Im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte ist die erste Einzelausstellung der Dortmunder Künstlerin Fatma Özay zu sehen. Ihre Großformate sind lebensnah, beschäftigen sich mit dem Leben von Gastarbeiter:innen und muslimischen Menschen in Deutschland und in Dortmund.
Das MKK zeigt farbenfrohe Gemälde auf Leinengewebe
Ruhig trägt Fatma Özay die verschiedenen Acryl-Farben auf eine Mischpalette auf. Mit einer kreisenden Bewegung vermischt sie die Farben. Sie hat eine genaue Vorstellung des Farbtons, den sie benötigt, um die Haut ihrer Großmutter abzubilden. Mit einem schmalen Pinsel trägt sie die Farbe auf das riesige Stück Leinenstoff auf.
Zahlreiche Farben und Texturen finden sich auf ihren Werken, Kombinationen aus Acrylfarbe, Ölpastell und Schlagmetall, das glänzende Akzente setzt. „Ich kann meine Werke nicht allzu lange ansehen“, sagt Özay selbst, als sie im Stadt_Raum des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte über die Ausstellungsfläche führt, die ihre Werke schmücken.
Schnell ergänzt sie: „Nicht weil ich sie nicht mag, aber das sind einfach so viele Farben!“ Ihre Arbeiten sind der Inbegriff der Farbvielfalt: Das Königsblau strahlt eine tiefe Ruhe aus, während das Gold des Schlagmetalls versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und das Auge sich in den aufwendigen, farbfrohen Ornamente zu verirren droht.
Die Künstlerin experimentiert gern und findet dabei immer neue Wege der Ausdrucksweise
Zu Beginn ihres künstlerischen Daseins habe sie nur mit Farben experimentiert, doch dann habe sie schnell das Verlangen verspürt, Personen hinzuzufügen, erklärt Fatma Özay. Mittlerweile versuche sie, die Farbvielfalt zu reduzieren, aber das sei ihr bisher einfach nicht gelungen.
Ein immer wiederkehrendes Motiv in Özays Malereien sind Teppiche. Die finde sie sehr spannend, sagt die junge Künstlerin. „Am Anfang meiner Werke steht meist eine Fotografie oder ein Objekt, das können Vasen, Autos oder eben Teppiche sein“, berichtet sie.
Das Format der Malereien ergebe sich im Entstehungsprozess. Zuerst müsse sie das Gewebe grundieren, danach füge sie peu a peu immer etwas Neues hinzu. Nicht selten arbeite sie daher auch gleichzeitig an mehreren Motiven. „Ich finde es langweilig, nur an einem Werk zu arbeiten“, stellt die Dortmunderin fest.
Die Künstlerin legt einen großen Wert auf die Entwicklung und Umsetzung ihrer Werke
Ihr Malprozess sei experimentell geprägt, so verwerfe die Künstlerin häufig grundlegende Elemente und ersetze sie durch neue. Den Prozess beende sie in der Regel nach etwa drei bis vier Monaten, das längste Werk habe aber drei Jahre gedauert.
Großflächige Kunstwerke mag die Künstlerin besonders. „Ich finde Rauminstallationen sehr interessant“, verrät sie. Großformate seien eine Art Vorstufe.
Im Stadt_Raum hängen ihre Werke äußerst unkonventionell, die Leinentücher sind am oberen Rand mit kleinen Klammern an den weißen Wänden befestigt.
Das mache die Malereien nahbarer und zugänglicher, findet Özay und verrät: „Wenn Sie nah an meine Bilder herantreten, werden sie immer kleine Risse, freie Flächen und Radiergummi- oder Bleistiftreste sehen.“
Fatma Özays Werke zeigen zum Teil auch eigene Familienmitglieder
Als Erste aus der Familie studiert Fatma Özay. Deutsch, Geschichte und Kunst auf Lehramt an der Universität in Essen. Lange habe sie darüber nachgedacht, ob sie an einer Akademie Kunst studieren solle, sagt sie. Aufgrund der Unsicherheiten habe sie sich dann für den sicheren Beruf der Lehrerin entschieden. Heute arbeitet sie an einer Schule in Huckarde.
„Ich bin die dritte Generation der Gastarbeiter:innen“, erzählt Özay. Als gelernte Historikerin setzte sich die Künstlerin auch mit der eigenen Migrationsgeschichte auseinander. „Für mich war immer offensichtlich, dass auch Dortmunder eine Geschichte der Gastarbeiter:innen hat“, berichtet die Künstlerin. Aber im Dortmunder Stadtarchiv wurde sie nicht fündig.
