Das Interesse für duale Ausbildungsberufe steigt unter den jungen Menschen. Die Summe der abgeschlossenen Arbeitsverträge bestätigt das Phänomen. Auf der anderen Seite ist die Anzahl der unbesetzten Ausbildungsplätze 2024 beachtlich gestiegen. Wo einst Bewerber:innen Schlange standen, müssen nun Betriebe Interessent:innen für sich gewinnen. Vertreter:innen der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer (HWK), der Agentur für Arbeit und vom IT-Systemhaus “GREEN IT“ ziehen eine Bilanz zum Ausbildungsmarkt in Dortmund.
Zunehmend unbesetzte Ausbildungsstellen in Dortmund
Der Ausbildungsmarkt der HWK Dortmund erfreut sich in diesem Jahr an einem Zuwachs neuer Azubis. „Für Dortmund haben wir ein sehr erfreuliches Ergebnis“, berichtet Olesja Mouelhi-Ort, Geschäftsführerin der HWK. Im Vergleich zum Vorjahr liegt ein Anstieg von 3,1 Prozent bei den neuen Ausbildungsverträgen in Dortmund vor – ein Wert, der sogar höher als die Vor-Corona-Zahlen ist. Zum Vergleich: 2019 wurden 809 Ausbildungsverträge in Dortmund abgeschlossen, 2024 sind es nun 823.
Im Gegensatz dazu sind die Zahlen bei der IHK überwiegend stabil geblieben. Zwar ein positives Zeichen, doch gleichzeitig fällt ein Rückgang der Bewerberzahlen auf.
Rund 3.439 Personen haben sich in diesem Jahr allgemein auf eine Ausbildungsstelle beworben – das sind 9,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings liegt diese Zahl unter der von 2022, als 3.548 Bewerber:innen registriert wurden.
Trotz der steigenden Bewerbungszahlen bleibt ein erheblicher Teil der Ausbildungsplätze unbesetzt. Rund 620 Lehrstellen in Dortmund sind aktuell noch nicht vergeben – 20 Prozent mehr als im Vorjahr.
Dort blieben etwa 514 Stellen unbesetzt. Auch die Zahl derjenigen, die am Ende des Berichtsjahres noch aktiv einen Ausbildungsplatz suchten, ist leicht angestiegen, berichtet Heike Bettermann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Dortmund.
Beliebte Ausbildungsberufe bleiben weitgehend gleich
Die Rangliste der beliebtesten Ausbildungsberufe hält sich seit Jahren gleich. Spitzenreiter bleiben im Jahr 2024 weiterhin die Berufe „Verkäufer:inn allgemein“, „Kaufmann/-frau im Einzelhandel“ und „Bürokaufmann/-frau“. Einige Veränderungen unter den beliebten Ausbildungsberufen sind laut Mouelhi-Ort dennoch entnehmbar:
„Wir haben ja gesehen, dass der Bau- und Ausbaubereich deutlich an Konjunktur verloren hat, also deutlich Einbußen bei der Erwartungshaltung hinsichtlich der geschäftlichen Entwicklung erfahren hat.
Und das spiegelt sich natürlich auch in den Zahlen des Ausbildungsmarktes wider, wo wir ebenfalls Einbußen hinnehmen müssen.
Im Gegensatz dazu ist der Beruf des Kfz-Mechatronikers weiterhin einer der beliebtesten Berufe unter den Top 10. Hier haben wir eine bessere Konjunktur und eine positivere Erwartungshaltung hinsichtlich der Geschäftslage.“
Trotz der anhaltend hohen Nachfrage in diesen Bereichen betonen die Vertreter:innen die Wichtigkeit, dass junge Menschen auch die anderen Ausbildungsberufe kennenlernen. Dazu beitragen sollen sogenannte “Erkundungstage”, in denen die Jugendlichen in drei Betrieben ihrer Wahl einen Tag dabei sein können. Zusätzlich meldeten sich in diesem Jahr insgesamt 3.239 junge Erwachsene bei der Berufsberatung im Jugendberufshaus Dortmund und ließen sich zur Ausbildungssuche beraten – 9,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Förderung von Migrant:innen ist von Nöten
Der Anteil der Absolvent:innen eines Hauptschulabschlusses ist um 7,3 Prozent gestiegen, worunter sich vermehrt Migrant:innen ohne deutsche Staatsbürgerschaft befinden. Sie werden ebenso in den Dortmunder Arbeitsmarkt integriert, wobei ein Zuwachs von 31,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erkennbar ist. Das größte “Handicap”, wie Bettermann es bezeichnet, ist dabei die Sprachbarriere. Besonders die Fachsprache der Ausbildungsberufe stellt dabei eine Herausforderung dar.
