Zwei Männer, der eine aus Tel Aviv und der andere aus Jericho, waren Feinde. So wie es die meisten Israelis und Palästinenser sind. Aber für diese beiden lief es anders, sie wurden Freunde, überwanden das Trennende und engagieren sich seitdem für den Frieden. Eine gemeinsame, mehrmonatige Vortragsreise führte sie nun auch nach Dortmund. Unter dem Motto „Es gibt einen anderen Weg” gestalteten sie in der Pauluskirche eine sehr gut besuchte Abendveranstaltung.
Der israelische Arzt war Soldat für Israel
Rotem Levin, israelischer Arzt, berichtete als erster von seinem Leben und seiner Entwicklung vom überzeugten Soldaten in den besetzten palästinensischen Gebieten, hin zum Friedensaktivisten. Er erzählt, wie er als Kind die Sprengstoffanschläge auf die öffentlichen Busse erlebte. In der Schule wurde ihm erklärt, dass die Palästinenser dahinter stecken.
„Das Fernsehen und die Schule lehrten mich, dass es die Palästinenser sind, die diese Attacken ausführen. Das war für mich verwirrend, denn es sind doch Menschen. Wie kann es sein, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun, indem sie als Selbstmordattentäter sogar auch sich selbst dabei töten?” Ein Feindbild wurde zu einem Teil seiner Identität.
Levin wurde Soldat. Ohne Zweifel am Sinn seines Handelns versah er seinen Dienst. Erst als er Medizin studierte, lernte er bei einem Seminar in Deutschland erstmals Menschen aus Palästina persönlich kennen, von denen einige zu engen Freunden wurden. Das veränderte für ihn alles.
„Ich war verwirrt und fragte mich, warum ich erst nach Deutschland reisen musste, um eine so grundlegende Erfahrung zu machen. Über die Nakba, also die Vertreibung und Flucht der arabischen Palästinenser während des Palästinakrieges, wusste ich nichts. In den israelischen Schulen wird das nicht vermittelt.”
Nun begann er Arabisch zu lernen und lebte mehrere Monate in der Westbank. Seine Familie verstand diesen Wandel nicht, hielt an den festgefahrenen Narrativen fest. Levin aber engagiert sich seitdem für die Überwindung der kollektiven Traumata von Israelis und Palästinenser:innen. Der gewaltfreie Weg der Veränderung ist für ihn Notwendigkeit und Ziel zugleich, denn: „Waffen lösen keine Probleme!”
Der Friedensaktivist war einst Widerstandskämpfer für Palästina
Auch Osama Eliwat, Mitglied im Vorstand der „Combatants for Peace” und Gründer von „Visit Palestine”, gab einen anschaulichen Einblick in seine Biographie. „Wir sind nicht als Israeli oder Palästinenser hier, sondern als Mensch.” Politische Interessen so Eliwat weiter, dürfen nicht dazu führen, dass wir das vergessen.
Eliwat lebt noch heute in Jericho, jener Stadt in den Palästinensischen Autonomiegebieten am Westufer des Jordan, in der er geboren wurde. Über die Israelis, die er nur als Soldaten kennenlernte, hörte er nur „dunkle Geschichten” von Landnahmen und Vertreibung. Seine Art des Widerstands lebte er zunächst im Sprühen von Graffitis aus.
„Wir hatten ‚Free Palestine‘ an eine Wand gesprüht”, erzählt er. „Ich wusste damals aber gar nicht genau, was Palästina überhaupt ist. Gekämpft habe ich vielmehr gegen diese achtzehnjährigen israelischen Soldaten, die mein Leben kontrollierten.”
Sein jugendlicher Widerstand führte irgendwann zur Bestrafung. „Bewaffnete Soldaten haben uns eines Nachts festgenommen und in Handschellen abgeführt.” Er wurde von einem Militärgericht zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Rückblickend erinnert er sich, wie Hass und Rachegedanken in ihm wuchsen. Erst als er, wieder in Freiheit, die Combatants for Peace kennenlernte und dort Israelis begegnete, die ebenfalls die Besatzung kritisieren, fand er seinen Weg vom gewalttätigem Widerstand zum Engagement für den Frieden.
Gemeinsam wollen sie eine neue Geschichte schreiben
Nun sprechen Osama Eliwat und Rotem Levin gemeinsam in der Pauluskirche. Sie fordern dazu auf, das alte Mindset von Hass und Gewalt hinter sich zu lassen und eine neue Geschichte zu schreiben, in der sich alle Menschen religionsübergreifend zusammenfinden. Friedrich Laker, der für die Paulusgemeinde zuständige Pastor, hatte in seiner Begrüßung bereits hervorgehoben, wie wichtig der Wille zum Frieden für die christliche Ethik ist. „Der Mensch ist nicht unser Feind”, betonte er.
Für den interkulturellen Dialog ist die Pauluskirche ein wichtiger Ort in Dortmund. So war die Kirche an diesem Abend wieder sehr gut besucht. Die Anwesenden verfolgten den Abend mit wachem Interesse und goutierten die Ausführungen immer wieder mit herzlichem Applaus. Eliwat und Levin haben die Menschen erreicht, geradeso wie es der Schauspieler und Musiker Peter Sturm in einem von ihm neu geschriebenen Lied zu Gehör brachte, in dem es heißt: „…finden wir uns wieder, ist die Liebe der Sieg.”
Veranstaltet wurde der Abend von Pauluskirche und IPPNW (Internationale ÄrztInnen für die Verhütung des Atomkrieges – ÄrztInnen in sozialer Verantwortung) in Kooperation mit dem Deutsch-Palästinensischen Länderkreis in der Auslandsgesellschaft, dem Dortmunder Friedensforum, attac Dortmund und der Ev. Erwachsenen- und Familienbildung Westfalen und Lippe.
Reader Comments
Peter Sturm
Guter Artikel, kann aber leioder nicht ausdrucken, obwohl ich den Nordstadtblogger seit Jahren unterstütze.
Nordstadtblogger-Redaktion
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