Passend zum EM-Finale begrüßen wir einen besonderen Gast: Jörg Franke, der schon seit 1978 als Schiedsrichter tätig ist, teilt in der fünften Podcastfolge, seine Erfahrungen als schwuler Mann im Fußball. Die Folge thematisiert Anfeindungen, Ausgrenzung, Lösungsvorschläge und außerdem, persönliche Anekdoten aus erster Hand.
„Diese Männerdomäne des Fußballs – Es darf nicht sein“
Jörg Franke spricht darüber, wie sich die Reaktionen verändern, wenn Menschen im fußballerischen Kontext erfahren, dass er schwul ist. Er bemerkt, dass die Reaktionen unterschiedlich ausfallen können, und erklärt: „Unter Spielern ist es vielleicht sogar schwieriger.“ Der Schiedsrichter, der quasi die Rolle des „Chefs“ einnimmt, kann mit mehr Akzeptanz rechnen, als „einer von elf“.
In den letzten Jahren hat sich die Toleranz im Amateur-und Profibereich verändert. Der Schiedsrichter beobachtet eine zunehmend vielfältige Gesellschaft in der es „völlig egal ist, ob du als Fußballer schwul oder als Torfrau lesbisch bist“.
Dennoch macht er deutlich, dass es im Amateurfußball mehr „Anlaufschwierigkeiten“ geben könnte. Vor allem spielt hierbei die finanzielle Sicherheit eine große Rolle, die in erster Linie auf Profispieler zutrifft. Ihr Image liegt „in trockenen Tüchern“, unterstreicht Franke.
Der Vergleich mit dem Thema Rassismus zeigt jedoch deutliche Fortschritte auf. Vor 20 Jahren war Rassismus in deutschen Stadien weit verbreitet, heute ist er verpönt. Bei Homophobie besteht jedoch noch größerer Handlungsbedarf. Männlichen Spielern fällt es meistens schwer sich zu outen: „Diese Männerdomäne des Fußballs – Es darf nicht sein, es kann nicht sein, ist bei den Männern noch ausgeprägter“, kritisiert Jörg Franke.
Bemerkenswerter Geschlechterunterschied auf professioneller Ebene
Laut Franke ist es von enormer Wichtigkeit, schon im Kindesalter das Verbreiten von homophoben Gedankengut zu unterbinden: „schulen würde ich nicht sagen, aber sensibilisieren“. Auch macht er deutlich, dass es nützlich ist, homophobe Beleidigungen und Aussagen keine Beachtung zu schenken „vor 10 Jahren, wenn du „Schwuchtel“ rausgehauen hast, war die Anzahl derer, die gelacht haben größer. Heute merken vielleicht auch diejenigen, die solche, aus ihrer Sicht saloppen Bemerkungen loslassen, dass eigentlich weniger Leute reagieren.“
Davon abgesehen, zeigt sich ein bemerkenswerter Geschlechterunterschied auf professioneller Ebene. Unter Profifußballern gibt es weltweit nur vier offen homosexuell lebende Männer, bei der Frauen-WM 2023 waren 120 queere Personen dabei.
Auf die Frage, warum es zu solch einem enormen Unterschied kommen kann, antwortet Franke: „Es war immer der klassische Männersport, das Männliche, da könnte es eigentlich nicht sein.“ Er betont, dass das Outing für Männer deutlich schwieriger ist.
Die Symbolik der Regenbogenbinde ist ebenfalls ein Thema. „In Bezug auf Katar, wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen.“, meint Franke. Doch vor dem Hintergrund, dass Katar ein stark homophobes Land ist, welches queere Menschen verfolgt und diskriminiert, äußert er: „Ich fand’s unglücklich.“ Der Schiedsrichter führt fort: „Hier hätte man es durchaus anders auslegen können, bei dieser Meisterschaft in Europa, mit europäischen Ländern.“
Akzeptanz in Umkleidekabinen bleibt eine große Herausforderung
Die Akzeptanz in Umkleidekabinen bleibt eine große Herausforderung: „Letztendlich kommt es auf die Akteure an, (…) wenn da das ein oder andere ‚Arschloch’ dabei ist, dann wird’s schwieriger.“ Der Konkurrenzkampf unter Spielern könne die Situation verschärfen, weil Homosexualität und die damit oft verbundene Homophobie Konflikte intensivieren kann.
Jörg Franke bietet in dieser Podcastfolge tiefgehende Einblicke und zeigt auf, dass der Fußball nach wie vor mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat. Obwohl bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen wurde, müsse noch viel getan werden, um Homophobie aus den Stadien und Umkleidekabinen zu verbannen.
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