Breites Bündnis sozialer Initiativen lädt zur Demonstration

„United in Solidarity“: Gegen Vertreibung aus der Dortmunder Innenstadt und an EU-Grenzen

Demonstration am 26. September: Solidarität mit ALLEN Geflüchteten, Refugees Welcome Dortmund
Während die Vorfreude auf die EURO 2024 steigt, macht ein Bündnis sozialer Initiativen in Dortmund auf die Situation von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen und von vulnerablen Gruppen in Dortmund aufmerksam. Archivfoto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Die Fußball-Europameisterschaft und die EU-Wahl stehen ins Haus. Europa feiert sich. Gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der das gesamtgesellschaftliche Klima nach rechts zu kippen droht. Viele Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft. Daher lädt ein breites Bündnis sozialer Initiativen am Samstag, den 8. Juni um 16 Uhr zur Demonstration unter dem Titel „United in Solidarity – gegen Vertreibung aus der Dortmunder Innenstadt und an Europas Außengrenzen“ ein.

Respekt und Wertschätzung statt Diskriminierung und Ausgrenzung

„Wir beobachten mit großer Sorge, dass die gesellschaftliche, institutionelle und profitorientierte Ausgrenzung von eigentlich besonders schutzbedürftigen Menschen zunimmt – sowohl kommunal als auch auf EU-Ebene“, heißt es seitens der Demo-Veranstalter:innen.

„Wir fordern eine Abkehr von dieser Entwicklung. Statt Ausgrenzung von u.a. obdachlosen und geflüchteten Menschen, treten wir für einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit allen Menschen ein!“

In den nächsten Wochen wird Dortmund Teil der Fußball-EM sein. Menschen aus ganz Europa werden in Dortmund zu Gast sein. „Wie viele andere freuen auch wir uns auf eine Zeit europäischer Solidarität und Gastfreundschaft und des gemeinsamen Feierns. Was für die einen das Highlight des Jahres ist, wird für andere ein Albtraum sein“, erklärt Anna Lena E. von Kana den Hintergrund der Demonstration.

Gewalttaten beweisen, dass vulnerable Gruppen besser geschützt werden müssen

„Etwa für obdach- und wohnungslose Menschen, die aus den Innenstädten vertrieben werden, um einen möglichst „sauberen“ Eindruck vorzugaukeln. Dabei sind es genau diese Menschen, die gerade jetzt besonderen Schutz brauchen, wenn man bedenkt, dass bald Scharen oftmals alkoholisierter Menschen durch ihr „Wohnzimmer“ stampfen.“

Anfang April wurde ein 52-jähriger Obdachloser bei einem Polizeieinsatz an der Reinoldikirche erschossen. Foto: Nordstadtblogger-Redaktion

Die Diskriminierung und Entmenschlichung, die obdachlose Menschen erfahren, und die damit verbundene Gewalt, seien gerade nach den jüngsten zwei Tötungen wohnungsloser Menschen und einem Mordversuch an einer weiteren obdachlosen Person überdeutlich.

„Solidarität und Gastfreundschaft – das muss genauso für die Menschen gelten, die auf Dortmunds Straßen leben (müssen)“,so Anna R. von „Face2Face“.

Darum fordere die Initiative einen sofortigen Stopp der Vertreibung von „unliebsamen“ Menschen aus der Innenstadt sowie die Erstellung und konsequente Umsetzung eines (Not-)Konzepts für Gewaltprävention, Schutz und niedrigschwellige Unterbringung von wohnungs- und obdachlosen Menschen in Dortmund, insbesondere in Zeiten von Großveranstaltungen wie der EM.

Heftige Kritik an Betrieb von Notunterkünften durch profitorientierte Unternehmen

Es brauche einen Paradigmenwechsel weg von der reinen Verwaltung einzelner Personengruppen hin zu einem gesellschaftlichen Miteinander, das sich auch in politischen Maßnahmen widerspiegelt.

