Von wegen demotiviert, interessenlos und Social Media fixiert

Jugendliche aus Dortmund beweisen beim „Bürgerforum Nord trifft Süd“, was in ihnen steckt

Das nächste „Bürgerforum Nord trifft Süd“ findet am Mittwoch, 28. August in der ParkAkademie im Westfalenpark statt. Foto: Planerladen

Niedrig wie selten zuvor war der Altersdurchschnitt der Besucher:innen und Podiumsgäste beim Bürgerforum Nord trifft Süd im Mai in der Auslandsgesellschaft. Auf Einladung der Planerladens und der Auslandsgesellschaft berichteten junge Menschen von ihren Projekten, Vereinen und Engagement. Gemeinsam mit dem Moderator Kay Bandermann rückten sie das gängige Vorurteil, dass die Jugend heutzutage interessenlos und zu sehr auf Social Media fixiert sei, zurecht.

Seit über 40 Jahren jugendliches Engagement beim Zirkus Fritzantino

Junge Menschen sind begeisterungsfähig und keineswegs demotiviert. Das zumindest zeigt der Jugendzirkus Fritzantino seit mittlerweile über 40 Jahren. Etwa 60 bis 70 Personen umfasst das Ensemble, 200 Kinder die „Grundlagengruppe“ – und die Warteliste ist lang.

Seit über 40 Jahren gibt es den Jugendzirkus Fritzantino. Archivfoto: Kyra Usielski

Um Mitglied zu werden, muss man sich Jahre im Voraus anmelden. Das alles zeugt davon, wie beliebt der Kinder- und Jugendzirkus weiterhin ist.

Dies überrascht nicht, denn wie Jonathan Augst, der mittlerweile seit über acht Jahren Teil des Ensembles ist, berichtete, sind seine Freund:innen oft erstaunt und baff, wenn er ihnen Fotos und Videos der Auftritte zeigt.

Taka Westermann ist als Artistin und Trainerin mittlerweile nahezu täglich im Fritz-Henßler-Haus, wo der Zirkus seinen Sitz hat. Ein intensiver Einsatz, den sie aber gerne zusammen mit einem großen Teil ihres Freundeskreises und ihrer „zweiten Familie“ verbringen kann.

Auch bei den Jugendfeuerwehren ist das Interesse der jungen Menschen groß

Jugendfeuerwehrleute im Einsatz. Archivfoto: Karsten Wickern

Erst im September findet der nächste Auftritt von Dortmunds bekanntestem Kinder- und Jugendzirkus statt, doch da dieser in den Sommerferien meistens Mitmachaktionen anbietet, können interessierte Kinder schon hier in die Arbeit des Zirkus reinschnuppern.

Die Feuerwehr ist für Kinder immer extrem interessant. Die roten Autos, das Blaulicht, und erst Recht, wenn man über die Familie früh Kontakt zu dieser erhält, wie Kim Ißbrücker von der Kinder- und Jugendfeuerwehr Dortmund berichtete.

Schon als Kind folgte sie dem Weg ihres Vaters und Bruders und trat ebenfalls in die Kinder- und Jugendfeuerwehr ein. Sie hat mittlerweile ihre Grundausbildung absolviert und arbeitete bei ersten Einsätzen der „richtigen“ Feuerwehr mit.

Über 100 Jugendliche engagieren sich bei der Young Caritas in vielfältiger Form

Ähnlich wie der Zirkus Fritzantino, stehen auch die Kinder- und Jugendfeuerwehren bei den Kleinen hoch im Kurs. Junge Menschen könnten deswegen nicht sofort anfangen, sondern würden erst auf eine Warteliste aufgenommen.

Eine Smartphone-Sprechstunde für SeniorInnen bietet die youngcaritas an. Archivfoto: Young Caritas Dortmund

Mittlerweile ist die Feuerwehr auch nicht mehr ein Betätigungsfeld, welches vorrangig nur von Jungs, sondern auch von immer mehr Mädchen wahrgenommen wird.

War es vor kurzem noch die Ausnahme, sind mittlerweile fast 30 Prozent der Mitglieder weiblich, berichtete Ißbrücker.

Kristina Sobiech stellte, gemeinsam mit den zwei Jugendlichen Berfin Yekta und Lisa Discher, die Gruppe YoungCaritas, die es in Dortmund seit 2017 gibt, vor. Die insgesamt 130 Jugendlichen können sich hier in verschiedenen Projekten wie einem Smartphonetraining für Senior:innen engagieren.

Leichter Zugang: Unkomplizierte niederigschwellige Teilnahme an den Projekten möglich

Bekannt ist vor allem das Projekt „Warm durch die Nacht“, bei dem Jugendliche an Obdachlose in der Stadt Essen und Getränke verteilen, sich mit ihnen unterhalten und ihnen Aufmerksamkeit schenken.

Projekt „Warm durch die Nacht“ der Young Caritas Dortmund. Archivfoto: Young Caritas Dortmund

Die Gruppe organisiert außerdem Veranstaltungen wie eine Kleidertauschparty mit, bei welcher Menschen zusammenkommen und bei Discoatmosphäre gebrauchte, aber gut erhaltene Kleidungsstücke tauschen können.

Organisiert werden die Projekte teilweise über WhatsApp-Gruppen, was den Vorteil einer schnellen Kommunikation und geringeren Hemmschwelle für engagierte Jugendliche bietet.