Also verwendete Özay zum Teil eigene Familienfotos und Fotografien, die ihr von Fotografen zur Verfügung gestellt wurden. „Ich bin da auf eine Thematik gestoßen, die sehr viel mit Glück und Hoffnung, aber auch Trauer und Angst zu tun hat“, merkt sie an.
Drei Werke vertiefen das Schicksal türkischer Gastarbeiter:innen in Deutschland
Immer wieder greift Özay das Thema in ganz unterschiedlicher Weise auf. Ein besonderer Fokus findet sich in einer Bilderreihe, bestehend aus drei Gemälden, die eine Zeitreihe darstellen. „Zuerst habe ich ein Werk gemalt, dass die Ankunft von Gastarbeiter:innen in München zeigt“, erzählt die Künstlerin.
Auf Gleis 11 im Münchner Hauptbahnhof seien die Gastarbeiter:innen aus der Türkei zunächst angekommen. „Interessant ist, dass sie alle sehr vornehm aussahen. Das waren einfache Menschen, Hirten, die kaum etwas hatten, aber sie haben sich sehr herausgeputzt“, erklärt die Künstlerin. Von dort aus seien die Menschen je nach Bedarf weiter verteilt worden.
Das zweite Bild zeigt eine Familie, die den Heimweg in die Türkei antritt. „Es sind eben nicht immer Erfolgsgeschichten“, stellt Fatma Özay fest. Diesem emotionalen Moment wollte sie einen Raum geben. Dann habe sie gedacht, „Warte mal, es gibt doch auch ein Davor“. Und so sei das dritte Werk entstanden, dass die Abfahrt in Istanbul zeigt.
Museumsleiter und Kuratorin des „Stadt_Raumes“ begrüßen die Ausstellung
„Es ist super spannend Künstler:innen zu finden, die den Prozess so transparent machen“, findet Museumsleiter Dr. Jens Stöcker. Deshalb werde der Entstehungsprozess der Werke den Besucher:innen der Ausstellung in Videosequenzen gezeigt. Weiter erklärt er: „Der Stadt_Raum soll einen Gegensatz zu den regulären, langen Ausstellungen darstellen, er soll das Ganze aufbrechen.“
Nicht immer dient der Stadt_Raum als Ausstellungsraum, er soll auch ein Ort der Veranstaltungen, des Dialogs sein. „Und manchmal gönnen wir uns dann solche Ausstellungen, wie die von Fatma Özay“, sagt Kuratorin Claudia Wagner schmunzelnd.
Und auch die Künstlerin selbst freut sich über ihre erste Einzelausstellung. Lächelnd erzählt sie: „Ich bin sehr dankbar, dass das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte mir einen Raum gegeben hat. Normalerweise stoße ich viel auf Ablehnung. Es ist ein schönes Gefühl, wenn alles so unkompliziert und reibungslos verläuft.“
Weitere Informationen:
- Die Ausstellung „Fatma Özay – Erinnerungstexturen“ ist bis zum 12. Oktober im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte zu sehen.
- Der Eintritt ist frei.
- Immer wieder werden Veranstaltungen, wie Workshops oder Führungen mit der Künstlerin (auch für Kinder) angeboten. Mehr dazu findet sich hier: www.dortmund.de
- Zum Instagram-Account von Fatma Özay geht es hier lang: www.instagram.de
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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Was hat Suppe mit Kunst zu tun? Im MKK geht es um die Kunst von Fatma Özay und Familienrezepte – Noch bis Mittwoch anmelden (PM)
Im Begleitprogramm der Ausstellung „FATMA ÖZAY. Erinnerungstexturen“ wird Suppe gegessen. Im Workshop „Suppe, Brot und andere Lieblingsspeisen“ am Samstag, 14. September, bringt Fatma Özay eine Suppe nach dem Rezept ihrer Oma mit.
Ein Bild aus der Ausstellung zeigt zwei Frauen beim Kochen. Es handelt sich um Özays Großmutter in ihrer Heimatstadt Kütahya, Türkei, und ihre Schwester. Sie bereiten die traditionelle Tarhana-Suppe zu, die für Özay eine besondere emotionale Bedeutung hat. „Diese Suppe begleitet mich seit meiner Kindheit“, sagt sie. Traditionelle Speisen und farbenfrohe Teppiche sind wiederkehrende Motive in ihren Arbeiten.
