Es gibt kein schlechtes Wetter. Es gibt nur schlechte Politik. Das finden auch die 4.700 Menschen, die laut Polizeiangaben am klitschnassen Donnerstagabend (30. Januar 2025) in die Dortmunder Innenstadt kamen. Vor der Reinoldikirche versammelten sich gegen 18 Uhr Demonstrierende, um ihrem Ärger über die Erschütterung der demokratischen Mitte Ausdruck zu verleihen. Am Mittwoch wurde erstmals seit über 75 Jahren ein Beschluss gefasst, der nur durch eine Mehrheit mit der AfD möglich wurde.
Protest gegen den Fall der Brandmauer
Dabei ging es „nur“ um Empfehlungen. Am heutigen Freitag folgt dann aber auch der Antrag zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dessen Durchsetzung ebenfalls mit Hilfe der AfD, aber auch mit Stimmen von FDP und BSW – möglich werden könnte.
Die Absichtserklärung der CDU, die Asylpolitik Deutschlands zum Brandsatz inmitten der heißen Wahlkampfphase zu erklären, sorgt für Wut und Unverständnis in der deutschen Gesellschaft.
Die „Brandmauer“, durch welche sich die demokratischen Parteien vom Rechtspopulismus der AfD distanzierten, wird nun allerorts als gefallen bezeichnet. Am Donnerstagabend demonstrierten auch Dortmunder:innen gegen den Rechts(d)ruck in der deutschen Politik.
Unter dem Motto „Für eine solidarische Gesellschaft. Stoppt die AfD und ihre Helfer:innen“ rufen queere Aktivist:innen zum Aufstand auf. Mit verbaler Peitsche macht die Sprecherin klar, wohin die Reise heute gehen soll. Viel Rede ist von „faschistischen Gelüsten, die lauter werden“ und ihrem „Arsch“, der auf „Grundeis“ gehe, auch wegen der menschenfeindlichen „Law-and-Order“-Ideen von Rot und Grün.
Mit verbaler Peitsche durch die Dortmunder Innenstadt
„Alle sind Teil des Problems“, kreischt die Sprecherin ins Mikro. Und „Alle“ meint auch die Polizei, die an diesem Abend des 30. Januar für Sicherheit der fast 5000 Teilnehmer:innen sorgen soll. Darunter auch viele Kinder, Hunde und ältere Menschen, die sich über den Westenhellweg schieben.
Einigen sind die Aussagen zu radikal und emotional aufgeladen. „Wir sind hier, um gegen Rechts zu demonstrieren, nicht um alle Parteien über einen Kamm zu scheren“, erklärt eine Besucherin.
„Dieses Aufhetzen ist nichts anderes, als was die AfD in ihren Reden macht“, meint ihr Begleiter. Ein anderer beschwert sich: „Die Leute wollen friedlich demonstrieren und nicht radikalisiert werden.“
Der Wert von Worten – Kanzlerkandidat Merz nun unglaubwürdig
Der Wunsch nach mehr Sachlichkeit und weniger Polemik tat dem Willen tausender Dortmunder:innen aber keinen Abbruch, um bis zur CDU-Zentrale am Südwall zu laufen. Dort skandierten die Demonstrierenden „Shame on you, CDU!“ und „Ganz Dortmund hasst die CDU!“.
„Die CDU sollte sich mal auf das ,C‘ in ihrem Namen zurückberufen und sich an christliche Werte in der Asylpolitik erinnern“, meint eine Teilnehmerin.
Sie sei nicht christlich, aber was Friedrich Merz da abziehe, mache ihn jetzt doch „extrem und extrem unglaubwürdig“, meint sie. „Seine Worte von November sind nichts mehr wert.“
Weitere Kundgebungen und Demonstrationen sind geplant
Der Zug schaffte es nach anfänglichen Abstimmungsproblemen mit der Polizei durch die Innenstadt bis zur Abschlusskundgebung an der Reinoldikirche. „Seid ihr bereit, auf viele weitere Demonstrationen zu gehen“, fragte eine Rednerin die Menge zum Abschluss und erntete große Zustimmung.
Insgesamt 26 Organisationen und Verbände hatten zum Protest aufgerufen. In den kommenden Wochen folgen weitere Protestaktionen unter anderem in Essen und Bochum. Eine Liste von deutschlandweiten Demonstrationen gibt es hier.
Eine Kundgebung aus dem eher bürgerlichen Spektrum ist bereits für Februar angemeldet: Der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus ruft für den 19. Februar 2025 in der Zeit von 18 bis 20 Uhr zu einer Kundgebung unter dem Motto „Ein Lichtermeer für Demokratie und Vielfalt!“ auf. Stattfinden wird diese in der Dortmunder Innenstadt auf der Kampstraße in Höhe der Petri-Kirche.
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Reaktionen
Wer einer Gesellschaft schaden will, schürt Ängste! Der Caritasverband Dortmund schließt sich den Warnungen des Deutschen Caritasverbands vor falschen Versprechen in der Flüchtlingspolitik an (PM)
Dortmund / Berlin. „Die aktuelle Tonlage in der Migrationspolitik ist verheerend und schürt nicht nur Ängste, sondern stellt auch Versprechungen in den Raum, die sowieso nicht praktikabel sind“, ärgert sich Tobias Berghoff, Vorstand des Caritasverbands Dortmund.
Auch Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa konstatiert: „Die jüngsten Ereignisse von Magdeburg über Aschaffenburg bis Beelitz verstärken in Deutschland ein Unsicherheitsgefühl, das sich in den letzten Jahren durch Corona, Ukraine-Krieg, Cyberangriffe, Naturkatastrophen und Wirtschaftsschwäche aufgebaut hat.“
Aber jetzt mit populistischen Vorschlägen daher zu kommen, schade den Menschen in Deutschland, so der Dortmunder Caritas-Vorstand. Dauerhafte Grenzkontrollen seien bei der Länge der Binnengrenze sowieso nicht umsetzbar und Schutzsuchende zurück zu weisen, verstoße gegen EU-Recht. Nicht zuletzt schadeten verschärfte Abschiebungen der deutschen Wirtschaft.
„Nicht umsetzbare Forderungen untergraben das Vertrauen in den Staat und Migrantinnen und Migranten erleben Diskriminierung und Gewalt“, ergänzt Oliver Müller, Vorstand im Deutschen Caritasverband. Er betont, dass rechtsstaatliche Garantien und Menschenrechte unverhandelbar sind. „Diese Prinzipien aufzugeben, schwäche den Rechtsstaat und das Vertrauen der Bürger:innen.“
Politik steht jetzt in besonderer Verantwortung und sollte nicht kurzfristig auf unrealistische Forderungen pochen, in der Hoffnung dafür Wählerstimmen zu ernten. Etwas für die Menschen in Deutschland zu tun, bedeutet, „die auskömmliche Finanzierung der sozialen Infrastruktur und den Sozialstaat für alle abzusichern“, so Welskop-Deffaa.