Die Vergabe des Betriebs von Notunterkünften an profitorientierte Unternehmen wie European Homecare (EHC) sorgt für eine vielfach kritisierte unzumutbare Situation für diejenigen, die diese Angebote in Anspruch nehmen müssen.

Dass EHC nun vom international tätigen Rüstungskonzern Serco übernommen wurde, welcher zusätzlich für den Betrieb von an Internierungslager erinnernde Geflüchteten-Camps bekannt ist (z.B. in Australien), muss als deutliches Warnsignal für die Zukunft auch der Dortmunder Notunterkünfte verstanden werden.

„Darum fordern wir ein Ende der Zusammenarbeit mit Serco/EHC und ähnlichen Unternehmen! Eine menschenwürdige Unterbringung schutzbedürftiger Menschen muss in der Hand des Gemeinwohls sein“, so die Veranstalter:innen.

Rechtsruck in Europa ist tragische Entwicklung für vulnerable Gruppen

„Solidarität und Gastfreundschaft in Europa – wir finden, dass das für alle Menschen gelten muss, unabhängig von ihrer Nationalität“, erklärt Anna F. von „Schlafen statt Strafen“.

Viele Menschen sind durch den Rechtsruck in der europäischen Politik besorgt. Archivfoto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

Gerade jetzt vor der Europawahl würde die Angst vor dem immer stärkeren Rechtsruck der europäischen Politik um sich greifen.

Es sei klar, dass alle marginalisierten Gruppen von wohnungslosen bis hin zu geflüchteten Menschen darunter leiden werden.

Darum fordere das Bündnis eine Abkehr von rechter Rhetorik, die vulnerable Menschengruppen als „Probleme“ bezeichnet, und eine politische Verpflichtung dazu, Ursachen zu bekämpfen, die Rechte aller Menschen zu achten, und Hilfe zu leisten, wo es möglich ist – in Dortmund genauso wie in Europa.

Dortmund darf als sicherer Hafen nicht nur Lippenbekenntnis sein

Schon jetzt habe sich die Situation von Asylsuchenden durch die unlängst verabschiedete Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) deutlich verschärft.

Der Rat der Stadt Dortmund hat beschlossen, die Stadt zum „Sicheren Hafen“ für Geflüchtete zu erklären.
Der Rat der Stadt Dortmund hatte beschlossen, die Stadt zum „Sicheren Hafen“ für Geflüchtete zu erklären. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Die dadurch möglich werdenden Kettenabschiebungen und das „Outsourcen“ der Bearbeitung von Asylanträgen in Drittstaaten sehen nicht nur wir mit großer Sorge. Dortmund bezeichnet sich selbst als „sicheren Hafen“. Das darf gerade im Kontext dieser Entwicklungen kein Lippenbekenntnis bleiben!“

Daher fordere man eine deutliche Verpflichtung zur Solidarität mit Asylsuchenden. Als konkrete Maßnahme vor Ort wird der niedrigschwellige Zugang zu Hilfssystemen auch für „illegalisierte“ Menschen“ gefordert.

Demonstration beginnt am Stadtgarten – Abschlusskundgebung am Fußballmuseum

Mit der Demonstration wolle man an das Recht aller auf ein menschenwürdiges und sicheres Leben erinnern. „Menschen sind keine Probleme, die verwaltet oder aus dem Blickfeld geschafft werden können“, stellt Anna Lena E. von Kana fest.

Grafik: Veranstalter

„Sie sind schlichtweg Menschen, wie du und ich. Wir wollen am 8. Juni unsere Solidarität und unsere Forderungen zeigen und laden alle herzlich dazu ein, sich uns anzuschließen.“

Die Demo wird um 16 Uhr am Stadtgarten beginnen und nach einer kurzen Auftaktkundgebung voraussichtlich über den Wall, an der Thiergalerie und am Kick vorbei über den Westenhellweg zur Reinoldikirche führen.