Gemeinsam Essen und Kunst erleben
Bei der Veranstaltung „Suppe, Brot und andere Lieblingsspeisen. Artist Talk und Erzählcafé“ am Samstag, 14. September von 16 bis 19 Uhr geht es um Kunst und Essen. In einem Artist Talk gibt Fatma Özay zunächst einen Einblick in ihre künstlerische Praxis, bevor anschließend gemeinsam mitgebrachte Lieblingsspeisen gegessen, sich ausgetauscht und neue Kontakte geknüpft werden.
Die Teilnehmer*innen sind herzlich eingeladen, ihre persönlichen Lieblingsspeisen mitzubringen. Diese sollten überwiegend kalt zu genießen sein, da es nur begrenzte Möglichkeiten gibt, Speisen aufzuwärmen. In gemütlicher Runde werden anschließend Geschichten und Erinnerungen rund um die Themen Essen und Lieblingsspeisen geteilt. Erwartet wird ein unterhaltsamer Nachmittag mit Köstlichkeiten und anregenden Gesprächen!
Zur besseren Planung ist eine verbindliche Anmeldung zum Artist Talk und Erzählcafé bis Mittwoch, 11. September, erforderlich. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail an: info.mkk@stadtdo.de. Bitte bei der Anmeldung mitteilen, ob eigene und wenn ja, welche Lieblingsspeisen mitgebracht werden.
Ausstellung „Erinnerungstexturen“ im MKK läuft länger – am Sonntag liest Esra Canpalat (PM)
Die erste Ausstellung der Dortmunder Künstlerin Fatma Özay geht in die Verlängerung – bis Sonntag, 10. November, sind ihre „Erinnerungstexturen“ noch im STADT_RAUM im MKK (Hansastr. 3) zu sehen. Am Sonntag liest Esra Canpalat im Rahmen des Begleitprogramms. Der Eintritt ist frei.
Fatma Özays Kunst beschäftigt sich mit Gastarbeiterinnen und dem Alltag der Musliminnen in Deutschland. Passend dazu ist Esra Canpalat am Sonntag, 13. Oktober, um 15 Uhr zu Gast im STADT_RAUM. Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin thematisiert die Verantwortung der ersten Generation der sogenannten Gastarbeiter*innen für die folgenden Generationen. Im Mittelpunkt ihrer Lesung unter dem Titel „Schreiben heißt auch immer, sich zu widersetzen“ stehen die Geschichten einer Hausfrau sowie einer Arbeiterin und Künstlerin. Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Nesrin Tanç.
Esra Canpalat und Dr. Nesrin Tanç haben Gastarbeiter*innen im Fokus
Esra Canpalat studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Canpalat ist Preisträgerin des Förderpreises Ruhr 2021 und wurde im Literaturwettbewerb „60 Jahre Migration aus der Türkei – Neue Hoffnungen“ ausgezeichnet. Derzeit arbeitet sie an einem Romanprojekt über postmigrantische Erinnerung und intergenerationelle Traumata.
Ihre Kolumne „Vom Rande aus“ erscheint online bei interkultur.ruhr. Dr. Nesrin Tanç ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Mitbegründerin der Kunst- und Kulturstudien Duisburg (KuKstDu e. V.). Sie ist Autorin der Studie „Was ist geblieben? Was bleibt? Erinnern an die sogenannten Gastarbeiter*innen aus der Türkei“ (ifa – Institut für Auslandsbeziehungen, 2021).
Zur Ausstellung: Fatma Özay erzählt Geschichte der eigenen Familie
Die 31-jährige Fatma Özay ist in Dortmund geboren und die erste in ihrer Familie, die studieren konnte. Sie unterrichtet heute an einer Dortmunder Gesamtschule. In ihrer Ausstellung im STADT_RAUM des MKK erzählt sie auch die Geschichte ihrer eigenen Familie, sie selbst lebt hier in der dritten Generation. Özay verbindet verschiedene künstlerische Elemente, Texturen und Medien – wie etwa Fotografien – mit der Acrylmalerei. Bis zum Sonntag, 10. November, sind die „Erinnerungstexturen“ noch im STADT_RAUM im MKK zu sehen.
dortmund.de/mkk