch bestätigte der Schiedsrichter, dass er die Beleidigung eindeutig gehört habe und sie dem Spieler zugeordnet werden könne.

Zudem gab es den Vorwurf, dass der Spieler Mohammed B. sich nach dem Spiel vor der Schiedsrichterkabine lautstark über die Schiedsrichterleistung beschwerte und ebenfalls den Begriff „Hurensohn“ äußerte.
Der Schiedsrichter erklärte, die Beleidigung durch die Tür gehört zu haben und den Spieler anhand seiner Stimme identifizieren zu können. Mohammed B. konnte sich nicht zu den Vorwürfen äußern, da er seine Teilnahme an der Verhandlung abgesagt hatte. Ebenso konnten keine Zeugen zu diesem Vorfall Stellung beziehen.
Des Weiteren wurde Kamalakumar beschuldigt, sich nach dem Spiel vor der Schiedsrichterkabine aufgeregt und die Worte „Der Rassist muss aus Deutschland verschwinden“ geäußert zu haben. Kamalakumar wies diese Darstellung jedoch zurück und erklärte, dass er stattdessen gesagt habe: „Rassismus hat hier nichts zu suchen“. Der Schiedsrichter gab an, diese Worte gehört zu haben, während der Zeuge Evans S., Spieler von TuS Hannibal, Kamalakumars Version bestätigte und erklärte, dass er diese Aussage tatsächlich gehört habe.
Boudih und Schiedsrichter schildern Gespräch in der Kabine unterschiedlich
Nach dem Spiel versuchte Samir Boudih sich, laut dem Sonderbericht, „aktiv Zutritt“ in die Schiedsrichterkabine zu verschaffen, um ein Gespräch mit Tim K. zu führen. Auf Nachfrage an Boudih, ob er sich tatsächlich versucht habe, aktiv Zugang zu verschaffen, schilderte der Geschäftsführer, dass er an der Tür geklopft habe und nach der Zurückweisung vor der Tür gewartet habe. Zuvor hatte der Zeuge Evans S. Boudih zurückgewiesen, da der Schiedsrichter aus seiner Sicht einen ängstlichen Eindruck vermittelte.

Schließlich kam es doch noch zu einem Gespräch, um mögliche Lösungen zu finden, wie der Schiedsrichter die Kabine sicher verlassen könne, da sich vor der Tür aufgebrachte Spieler aufhielten.
Eine Möglichkeit für den Schiedsrichter wäre gewesen, die Polizei hinzuzuziehen, was Tim K. jedoch laut seiner Aussage weitestgehend vermeiden wollte. Boudih hingegen erklärte, dass er dem Schiedsrichter versichert habe, dieser werde die Kabine und den Platz sicher verlassen können.
Im Rahmen des Gesprächs habe Boudih dem Schiedsrichter jedoch laut Tim K. gesagt, er solle sich nicht wundern, wenn er, sobald er die Kabine verlasse, „einen aufs Maul bekommt“, und dass Tim K. nur Angst habe, da es sich bei den Spielern der ÖSG um Personen mit Migrationshintergrund handle. Sowohl Boudih als auch Tim K., ordneten das Gespräch jedoch insgesamt als ruhig ein.
Boudih wies jedoch, bevor Tim K. in den Raum gerufen wurde, um seine Sicht erneut zu schildern, darauf hin, dass er diese Worte nicht geäußert habe: „Ich bin empört. Ich kann mit Sicherheit ausschließen, dass ich gesagt habe, dass er sich nicht wundern bräuchte, wenn er aufs Maul bekäme. So zu sprechen, ist weit unter meinem Niveau“, erklärte Boudih.
Spielabbruch führt zu Sperren und Strafen für ÖSG Viktoria
Das Kreissportgericht entschied letztlich, dass das abgebrochene Spiel zugunsten von BV Viktoria Kirchderne gewertet wird. Für den Spielabbruch selbst wurde der Verein ÖSG Viktoria zu einer Geldstrafe in Höhe von 250 Euro verurteilt. In der Urteilsbegründung betonte Vorsitzender Neumann, dass ein Spielabbruch durch eine Mannschaft nicht zulässig sei und einen klaren Regelverstoß darstelle – insbesondere, da die mutmaßliche Äußerung des Schiedsrichters vom Kreissportgericht nicht als rassistisch eingestuft wurde.
Das Verfahren gegen Vereinsvorsitzenden Kamalakumar sowie gegen Geschäftsführer Boudih wurde eingestellt. Dagegen wurde der Spieler Selami S., der nach Erhalt einer Gelb-Roten Karte einen Gegenspieler mit „Hurensohn“ beleidigt haben soll, wegen grob unsportlichen Verhaltens für sechs Meisterschaftsspiele gesperrt. Mohammed B., dem vorgeworfen wurde, diese Beleidigung nach Spielende vor der Schiedsrichterkabine ausgesprochen zu haben, erhielt ebenfalls eine Sperre von sechs Spielen.
Zudem wurde der Verein ÖSG Viktoria aufgrund des mangelnden Schutzes des Schiedsrichters nach dem Spiel zu einer Geldstrafe von 100 Euro verurteilt. Nach einem hitzigen Spiel hätten die Gastgeber Ordner zur Verfügung stellen müssen, die den Schiedsrichter in die Kabine begleiten. Da dies nicht der Fall war, wurde eine Strafe verhängt. Die gesamten Kosten des Verfahrens trägt der Verein ÖSG Viktoria.
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