Die Tanz-Produktion „richtigfalsch“ erzählt vom Gefühl sich im falschen Film zu fühlen

Tanzbilder einer wirren Welt sind im Tanztheater Cordula Nolte zu sehen

Die neue Spielzeit im Tanztheater Cordula Nolte startet mit der Eigenproduktion „richtigfalsch – Tanzbilder einer wirren Welt“. Foto: Tanztheater Cordula Nolte / Jochen Riese

„richtigfalsch“ – so fühlt sich die Welt an, so fühlt sich so manche:r in seiner Haut. Etwas läuft gehörig schief – aber wie kommen wir da raus? Das Tanztheater Cordula Nolte an der Paulinenstraße im Unionviertel bringt dieses Unbehagen in seiner aktuellen Produktion auf die Bühne. Die nächsten Aufführungen finden am 15. März und am 11. Mai (jeweils 19 Uhr) statt.

Ein zeitloses Stück das exakt in diese Zeit passt

„richtigfalsch“ erzählt vom Gefühl, sich im falschen Film zu fühlen. Verstrickt in Situationen, Gefühle, Umstände, von denen man keine Ahnung hat, wie es eigentlich so weit kommen konnte. So wie in diese schwarze Anzugjacke, die in den Händen der Tänzer:innen mal zur Hose, mal zur Zwangsjacke wird. In einem schwarzem Jackett, als Symbol für Macht, kann man sich aufplustern, größer machen, angreifen – aber vielleicht ist es auch erst die Jacke, die ihren Träger dazu bringt, diese raumgreifenden Gesten der Wichtigkeit zu vollziehen.

Schwarze Anzugjacken symbolisieren Macht. Foto: Tanztheater Cordula Nolte / Jochen Riese

Ein Symbol ist die schwarze Jacke auch für die Arbeitswelt – die Tänzerinnen ziehen sie an und wieder aus, in zigfacher, monotoner Wiederholung, bis zum Umfallen. Oder sie rackern sich gemeinsam ab, führen wetteifernd rhythmisierte Kämpfe auf (Sybille Riese, Alexandra Grothe).

Ausbrüche allerdings sind möglich. Da ist diese Jacke, die nicht passen mag. Zwar scheint sie gut zu sitzen – doch ihre Trägerin (Wiebke Wexeler) fühlt sich sichtlich unwohl, zieht, zupft und zerrt mal am Ärmel, mal am Revers, steckt mit dieser Jacke offenbar in einer ganz falschen Haut – und schafft es am Ende, sich in einem fast gewaltsamen Akt von ihr zu befreien.

Kleider machen Leute – sie machen aber auch Leid

In einer Szene beginnen die am Bügel baumelnden Kleider einer Boutique zu sprechen, stellen sich der in Champagnerlaune shoppenden Käuferin (Sabine Siegmund) vor als „Blutige Hände in Hanoi“ oder „Sonnenaufgang in Bangladesch“ – verführerisch klingende Namen, die Ausbeutung und Kinderarbeit anklingen lassen.

Die Kleider am Bügel einer Boutique beginnen zu sprechen. Foto: Tanztheater Cordula Nolte / Jochen Riese

Dass die Verkäuferin (Birgit Sirocic) dabei am Ende auch noch um den Preis geprellt wird, spielt kaum eine Rolle – den wahren Preis bezahlten eh andere.

Dazu passt die quer über die Bühne gespannte Wäscheleine, an der eine Tänzerin (Monika Heitmeier) fröhlich pfeifend frischgewaschene Weißwäsche aufhängt – die trotzdem blutige Spuren aufweist. Flecken, die offenbar nicht wegzuwaschen sind und die bald auch die Tänzerinnen an sich tragen, denen das Kunststück gelingt, in die an der Leine hängenden Oberteile hineinzuspringen. Irgendwann liegt all die Kleidung auf einem großen Haufen am Boden – günstig erworbener und dennoch teuer erkaufter Wohlstandsmüll.

Wie sind wir da nur hineingeraten?

Hier stimmt etwas nicht, das ist doch nicht normal – das gilt auch für die fröhlichen Minen, die die Tänzerinnen aufsetzen und dabei den Schlager vom „schönen Freudenmädchen“ aufführen, ihn unterlegen mit Bedeutung tragenden Bewegungen – eine gut gelaunt vorgetragene Geschichte vom Unglück einer Frau.

Tänzer Juri Nowodworski performt zu lärmender Kirmesmusik. Foto: Tanztheater Cordula Nolte / Jochen Riese

Und das gilt ebenfalls für die Performance mit acht knallbunten Hula-Hoop-Reifen, die ein Tänzer zu lärmender Kirmesmusik in der Luft hält, befeuert vom umstehenden Partyvolk – die Spaßgesellschaft feiert sich selbst, produziert damit aber nur eine ausgiebige Gähn-Performance (Kirsten Dohmen).

In einer der letzten Szenen besichtigt ein wie aus einer dystopischen Zukunft entsprungener exotischer Vogel Menschheitsmodelle in einer Ausstellung. Die Homo sapiens sind in typischer Haltung dargestellt: die Uhr im Blick, das Handy in der Hand, den Selfie-Stick ausgereckt.

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