Am „Tag der Suchtberatung“ auf Angebote aufmerksam machen:

Große Gefahr trotz Akzeptanz: Die Caritas bietet Hilfen für Alkoholsüchtige in Dortmund an

Eine Sucht gehört offiziell zu den psychischen Erkrankungen. Quelle: Stockfoto Pixabay

Gesellschaftlich nahezu akzeptiert, doch birgt die Substanz viele Gefahren: Rund 1,6 Millionen Menschen sind in Deutschland alkoholabhängig. Einen problematischen Alkoholkonsum weisen sogar 9 Millionen Menschen auf. Als problematisch wird der Alkoholkonsum bezeichnet, wenn physische oder psychische Beeinträchtigungen, soziale oder berufliche Konflikte oder ein Kontrollverlust der Konsummenge resultieren. Anlässlich des Tags der Suchtberatung (14. November) macht die Caritas Dortmund auf ihr Angebot der Suchtberatung aufmerksam, das ebenfalls Erfolge zeigt.

Umfassendes Angebot bei der Suchtberatung der Caritas

Dass Sucht ein Krankheitsbild darstellt, ist seit 1968 klar. Dennoch verspüren viele Betroffene, besonders Alkoholsüchtige, große Scham, sich Hilfe zu suchen. Hier möchte die Suchtberatung der Caritas Dortmund ansetzen, die neben Alkoholismus auch weitere Süchte behandelt. „Sie werden bei uns nicht verurteilt oder moralisch beurteilt, sondern wir sagen: ‚Super, dass Sie da sind und etwas ändern wollen‘“, erklärt Mattis Kögler, Leiter der Suchtberatung der Caritas.

Mattis Kögler, Leiter der Suchtberatung. Caritas Dortmund

Die Beratungsstelle bietet zwei Hauptangebote: die Beratung und die Therapie. Ziel der Beratung ist es zunächst, den Konsum zu stoppen.

Einige Betroffene kommen bereits mit gestopptem Konsum zur Beratung und möchten diesen mit der Unterstützung der Caritas beibehalten. Die Beratung umfasst unter anderem Gespräche in einer Gruppe, die einmal wöchentlich stattfinden.

„Da muss man keine Kosten beantragen, da können die Betroffenen selbst frei entscheiden, wie oft sie kommen, und wenn sie sich wohlfühlen“, sagt Kögler.

Des Weiteren versucht die Suchtberatung, die Motivation für den Schritt einer Therapie zu fördern. Die Therapie stellt in Köglers Augen die „eigentliche Bewältigung des Problems“ dar, während die Beratung nur ein Vorlauf ist.

Angehörige erhalten bei Bedarf ebenfalls Unterstützung

Viele Teilnehmer:innen des Angebots finden den Weg nicht nur aus eigener Initiative zur Caritas. Häufig nehmen Angehörige zunächst das Problem wahr und drängen die betroffene Person dazu, am Programm teilzunehmen.

Solange die betroffene Person Bereitschaft zeigt, sich darauf einzulassen, sieht Kögler keine Verringerung der Erfolgschancen. Wichtig ist, dass es keine Anpassungsleistung darstellt und dass die betroffene Person ihr Problem klar erkennt.

Der Leidensdruck von Angehörigen ist meist sehr hoch. Quelle: Stockfoto Pixabay

Auch die Angehörigen haben die Möglichkeit, ein separates Beratungsangebot in Anspruch zu nehmen. „Es geht aber nicht darum, was Angehörige noch tun können, damit der Betroffene aufhört. Aber das funktioniert nicht – sie haben schon ganz viel versucht.

In der Angehörigenberatung geht es darum, wie du besser damit leben kannst. Wie kannst du besser für dich sorgen? Es geht um Emanzipation. Als Angehöriger gerät man in eine unheilvolle Dynamik, in der man nur noch wütend wird und nur noch verletzt ist“, erklärt der Leiter der Suchtberatung.

Nicht selten erleben Frauen in alkoholbelasteten Partnerschaften Gewalt. In solchen Fällen möchte die Angehörigenberatung stärken und Optionen aufzeigen, wie sie solche Situationen so gut wie möglich bewältigen können.

Betroffener schafft es mithilfe der Suchtberatung heraus

Eine Person, die die Alkoholsuchtberatung der Caritas in Anspruch genommen hat, ist Malthe Krisch (Name von der Redaktion geändert). Seit 2022 lebt Krisch in Abstinenz und hat durch die Bekämpfung der Sucht an Lebensqualität gewonnen. Der Weckruf, dass er etwas verändern muss, kam jedoch nicht aus dem näheren Umfeld. Vielmehr war er laut eigenen Angaben lange Zeit abgestumpft gegenüber jeglichen Ratschlägen aus seinem Umfeld.

Der Konsum von Alkohol hat schwerwiegende Folgen auf die körperliche Gesundheit. Quelle: Stockfoto Pixabay

Wachgerüttelt hat Krisch schließlich ein Besuch beim Hausarzt. „Gar nicht mal der, den ich schon lange hatte, weil der in Rente gegangen war. Dann ging ich zu einem Neuen, hatte irgendwelche diffusen Beschwerden irgendwo im Leib.

Dann hat der mal diverse Untersuchungen gemacht und mir relativ klar zugesagt: ‚Das ist wie ein offenes Buch, wenn ich jetzt Ihre Blutwerte und so weiter sehe’“, erzählt Krisch.

