In dieser Nacht ist ein Wort immer wieder zu hören: „Wahnsinn!“ Unzählige Menschen sind in dieser Nacht in Dortmund auf den Beinen, um Flüchtlingen zu helfen.
Als die Menschen hörten, dass ein „Zug der Hoffnung“ mit Flüchtlingen aus Ungarn nach Dortmund kommen würde, brachten sie spontan kubikmeterweise Sachspenden und Lebensmittel zum Hauptbahnhof. Sie wollen helfen, die Flüchtlinge willkommen heißen, die Nazis in ihre Grenzen weisen und zeigen, dass Mitmenschlichkeit und Menschenwürde in Dortmund eine große Rolle spielt.
Dortmund ist gut gerüstet – Krisenmaschinerie läuft auf Hochtouren
Anders als in anderen Städten gab es in Dortmund keinerlei Überforderungstendenzen. Denn der städtische Krisenstab konnte auf bewährte Strukturen zurückgreifen.
Binnen Stunden wurden die Hilfsdienste in Marsch gesetzt. DRK und Feuerwehr bereiteten das Dietrich-Keuning-Haus in der Nordstadt vor. Fußläufig vom Hauptbahnhof gelegen, wurde dort Platz für 500 Flüchtlinge geschaffen.
Allerdings nicht zum Schlafen: Sie sollten dort erst einmal etwas zu Essen und zu Trinken bekommen, damit sie sich nach ihrer tagelangen Odyssee – verursacht durch ungarische Engstirnigkeit, Unmenschlichkeit und Nationalismus – stärken konnten.
Die Dortmunder Hilfsdienste und das Technische Hilfswerk bereiteten auch die Verpflegung der ankommenden Menschen vor. Auch für medizinische Hilfe war gesorgt: Als die ersten zwei Flüchtlingsfamilien mit einem regulären Zug aus München eintrafen, musste ein Kleinkind mit Fieber und einer starken Lungenentzündung ins Krankenhaus gebracht worden.
Enorme Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge in Dortmund
Doch davon bekamen die zahlreichen Dortmunder im Hauptbahnhof und vor dem Nordausgang nichts mit. Dortmund zeigte dort sein schönstes Gesicht.
„Refugees Welcome“, „Welcome to Germany“ und „Welcome in Dortmund“ war auf Schildern und Transparenten zu lesen. Die Unterstützer hatten tonnenweise Hilfsgüter herangeschafft und unzählige Versorgungstüten für die Menschen gepackt.
Die Hilfsbereitschaft war so groß, dass die Feuerwehr einen „Hilferuf“ der besonderen Art startete: Sie begrüßte zwar die gut gemeinte Hilfsaktion der Dortmunderinnen und Dortmunder. Allerdings wurde die Aktion zu einem logistischen Problem, weil der Fußgängertunnel mit Säcken, Kisten und Taschen zugestellt war.
„Bitte bringen sie keine Hilfsgüter mehr mit, wir werden uns gut um die Flüchtlinge kümmern“, versprach Feuerwehr-Sprecher Maik Haalboom.
Warten auf die Flüchtlinge wurde zur Geduldsprobe
Das logistische Problem der Feuerwehr lösten die Menschen derweil selbst: Sie bildeten eine beeindruckende Menschenkette durch die Unterführung und über den Bahnhofsvorplatz. Dann brachten sie die Hilfsgüter in von der Feuerwehr bereitgestellte Transportcontainer.
Über Stunden packten sie mit an – manche bis zur Erschöpfung. Sie wollten unbedingt die Flüchtlinge willkommen heißen. Doch das wurde zur Geduldsprobe: Die Ankunftszeit wurde von 3 Uhr nachts auf 8 Uhr morgens korrigiert. Gegen 5 Uhr hieß es dann „nicht vor 9 Uhr“.
Auch das Team des Keuning-Hauses freute sich darauf zu helfen
Entsprechend war Warten angesagt – auch im Dietrich-Keuning-Haus (DKH).
Daher werden die zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hilfsdienste sich wohl den ganzen Sonntag um die Flüchtlinge im Dietrich-Keuning-Haus kümmern, bis diese landesweit mit Bussen auf Einrichtungen verteilt werden.
Dann werden die Einsatzkräfte aus Dortmund und Hamm noch Verstärkung aus Hagen und dem Märkischen Kreis bekommen. Dies sieht das überörtliche Hilfekonzept des Landes bei Großereignissen vor.
Auch die Polizei wird mit starken Kräften vor Ort sein, um erneute Störmanöver der Neonazis zu verhindern.
Diese hatten in der Nacht eine „Mahnwache“ angemeldet, bei der es zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten kam. Allerdings werden wir das hier nicht vertiefen – es lenkt nur von der großen Hilfsbereitschaft der Dortmunderinnen und Dortmunder ab.
So wie der des DKH-Teams: „Ich finde es gut, dass wir die Menschen unterstützen können“, betonte DKH-Chef Viktor Kidess. Sogar für ehrenamtliche Übersetzer hatte das Team gesorgt und aus dem Freundeskreis und den Gruppen Muttersprachler gewonnen, damit diese für die Flüchtlinge übersetzen können.
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UPDATE:
Insgesamt werden rund 1750 Flüchtlinge sind per Bahn auf dem Weg nach Dortmund. Die Westfalenmetropole ist für sie allerdings nur eine Zwischenstation. Von hier aus werden alle Flüchtlinge auf andere NRW-Städte verteilt. „Innenminister Ralf Jäger hat genügend Kapazitäten bereitgestellt“, sagte Stadtsprecher Hansi Skupsch.
Der erste Zug mit bis zu 150 Flüchtlingen kam am Sonntag um 8.45 Uhr an, der zweite mit mehr als 1000 Menschen um 10.30 Uhr. Ein weiterer Zug mit bis zu 600 Personen ist auf dem Weg. Die Menschen werden im Dietrich-Keuning-Haus versorgt.
(Stand des Berichts: 11 Uhr/wir berichten noch)
Reader Comments
Raymond Lüdtke
Ich bin unglaublich gerührt, es tut so gut auch solche Berichte zu lesen!
Viele Grüße aus Neuss!
dot tilde dot
nach einem ganz grausamen bericht eines freundes aus griechenland gestern tut es unheimlich gut, auch einmal über solch mut machende bilder und worte zu weinen.
danke, dortmund. nicht nachlassen!
.~.
Benny
Danke Dortmund !
Mehr braucht man nicht zu sagen !
Beste Stadt im Pott