„Filmschwestern“ ist ein Filmprojekt, das von Herzen kommt. Von September bis November 2024 lädt die Filmemacherin Mirella Drosten damit hörgeschädigte junge Frauen* und Mädchen* aus der Nordstadt ein, sich mit nur wenig technischem Aufwand dem Medium Film anzunähern. In acht Workshopeinheiten lernen die Teilnehmer:innen wie das Handy zur Filmkamera wird, warum der eigenen Alltag die besten Filmgeschichten liefert und auch, was Untertitel mit Barrierefreiheit zu tun haben. Die Anmeldefrist endet am 09. September.
Filmemachen ist Auseinandersetzung mit eigener Biographie
Mirella Drosten ist Filmemacherin mit Überzeugung. Erst mit Mitte 20 entscheidet sie, sich für den Studiengang Film & Sound an der FH Dortmund einzuschreiben. In ihren dokumentarischen Filmexperimenten zeigt sie nicht nur großes Interesse für Themen aus Feminismus und Politik.
Vielmehr nutzt sie das Medium Film auch für die Auseinandersetzung mit sich selbst. Sie ist aktives Mitglied von „Freie Szene Film“ und ihre Filme laufen auf internationalen Festivals. Beim Internationalen Frauen Film Festival (IFFF) 2023 z.B. zeigte sie ihren Kurzfilm INFINITE JEST im Wettbewerb „Spot on, NRW!“ erstmalig einem größeren Publikum.
Gerade als sie sich selbstständig macht, erhält sie die Diagnose, die ihr Leben verändern soll. Ärzte attestieren ihr einen Hörverlust, der schnell für Einschränkungen im Alltag sorgen soll. Aber das Medium Film beinhaltet mehr Sinne als nur das Hören.
Um aus der Erkrankung Stärke zu schöpfen, verhilft ihr das Filmemachen zu mehr Selbstakzeptanz und der Einsicht, dass der Wunsch nach Chancengleichheit ein persönlicher Kampf ist.
Inklusiv oder exklusiv?: Filmprojekt mit drei Säulen
Die Themen, die sie als Filmemacherin beschäftigen, wurden zum Ausgangspunkt für das niedrigschwellige Workshop-Angebot von „Filmschwestern“. Ihr Mitmachprojekt richtet sich deshalb besonders an Menschen, die Erfahrungen mit Mehrfachdiskriminierung haben.
„Weiblich sozialisierte und in anderer Form diskriminierte Personengruppen werden von der Gesellschaft leise erzogen. Im Patriarchat herrscht aber das Recht des Lauteren“, erklärt Drosten im Gespräch mit Nordstadtblogger und ist überzeugt: „Film kann einen barrierefreien Zugang schaffen und ist gleichzeitig ein Sprachrohr für marginalisierte Personen.“
Als hörbeeinträchtigte Frau stößt sie täglich auf neue Herausforderungen – egal ob im Alltag oder bei ihrer Arbeit an Filmsets, im Schnittraum oder in Seminaren. Als Soloselbstständige aus der Nordstadt weiß Drosten heute, dass sie ihre Herausforderungen auch verwenden kann, um gesellschaftliche Teilhabe zu fördern.
Für mehr Teilhabe – Gegen die Parallelgesellschaft
Sie selbst lebt und arbeitet in einem Stadtteil Dortmunds, in dem sie sich oft selbst als Teil einer Parallelgesellschaft begreift. Mit „Filmschwestern“ möchte sie ein Zeichen setzen, das auf Langfristigkeit ausgerichtet ist. „Ich bin selbst Teil des Problems“, meint sie und erklärt weiter: „Bis jetzt habe ich meine Möglichkeiten nicht wirklich genutzt, um ein positiveres Bild der Nordstadt zu produzieren. Das will ich ändern.“
Die „exklusive“ Zielgruppe soll nicht abschreckend wirken. Denn vom Workshop ausschließen, will sie eigentlich niemanden.
Damit aber der inklusive Gedanke bestehen bleibt, sollten Teilnehmer:innen ihren Wohnort in der Nordstadt haben, im Alter zwischen 14 und 18 Jahren alt sein, sich im besten Fall als FLINTA* (Akronym für Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nicht-Binäre, Trans- und Agender Personen) definieren und/oder Teil der Gehörlosen bzw. Schwerhörigen-Community sein.
„Empowerment ist ein megablöder Begriff“, wirft Drosten ein, ist aber gleichzeitig ein wichtiger Aspekt des Projekts. „Ich möchte jungen Frauen* Mut machen, mutig zu sein.“
Eigene Filmprojekte entwickeln: Acht Workshop-Einheiten und ein Ziel
In acht Workshop-Einheiten werden die Teilnehmer:innen Schritt für Schritt ihre eigenen Filmprojekte entwickeln. Das Pilotprojekt sucht daher nach Interessierten, die mithilfe ihrer Handykamera Themen aus dem Alltag erlebbar machen wollen.
Auch langfristig möchte Drosten damit das kreative Schaffen junger Menschen fördern, die Benachteiligung erfahren – sei es aufgrund von Geschlecht, Sozialstatus oder Behinderung.
Bei regelmäßigen Treffen werden die Filmerzählungen gemeinsam erarbeitet. Durch spielerische Übungen wie dem Führen eines Videotagebuchs trainieren die Teilnehmer:innen den professionellen Umgang mit der eigenen Handykamera.
Gegen Ende des Workshops bekommen die Jugendlichen Einblicke in ein echtes Filmstudio. Das richtige Licht, ein passendes Sounddesign, Requisite und der abschließende Schnitt – all das wird den Teilnehmenden mit Unterstützung von Experten vor Ort näher gebracht.
Kulturbüro stärkt lokale Filmkultur mit Mikroförderung
Unterstützung findet Drosten mit der Förderung des Dortmunder Kulturbüros. Laut der Filmemacherin sollen mit sogenannten Förderungen von dort aus zukünftig mehr Projekte zur Stärkung der vor allem lokalen Filmkultur unterstützt werden. Unersetzlich aber sind die Mittel, die Drosten von der FH Dortmund selbst erhält, denn das Projekt ist gleichzeitig auch Inhalt ihres Abschlussfilms zur Erlangung des Bachelors.
Weil die Mittel in der Regel zweckgebunden sind, möchte Drosten damit eine Medienpädagogin aus der Jugendarbeit mit Gehörlosen und eine Übersetzerin für Gebärdensprache engagieren.
Anmeldung zum Workshop „Filmschwestern“ über Instagram oder direkt per Mail an filmschwestern@gmail.com. Anmeldefrist ist vorerst der 9. September 2024. Der Workshop geht von September bis Dezember. Die genauen Termine und Zeiten werden noch bekanntgegeben.