Seit Jahren steigt die bürokratische Last im Handwerk. Besonders die kleinen Betriebe haben es schwer. Dort wird jede Hand gebraucht. Aber wenn ständig irgendwelche Formulare ausgefüllt, Papiere archiviert oder Verfahren eingehalten werden müssen, bleibt weniger Zeit für die eigentliche Arbeit. Das bekommen dann auch Kunden zu spüren“, sagte Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund, in seiner Rede beim Jahresempfang der HWK an der Ardeystraße. Zahlreiche Entscheidungsträger aus Handwerk, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Kirchen folgten der Einladung des Kammer-Präsidenten.
Bürokratie hat Auswirkungen auf den Arbeitsalltag und die Gesellschaft
Geplatzte Rohrleitung, die Küche steht unter Wasser und der Handwerker hat keinen Termin mehr frei, weil er mit dem Schreiben von Dokumentationen beschäftigt ist.
Der Betriebsinhaber erklärt seinen Mitarbeitenden, wieder einmal, bei der obligatorischen Fahrunterweisung, dass man bei Dunkelheit doch bitte das Licht am Wagen einschalten sollte.
Bürokratie ist nicht etwas Abstraktes, das nur Unternehmerinnen und Unternehmer angeht. Die ganze Belastung hat direkte Auswirkungen auf den Alltag und die Gesellschaft.
Juristische Formulierungen erschweren die Umsetzung von Vorschriften
Der Kammerpräsident verdeutlichte dies in seiner Rede mit zahlreichen anschauliche Beispielen aus der Praxis, bei denen Handwerkerinnen und Handwerker mehr mit bürokratischen Pflichten anstelle mit ihren eigentlichen Handwerkstätigkeiten beschäftigt sind.
Selbstverständlich seien nicht alle Vorschriften überflüssig, hielt Berthold Schröder fest. Bürokratie habe bis zu einem gewissen Grad ihre Daseinsberechtigung, insbesondere wenn es darum gehe, Rechtssicherheit und Planungssicherheit zu schaffen.
„Die Menge an Vorschriften und Regulierungen hat aber ein Ausmaß angenommen, das schwer zu bewältigen ist. Vor allem, wenn der eigentliche Arbeitsalltag weiterlaufen muss“, so der Zimmerermeister.
Dabei gehe es nicht nur um die Zeit, die man mit dem Ausführen der Vorschriften verbringt. Man müsse diese Vorschriften erst mal verstehen. Zahlreiche Bestimmungen und Vorschriften seien so verfasst, dass man beim Lesen ein abgeschlossenes Jurastudium gut gebrauchen könne.
Die Unternehmen fühlen sich durch die Auflagen kontrolliert
Die Entlastungen aus der Politik seien nicht spürbar bei den Betrieben angekommen. Es gäbe Entlastungspakete sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Die Maßnahmen müssten jedoch viel mehr bei der Praxis ansetzen.
„Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sagen, dass ihnen der Bürokratie-Wahnsinn die Lust an ihrer Arbeit verdirbt. Sie fühlen sich von all den Vorgaben erstickt. Und sie fühlen sich kontrolliert. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Unternehmen dürfen nicht von vorneherein unter Generalverdacht gestellt werden.“
„Das Handwerk bewegt sich immer noch im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel, gestiegenen Preisen und einer unsicheren wirtschaftlichen Lage. Unsere letzte Konjunkturumfrage hat gezeigt, dass sich die Lage bei unseren Betrieben teilweise eingependelt hat“, berichtete Schröder.
Geschäftslage im Kammerbezirk hat sich teilweise stabilisiert
„86 Prozent der Betriebe sind mit ihrer aktuellen Situation zufrieden; im Herbst 2023 waren es ebenfalls 86 Prozent. Das heißt aber nicht, dass alle Schwierigkeiten vom Tisch sind.“ Besonders kritisch beobachte der HWK-Präsident die Lage am Bau.
Seit 2023 prognostiziere er schon eine Verschlechterung. Die hohen Baukosten und die gestiegenen Zinsen würden wie ein Bremsklotz auf die Bautätigkeit wirken.
Die Nachfrage sinke, es würden deutlich weniger Projekte angeschoben. Im Kammerbezirk hätten die Hälfte der befragten Betriebe einen Auftragsrückgang gemeldet.
Das Handwerk bekennt sich ausdrücklich zu Europa!
Abschließend warb der Kammer-Präsident für die Europawahl. „Die Europäische Union steht für Demokratie, Freiheit und die Wahrung der Menschenrechte. Seit über 70 Jahren garantiert sie den Frieden in Europa“, so Schröder.
„Selbst in diesen krisenreichen Zeiten profitiert Deutschland von dem Wohlstand und der Stabilität, die die Europäische Union gewährleistet. Das Handwerk bekennt sich ausdrücklich zu Europa! Wir rufen daher unsere Mitgliedsbetriebe dazu auf, am 9. Juni für ein friedvolles Miteinander und gemeinsame Werte zu stimmen.“
Miss Handwerk Lea Heuer über ihren Weg als Zimmerin
Als Miss Handwerk 2024 vertritt Lea Heuer, Zimmerin in einem Bergkamener Betrieb, das Handwerk ein Jahr lang bundesweit als Botschafterin.
Mit ihrer authentischen Rede beim Jahresempfang beeindruckte sie die Gäste, darunter Wirtschaftsministerin des Landes NRW Mona Neubaur und Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft NRW, und sprach offen über Chancen und Herausforderungen als junge Frau im Handwerk.
„Wir müssen tolerant und offen sein, denn jeder hat seinen Platz im Handwerk verdient. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass sich jeder im Handwerk wohl fühlt, egal welches Geschlecht man hat, wie alt man ist oder wo man herkommt“, resümiert die Zimmerin.
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„Wertvolles Signal für das Handwerk“: Bewertung des Entbürokratisierungspakets der Landesregierung (PM)
Das Landeskabinett hat ein Paket zum Bürokratieabbau beschlossen. Hierzu erklärt Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund:
„Wir begrüßen es, dass das Land Tempo beim Bürokratieabbau macht. Die Betriebe des Handwerks leiden stark unter den umfangreichen bürokratischen Vorgaben. In Zeiten großer Herausforderungen für das Handwerk und die gesamte Wirtschaft durch Dekarbonisierung, demographischen Wandel und Digitalisierung ist es wichtig, beim Abbau von Bürokratie schnell zu spürbaren Entlastungen zu kommen. Daher ist es ein wertvolles Signal, dass die Landesregierung Bürokratie in den Blick nimmt.
Das neue Maßnahmenpaket greift viele der Forderungen auf, die die Handwerkskammer Dortmund in ihrem kürzlich verabschiedeten Positionspapier auflistet. Dazu zählt die Streichung von Berichtspflichten der Wirtschaft gegenüber Landesbehörden, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, aber auch die geplante ‚Beweislastumkehr‘ bei der Schriftform.
Es ist zudem erfreulich, dass das Land weitere Maßnahmen prüfen und in einem nächsten Schritt beschließen möchte. Das ist der richtige Weg. Denn um spürbare Entlastungen zu erreichen, bedarf es eines kontinuierlichen Prozesses von Abbauschritten. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“
Zum Positionspapier der HWK Dortmund geht es hier:
hwk-do.de/buerokratieabbau