Der Wendepunkt beim Arzt stellt jedoch nicht den Punkt dar, an dem Krisch die Entscheidung traf, das „kontrollierte Trinken“ vollkommen auszuschließen, weil „das können Süchtige nicht“. Das Eingeständnis, nicht „nur ein Problem“ zu haben, sondern Alkoholiker zu sein, kam, als Krisch im Beratungsprozess eigenständig versuchte, ohne Alkohol auszukommen. „Ich habe das 16 Tage geschafft. Nur 16 Tage. Mit größter Anstrengung.“

Der unbemerkte Einstieg in ein problematisches Konsumverhalten

Krisch beschreibt seinen Weg in die Alkoholabhängigkeit als schleichenden Prozess. Das erste Bier, das er als Jugendlicher trank, schmeckte ihm nicht einmal, erzählt er schmunzelnd. Ab den 20er-Jahren nahm der Konsum dann stetig zu – angefangen mit dem gesellschaftlich akzeptierten Konsum, der schließlich ins Gefährliche überging.

Ein Prozess, der einem nicht auffällt, wenn das Umfeld ähnlich gestrickt ist, wie Krisch erzählt. Die letzten zehn Jahre seines Konsums stellten für ihn den Höhepunkt dar, der deutlich eine Suchterkrankung widerspiegelte.

„Es kann auch sein, dass ich, wenn ich so weitergemacht hätte wie vor zweieinhalb Jahren, schon nicht mehr unter den Lebenden weilen würde. So schlimm habe ich es in den letzten Jahren getrieben“, sagt er. Der Alkohol diente Krisch als Medikament, das zum Einsatz kam, wenn es ihm schlecht ging und ihm die Kontrolle entglitt. Kein überraschendes Phänomen, denn laut Kögler dient Alkohol für Süchtige zur Regulation von Emotionen, Anspannungen und Konflikten.

„Es gab mir kurzzeitig etwas, das mich stabilisiert hat. In Zeiten, in denen ich Stabilität mir selbst nicht herstellen konnte.“ Auch in Krischs familiärem Umfeld hatte der Konsum Auswirkungen: „Ich glaube, ich habe viel kaputt gemacht in der Zeit, als ich konsumiert habe. Und ich versuche seit zwei Jahren, das wieder in Ordnung zu bringen, aber das ist schwierig.“

Suchtberatungen eine zentrale Rolle in der Gesellschaft

Laut der Caritas reduzieren Suchtberatungen die Kosten für die Volkswirtschaft um das Siebzehnfache. Es werden dabei Kosten eingespart, die beispielsweise sonst in die medizinische Versorgung von Alkoholsüchtigen fließen würden, erklärt Kögler. Ein Grund mehr, warum die Politik vermehrt solche Beratungsstellen unterstützen sollte:

Aktion: Das Gesundheitsamt macht auf Gefahren des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft aufmerksam. (Archivbild) Foto: Torsten Tullius/Dortmund-Agentur

„Ich würde mir einfach wünschen, dass die Politik nicht immer nur das Geld und die Wirtschaft fokussiert (…) Also wirklich mal mehr in die Menschen und in die Gesellschaftsmitglieder zu investieren, denn ein sozialer Frieden entsteht nicht nur dadurch, dass die Wirtschaft immer wächst.“

Die Alkoholsucht ist ein gesellschaftlich weit verbreitetes, aber tabuisiertes Phänomen, weswegen laut Kögler viele Menschen nichts damit zu tun haben wollen. Umso wichtiger ist der Bestand solcher Suchtberatungen, deren Aufgabe es ist, „eine Lobby für die Betroffenen und vor allem für die sekundär Betroffenen zu sein.“

Ein achtsameres Leben ohne die Alkoholsucht

Die positiven Effekte der Suchtberatung erlebt Krisch seit zweieinhalb Jahren täglich. Ein besserer Umgang mit Menschen und die Fähigkeit, eigene Entscheidungen frei zu treffen, gehören unter anderem dazu.

Wo er früher das Glas ansetzte, wenn Schwierigkeiten ihm begegneten, beherrscht er nun neu gewonnene Bewältigungsstrategien.

Verdrängung gehört dabei nicht mehr zur Beseitigung der Konflikte: „Ich weiß, wo die Baustellen sind. Ich achte auf gewisse Anzeichen. Ich muss jetzt echt aktiv dafür sorgen, was jeder tun muss. Aber wir vergessen es schon mal (…) Das ist ein Prozess, der hört nicht auf“, berichtet er.

Krisch versichert positive Therapiechancen bei einer Alkoholsucht

Die Therapiechancen bei Alkoholsucht stehen sehr gut, wie Krisch erzählt. Ein Drittel der Menschen, die in eine qualifizierte Entgiftung gehen, schaffen es nach dem ersten Mal, dauerhaft abstinent zu bleiben, so Krisch. Ein weiteres Drittel schafft es nach dem zweiten Mal in der Klinik. Es ist dabei nie zu spät, den Kampf gegen die Sucht anzugehen. „Auch mit 70 kann man es noch schaffen“, sagt Krisch.

Um den Kontakt zur Suchtberatungsstelle der Caritas aufzunehmen, muss nicht zwangsläufig eine Sucht vorliegen, erklärt Kögler. Auch ein leicht- bis mittelgradiger oder schwergradiger problematischer Konsum reicht aus, um das Angebot in Anspruch zu nehmen.

Wenn Sie sich über die Suchtberatung der Caritas oder die Angehörigenberatung informieren möchten, finden Sie die entsprechenden Kontaktdaten im folgenden Link: Caritas.de


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