Verein Nordstamm ermöglichte Jugendlichen eine eigene Fotoausstellung

Erst seit 2021 gibt es den kleinen Verein Nordstamm e.V., dessen Arbeit und vor allem der offene Jugend- und Mädchentreff von Sara Heidemann vorgestellt wurde. Hier wird Bildungs- und Beratungsarbeit geleistet, wie z.B. ein Nachhilfeangebot.

Herausragend sind aber zwei Projekte, von denen Sara Heidemann erfreut dem interessierten Publikum berichtete: So führte der Verein ein Kunstprojekt durch, bei welchem Jugendliche angeleitet von einer Fotografin eigene Werke erstellten.

Der Themenbereich, für den sich die Jugendlichen entschieden war „Food-Fotografie“ und die entstandenen Bilder wurden in einer Vernissage von den Jugendlichen der Öffentlichkeit präsentiert.

Empowerment von Mädchen und Frauen als ein Kernziel für den Nordstamm e.V.

Moderator Kay Bandermann (l.) im Gespräch mit einigen Teilnehmer:innen des Forums. Foto: Planerladen

Das zweite bedeutende Projekt ist ein Mädchentreff, dessen Entstehung auf diese selbst zurückgeht, da die Mädchen mit dem Wunsch nach einem eigenen, sicheren Raum für sich auf Sara Heidemann zukamen.

Das Empowerment von Mädchen und Frauen, die Verbesserung ihrer Teilhabe an der Gesellschaft, ist eines der Kernziele des Vereins, weswegen die Idee einer Mädchengruppe schnell umgesetzt wurde.

Doh Formuso, Emely und Carima, drei langjährige Mitglieder der Jugendgruppe des 1990 gegründeten Vereins Africa Positive, berichteten anschließend von ihrer Vereinsarbeit. Der Verein möchte das in der Öffentlichkeit oft verbreitete negative Bild zum positiven verändern.

Africa Positive startete mit den Kids ein Projekt zum Thema kolonialer Raubkunst

Das heißt Aufklärungs-, Bildungs-, Netzwerkarbeit leisten und junge Schwarze empowern, die schon in frühen Jahren Diskriminierungserfahren machen.

Seit 1998 leistet der Verein Medien- und Integrationsarbeit.
Seit 1998 leistet der Verein Africa Positive Medien- und Integrationsarbeit. Archivfoto: Chimène Goudjinou für Nordstadtblogger.de

Mit unterschiedlichsten Angeboten wird Kindern und Jugendlichen das Gefühl gegeben, dass sie nicht alleine sind und ihre Erfahrungen ernst genommen werden.

Beim Projekt „Raubkunst“, bei welchem Jugendliche sich mit dem Thema Kolonialismus auseinandersetzten, waren sie dafür zu Museen in Bremen, Hamburg und Berlin gereist.

Um positive Vorbilder hingegen geht es beim Projekt „Erzähl mal… wie Du es geschafft hast“. Stadtweit bekannt ist Africa Positive e.V. insbesondere für das musikalische AfroRuhr-Festival, welches dieses Jahr vom 28. bis zum 30. Juni stattfindet.

Diskussion über Fluch und Segen von sozialen Netzwerken

In der Abschlussrunde mit den Podiumsgästen wurde über den Fluch und Segen von Social Media diskutiert. Social Media schafft Aufmerksamkeit, schafft Einblicke in die Arbeit der Vereine und ermöglicht – wie beim Fall Youngcaritas – ein flexibles Ehrenamt, indem Jugendliche in einzelne Projekte reinschnuppern und sich ausprobieren können.

Archivfoto: Nordstadtblogger-Redaktion

Medienpädagogische Angebote müssen geschaffen werden, zum Beispiel indem Kinder und Jugendliche bei bestimmten Aktionen den Instagramkanal des Vereins übernehmen, so Sara Heidemann.

Auf die Frage, ob das Smartphone bei der Arbeit mit Jugendlichen eher schadet, war sich das junge Podium dementsprechend einig: Social Media kann man verteufeln, besser ist es jedoch, es für sich zu nutzen.

Das nächste Bürgerforum Nord trifft Süd findet am Mittwoch, 28. August in der ParkAkademie im Westfalenpark statt.


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  1. Kleidertauschbörse mit Kaffeeflair (PM AWO BVO I-West)

    Mittwoch, 23.10.2024
    Pfarrhaus St. Barbara, Teutoburgerstr. 14, 44149 Dortmund Dorstfeld
    Beginn 15:00 Uhr

    Die Katholische Frauengemeinschaft St. Barbara, Begegnung VorOrt, AWO OV Dorstfeld zusammen mit dem Seniorenbüro Innenstadt-West sowie die youngcaritas Dortmund laden zur Kleidertauschbörse in Dorstfeld ein. Nach Herzenslust kann gestöbert und anprobiert werden, passende Stücke können anschließend mitgenommen werden.

    Jede*r Besucher*in kann bis zu 10 Kleidungsstücke aus dem eigenen Schrank mitbringen und abgeben. Nicht getauschte Kleidung wird an eine soziale Einrichtung gespendet. Bei Kaffee und Kuchen kann so die Herbst- und Wintergarderobe aufgefrischt werden.

    Kontakt und Information:
    Begegnung vorOrt, Birgit de Boer, Telefon: 0160 557 4341
    E-Mail: begegnungwest@awo-dortmund.de

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