Eine mögliche Lösung für dieses Problem sind die vom BAMF angebotenen Sprachkurse in Fachsprache, die parallel zur Ausbildung absolviert werden können und auch online verfügbar sind.
Laut Bettermann muss diese Möglichkeit stärker publik gemacht werden, da sie eine Chance ist, den sprachlichen Anschluss zu finden und den Einstieg in die Ausbildung zu erleichtern.
Betriebe müssen langfristig Anpassungen vornehmen
Florian Stäwen, Chief Financial Officer der GREEN IT das Systemhaus GmbH, berichtet von einem deutlichen Anstieg der Bewerbungen für 2024: Das Unternehmen verzeichnete einen Zuwachs von 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit dem 1. August konnte GREEN IT bereits 18 neue Auszubildende begrüßen. Wichtig ist dabei der ständige Dialog mit den Azubis, um die Bedürfnisse und Erwartungen abzudecken. Eine zentrale Frage für junge Menschen ist, welche „Benefits“ aus dem Ausbildungsprogramm gezogen werden können, wo die Betriebe anknüpfen müssen, laut Stäwen.
Der Fokus auf Nachhaltigkeit bei GREEN IT, wofür das Unternehmen einsteht, ist ein zentraler Punkt, der viele Azubis anzieht. Vermehrt suchen junge Menschen nach “Grünen Berufen“, die im Einklang mit ihren persönlichen Werten stehen. Für Stäwen ist die Identifikation der Auszubildenden mit den Werten des Unternehmens ein „Meilenstein“, um qualifizierte Mitarbeiter:innen langfristig zu gewinnen.
Diesen Ansatz bestätigt auch Steffen Lindtner, Azubi bei GREEN IT. Neben der öffentlichen Präsenz und der Qualität des Unternehmens spielte der Fokus auf Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle. Dieser stimmt nämlich mit seinen persönlichen Überzeugungen überein. Das Arbeitsklima und das Engagement für zwischenmenschliche Beziehungen sind ihm ebenfalls wichtig, was durch die After-Work-Events gefördert wird.
Quantität statt Qualität bislang ausgeschlossen
Die Gefahr, dass Betriebe aufgrund der vielen unbesetzten Ausbildungsstellen zukünftig mehr Personen einstellen, um die Lücke zu schließen, ohne auf die passende Qualifikation zu achten, sieht Stäwen nicht.
„Ich glaube, ein Unternehmen wird immer auch auf Qualität achten. Und sie werden jetzt vielleicht tatsächlich mit den Schulabschlüssen arbeiten, die vielleicht nicht ihr erster Wunsch sind, aber ihre Erfahrung damit machen und, wenn es gut funktioniert, dann auch weiterhin solche Schüler einstellen wollen. (…) Wenn jetzt eine Bewerbung reinkommt, bei der die Noten vielleicht nicht ganz die besten sind oder vielleicht auch mal ein Rechtschreibfehler im Anschreiben ist, schauen wir halt, wie viel Mühe sich derjenige gegeben hat, wie viel Leidenschaft er in seiner Bewerbung zeigt (…)“, so Stäwen.
„Wir kennen es ja alle aus eigener Erfahrung: Wenn man früher Stellen ausgeschrieben hat, hat man 50 Bewerbungen auf eine Stelle bekommen. Da hatte man natürlich die Wahl (…) Jetzt bekommt man mittlerweile sehr wenige, sehr magere Bewerbungen. Dann sagt man sich: Okay, dann muss ich halt die Ärmel hochkrempeln. Klar, ich muss einstellen, weil ich meinen Bedarf in der Organisation und im Unternehmen decken muss. Aber dann schaue ich, dass ich den Mitarbeiter intern so entwickle, dass er zu mir passt. Und so wird das auf dem Ausbildungsmarkt auch funktionieren müssen.“
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