Für diesen Meilenstein erhielt Joseph Murray den Medizin-Nobelpreis

Moderne Medizin: Heute vor 70 Jahren erfolgte die erste erfolgreiche Nierentransplantation

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Das Versagen der Funktionen lebenswichtiger Organe endete lange Zeit mit dem baldigen Tod. Heutzutage lässt sich vieles mit den Möglichkeiten der Intensivmedizin beherrschen. Und durch die Transplantation von Organen kann ein menschliches Leben sogar gerettet werden. Auf dem Weg zu dieser Möglichkeit war die erste erfolgreiche Transplantation einer Niere eine wichtige Etappe.

Große Fortschritte: Das medizinische Wissen verdoppelt sich alle fünf Jahre

Gravierendste Entwicklungen ereignen sich seit dem 19. Jahrhundert für die Humanmedizin. Seither verdoppelt sich das medizinische Wissen bereits alle fünf Jahre. Bald war es möglich, Dysfunktionen oder das Versagen von Organfunktionen mit ansonsten letalem Verlauf zu beherrschen. Die Erkennung und Korrektur von Vitalfunktionsstörungen infolge einer Grunderkrankung durch apparativen Organfunktionsfunktionsersatz war möglich geworden.

Geradezu abenteuerlich waren die Erfindung und die ersten praktischen Einsätze des Trommeldialysegeräts durch den Niederländer Willem Kolff (1911-2009). Mitten in den Jahren des Krieges und der Besetzung durch die Deutschen war ihm die bahnbrechende Erfindung gelungen, mit der 1945 erstmals bei einer Patientin mit akutem Nierenversagen eine Blutwäsche gelang.

Zugleich wurden die ersten Versuche auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin immer weiter ausgestaltet, was besonders seit Mitte des 20. Jahrhunderts in wachsendem Umfang geschieht. Seitdem geht es nicht mehr nur um die Kräfte der Selbstheilung, sondern um die Reparatur stark geschädigter Körper durch den Austausch von Organen.

Auf dem Weg zu erfolgreichen Organtransplantationen

Erste Versuche und Bemühungen um die Transplantation von Geweben und Organen von einem Leib zum anderen reichen zeitlich weit zurück. Schon im Mittelalter versuchte man, körperliche Verunstaltungen durch die Transplantation von Haut zu korrigieren.

Die erste technisch gelungene Nierentransplantation glückte 1902 Emmerich Ullmann, der einer Ziege die Niere eines Hundes verpflanzte. Aber es war ein dauerndes, zähes Ringen, dem sich die Wissenschaftler und Ärzte der damaligen Zeit ausgesetzt sahen, die sich daran gemacht hatten, konkret umzusetzen, was sich schon Völker der Antike vorstellen konnten: Organe des einen Leibes in den Leib eines anderen Lebewesens zu transplantieren. Das war nun technisch möglich geworden, aber der Empfängerleib hörte einfach nicht damit auf, sich gegen das transplantierte Organ zu wehren.

Ullmann war schon damals klar geworden, dass die transplantierten Organe umso länger funktionierten, je näher sich die daran beteiligten Lebewesen standen. Woran nur mochte das liegen? Zunächst glaubte man, dass die Handgriffe der Chirurgen noch nicht optimal vonstatten gingen und probierte in zahllosen Experimenten diesen Mangel zu beheben. Aber die Ursache lag in Wirklichkeit dort, woran noch niemand zuvor gedacht hatte: In der so genannten „Immunreaktion“, die man als solche damals noch nicht erforscht hatte.

Wichtige Grundlage: Erst 1901 benannte Karl Landsteiner die AB0-Blutgruppen als solche

Es mutet unwirklich an, wenn wir uns heute, im einundzwanzigsten Jahrhundert, vorstellen, dass der Pathologe und Serologe Karl Landsteiner erst 1901 die AB0-Blutgruppen als solche benannte, wofür er 1930 den Nobelpreis erhielt. Landsteiner hatte mit menschlichem Blut und Blutseren solange experimentiert, bis ihm eine entsprechende, medizinisch anwendbare Systematik klar geworden war. 1907 konnte ausgehend von Landsteiners Erkenntnissen in den Vereinigten Staaten die erste erfolgreiche Bluttransfusion durchgeführt werden. Man wusste mittlerweile, was sich prinzipiell vertrug und was nicht. Trotzdem vergingen noch viele Jahre, bis der Mechanismus des Immunsystems hinreichend erklärt werden konnte.

Bluttransfusion in einem Lazarett im Zweiten Weltkrieg. Archivbild: Wellcome Library, London CC BY 4.0

Landsteiner forschte indessen weiter und prägte 1921 den Begriff „Hapten“, mit dem Moleküle oder Ionen gemeint sind, die in Kombination mit einem körpereigenen Protein die Antigene bilden, die den Transplantationsmedizinern noch heute einen Strich durch die Rechnung machen können. Die Immunreaktion, mit der ein Körper auf fremde Proteine reagiert, birgt die größte Gefahr für der Erfolg einer Organ- oder Gewebeübertragung.

In den frühen 1940er-Jahren experimentierte Dr. Peter Medawar mit Ratten, um das Immunsystem höherer Tiere und Menschen genauer verstehen zu können. Je ähnlicher sich die Antigene von Spender- und Empfängertier waren, desto geringer fiel die Reaktion der Abstoßung aus. Die Typisierung und das Matchen von geeigneten Gewebeeigenschaften zwischen Organspendern und -empfängern beruht bis heute auf den Erkenntnissen, an deren Zustandekommen Medawars Experimente wesentlichen Anteil hatten.

Der entscheidende Durchbruch gelang schließlich dem australischen Virologen und Immunologen Frank MacFarlane Burnet, der, zusammen mit Medawar, in den 1940er-Jahren endgültig  die Mechanismen des Immunsystems entdeckt, erforscht und beschrieben hatte. Nun war die Basis dafür geschaffen, in den darauf folgenden Jahrzehnten Medikamente zu entwickeln, die es als Immunsuppressiva vermögen, die körpereigenen Abwehrreaktionen eines Körpers nach dem Empfang eines Spenderorgans zu unterdrücken. Damit lässt es sich mittlerweile ohne zu große Beschränkungen der Lebensqualität durchaus bequem leben.

Der Durchbruch: Eine Nierentransplantation unter eineiigen Zwillingen

Als Durchbruch auf dem Weg der Entwicklung der Transplantationsmedizin kann gelten, dass Joseph Edward Murray in Boston am 23. Dezember 1954 die erste erfolgreiche Nierentransplantation gelang. Weil er das Organ zwischen zwei gewebeidentischen Menschen – es handelte sich um eineiige Zwillinge – transplantierte, blieb die gefürchtete Abstoßungsreaktion aus.

Wenige Jahre später (1962) wurde die erste erfolgreiche Transplantation der Niere eines hirntoten Menschen durchgeführt, und danach erstmals Pankreas (1966), Leber (1967), Herz (1967) und Lunge (1968) übertragen.

Murray, der sich schon immer für die Chirurgie begeisterte, wurde 1990 für die „Einführung der Methode der Übertragung von Gewebe und Organen als klinische Behandlungspraxis in die Humanmedizin“ mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt. Die Pioniertaten von einst sind heute bereits weitgehend zur medizinischen Routine geworden.

Die Funktionszeiten der Spenderorgane sind mittlerweile so lang (allein mehrere zehntausend Menschen leben weltweit mit einem transplantieren Herzen), dass eine Organtransplantation für sehr viele Menschen eine absolut annehmbare Option für das Überleben ist.


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