Dort wird es eine Zwischenkundgebung geben, von der es dann via Freistuhl zu dem Platz an den Katharinentreppen vor dem Fußballmuseum geht. Dort findet die Abschlusskundgebung statt. Vor Ort ist ein Infostand geplant und Kana wird eine „Küche für alle“ anbieten.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation von „Schlafen statt Strafen“, Grenzenlose Wärme, Face2Face, AndersSozial und der Kana-Suppenküche mit der Unterstützung des Solikreis Justice4Mouhamed, der aidshilfe dortmund e.v., dem SÖZ – Sozial Ökologisches Zentrum, der Anarchistischen Gruppe Dortmund, dem Planerladen gGmbH, dem Jugendforum Nordstadt, dem Sozialforum Dortmund und Frau Lose.

Das sind die Hauptforderungen des Bündnisses:

  • Schutz wohnungsloser & vulnerabler Menschen – besonders während der EM!
  • Recht auf Wohnen für Alle & menschenwürdige Notunterkünfte
  • Stoppt Frontex & Ordnungsbehörden! Keine Ausgrenzung und Kriminalisierung von Menschen in Not.
  • Respekt und Wertschätzung statt Diskriminierung, Hetze und Gewalt
  • Keine Festung Europa, Asylrecht achten und verteidigen: Stadt Dortmund als sicherer Hafen!
  • Notunterkünfte / Unterbringung nicht von Rüstungskonzernen und anderen profitorientierten Unternehmen betreiben lassen.

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Reaktionen

  1. „Vertreibung ist keine Lösung“: bodo e.V. befürchtet restriktiven Umgang mit Obdachlosen zur Fußball-EM (PM)

    In gut einer Woche wird Dortmund im Zeichen der Fußball-EM stehen – aber was bedeutet das Großevent für Obdachlose? Nicht viel Gutes, fürchtet der bodo e.V.: Während der Rat zuletzt beschlossen hat, dass das „Lagern und Campieren“ im Stadtraum auch für Obdachlose verboten bleibt, ist beim Ausbau von Hilfsangeboten nichts passiert, sagt bodo-Sozialarbeiter Lutz Rutkowski. „Wir fürchten, dass Vertreibung das Mittel der Wahl sein wird.“

    Bei den Vorbereitungen auf die EM kommen Obdachlose in den Planungen der Stadt offenbar nicht vor. Im Januar hatte die Verwaltung neue niedrigschwellige Übernachtungsmöglichkeiten für obdachlose Menschen angekündigt. Sie wären genau jetzt nötig gewesen, um Schutz-, Schlaf- und Ruheräume während der EM zu bieten. „Wir können nicht erkennen, dass die Verwaltung gehandelt hätte. Weder gibt es neue Übernachtungsplätze noch zusätzliche Hilfsangebote für die EM“, so Lutz Rutkowski.

    Die Lokalpolitik scheint zugleich eine Linie festgelegt zu haben: In der Mai-Sitzung des Stadtrats wollte die Fraktion „Die Linke plus“ die „Ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ändern. Die verbietet nämlich das „Lagern und Campieren“, also auch das Übernachten Wohnungsloser, im öffentlichen Raum. 20 Euro Bußgeld kostete ein Verstoß ‑ Geld, das Obdachlose in der Regel nicht haben. Der Versuch, eine Ausnahmeregelung für Wohnungslose einzufügen, scheiterte im Ausschuss für öffentliche Ordnung und im Rat.

    Hundertfach waren Obdachlose in Dortmund mit solchen Bußgeldern belegt worden. Nach bundesweiter Berichterstattung hatte die Verwaltung den Paragrafen 2018 ausgesetzt und auf Bußgelder verzichtet.

    „Aus unserer Sicht deutet die Ratsentscheidung auch auf die Linie zur EM hin. Wir fürchten, dass der Umgang mit Obdachlosen vor allem ein ordnungspolitischer sein wird“, warnt Lutz Rutkowski. „Vertreibung löst aber keine Probleme. Und wenn es nicht einmal Hilfsangebote gibt, bleibt Wohnungslosen nur, aus dem Stadtbild zu verschwinden oder bestraft zu werden. Das ist keine Sozialpolitik, sondern menschenfeindlich.“

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