Von Lukas Pazzini
Zahlreiche Interessierte strömten am 20. November zum 1. Demografieforum „Die Zukunft der Vielen“ ins Dortmunder Rathaus. Unter der Moderation des Journalisten Christoph Tiegel fand hier eine breit angelegte Diskussion über die Herausforderungen des demografischen Wandels statt. Konkret sind damit die Veränderungen in der Altersstruktur, die durch sinkende Geburtenraten, eine steigende Lebenserwartung und zunehmende Migration geprägt sind, gemeint.
Herausforderungen für sowohl junge als auch ältere Generationen
Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) eröffnete das Forum mit einer Rede, in der er die Bedeutung des Dialogs über die kommenden Herausforderungen unterstrich. Der OB nahm sich den ganzen Tag Zeit, um den Referent:innen zuzuhören und später mit den vielen Erkenntnissen in die Podiumsdiskussion zu gehen.
Den Auftakt machte der Soziologe Prof. Dr. Aladin El-Mafalaani von der TU Dortmund, der die kritische Lage junger Menschen thematisierte: Rückläufige Bildungsleistungen, ein zunehmendes Krisengefühl und eine Generation, die den Ausnahmezustand als Normalität wahrnimmt, fasst er zusammen.
Besorgt erklärte er: „Wir sind im freien Fall.“ Der Verlust an Stabilität präge eine ganze Generation und fordere die Gesellschaft heraus.
Die Soziologin Prof. Dr. Martina Brandt, ebenfalls von der TU Dortmund, setzte den Schwerpunkt auf die Pflege älterer Menschen: „Wir stehen vor dem Zusammenhalt oder dem Zusammenbruch der Generationsbeziehungen“, betonte sie.
Sie sprach sich dafür aus, das Pflegekonzept lokaler zu gestalten, indem „Community-Based Integrated Care Systems“ stärker gefördert werden, welche Pflege und Gemeinschaft enger verzahnen.
„Caring Communities“ als zukunftsweisendes Konzept
Der Gerontologe und Jurist Prof. Dr. Thomas Klie übte in seinem Vortrag Kritik an der gegenwärtigen Politik und hob die Bedeutung der Pflege als „Interaktionskunst“ hervor. Er lobte die Versorgungssicherheit in Dortmund.
Allerdings betonte er die Notwendigkeit sogenannter „Caring Communities“: Dort sollten Infrastruktur und finanzielle Mittel bereitgestellt werden, damit Gemeinschaften die Pflege übernehmen können.
Die wirtschaftlichen Folgen des demografischen Wandels thematisierte Prof. Dr. Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der Wandel werde erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Bund, Länder und Kommunen haben. Deshalb plädierte er für eine Reform der Schuldenbremse, um notwendige Investitionen nicht zu blockieren.
Als Lösungsansatz Familien ein stärkeres Mitspracherecht geben
Diana Andrä und Tom Schlattmann von der städtischen Statistikstelle der Stadt Dortmund gaben einen Überblick über Dortmunds Bevölkerungsstruktur: Die Babyboomer-Generation dominiert die Altersstruktur und wird auch für die nächsten Jahre ein präsenter Faktor in der Stadt-Demografie bleiben.
Die Stadt Dortmund werde aber in Zukunft wohl durch den Zuzug von jungen Erwachsenen verjüngt.
Im zweiten Teil des Forums sprach der Soziologe Stefan Schulz über die Notwendigkeit, sich auf einen Rückgang der Gesamtbevölkerung vorzubereiten. Da ältere Generationen den Großteil der Wählenden ausmachten, schlug Schulz vor, Eltern das Wahlrecht für ihre minderjährigen Kinder zu geben, um die Stimmenverteilung ausgewogener zu gestalten.
In der abschließenden Podiumsdiskussion kamen verschiedene Perspektiven zu einem offenen Austausch zusammen. Moderiert von Oberbürgermeister Thomas Westphal, der immer wieder auf städtische Projekte verwies, diskutierten Prof. Dr. Martina Brandt, Ali Rahimi vom Care Leaver Netzwerk, Gertrud Löhken-Mehring vom Seniorenbeirat und Stefan Schulz.
Dabei plädierten sie für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen und für Maßnahmen, die den sozialen Zusammenhalt fördern.
OB Westphal blick hoffnungsvoll in die Zukunft
Ein zentraler Diskussionspunkt war Schulz‘ Vorschlag zur Wahlrechtsbefugnis der Eltern, den alle offen aufnahmen. Prof. Dr. Brandt setzte sich für eine gerechtere Verteilung des Wohnraums in Dortmund ein: Große Wohnungen, die oft von nur einer Person bewohnt würden, könnten an beengt lebende Familien vergeben werden.
Schulz ergänzte, dass die junge Generation sowie die Eltern unter den Krisen der letzten Jahre besonders gelitten hätten. Rahimi mahnte an, dass Dortmund mehr Beratungsstellen und Unterstützung für junge Menschen brauche.
Löhken-Mehring wies hingegen auf die finanzielle Unsicherheit vieler Senior:innen hin und forderte eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik ein.
Westphal schloss mit einem hoffnungsvollen Ausblick: Dortmund solle als „Großstadt der Nachbarn“ Vorreiter bei der Bewältigung des demografischen Wandels sein. Zudem versprach er, das Demografieforum im kommenden Jahr fortzuführen, um die Zusammenarbeit auf städtischer Ebene weiter zu stärken.
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