Bürger:inneninitiative bewies in der Kaiserstraße einen langen Atem

Erinnerung an unsichtbare Frauen: Ein Denkmal für Kochbuch-Autorin Henriette Davidis enthüllt

Henriette Davidis in drei Altersetappen auf ihrem berühmten Kochbuch
Henriette Davidis in drei Altersetappen auf ihrem berühmten Kochbuch im Kaiserviertel. Erik Latos | Nordstadtblogger

Es ist nun endlich geschafft. Die Idee der Bürger:innen-Initiative Frauendenkmale, ein Denkmal zu Ehren von Henriette Davidis, ist nun endlich Realität. Nun begrüßen die drei in Aluminium gegossene Henriettes auf ihrem berühmten Kochbuch sitzend die Anwohner:innen und Besucher:innen des Kaiserviertels an der Kreuzung der Hans-Litten-Straße und Kaiserstraße. Die Initiative konnte dem Landgericht ein Stück des Grundstückes abringen und platzierte die Stehle an der Ecke des Blockes auf dem das eigene Haus von Henriette Davidis stand, bevor es wegen des Justizbaus zu Beginn der Kaiserzeit abgerissen worden ist.

„Dicke bedeutende Bücher müssen nicht immer Gesetzesbücher sein“

In Vertretung für den Präsidenten Arnim Sabrowsky beglückwünschte die Vizepräsidentin des Landgerichtes Dr. Dagmar Wohlthat den Vereinsmitgliedern für das Erreichen der Ziellinie. „Das Kaiserviertel ist sehr künstlerisch, hat aber keine Frauendenkmäler. Doch an diesem Tag ändert sich das“, freute sich die Juristin.

Wo heute das Landgericht steht, stand das Haus, in dem Henriette Davidis ihr letztes Lebensjahr verbrachte. Archivbild: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Hier wo das Landgericht Dortmund steht, stand das Haus in dem Henriette Davidis ihr letztes Lebensjahr verbrachte. Zu der damaligen Zeit war ein eigenes Haus für eine Frau schon eine Leistung. Allerdings wurde das Haus kurz nach ihrem Tod abgerissen, um Platz zu machen für einen Justizbau des Kaiserreiches“, so die Juristin. „Davidis zeigt auch, dass dicke bedeutende Bücher nicht immer Gesetzesbücher sein müssen“, bemerkte Wohlthat.

Auch der 1. Bürgermeister Norbert Schilff stimmte Frau Wohlthat bei der Bedeutsamkeit des Ortes für die Dortmunder Geschichte zu: „Ihre Arbeit hat nicht nur die Kultur des Kochens, sondern auch das Leben vieler Frauen ihrer Zeit geprägt.“ merkte Schilff an.

„Von hier aus prägte sie die Geschichte der deutschsprachigen Kochbücher mit einer Reihe von Werken, die sich mit allen Aspekten des Haushaltes befassten. Die Aufstellung des Denkmales hier an der Kaiserstraße, ihrem ehemaligen Wohnsitz, ist daher ein passender Ort“, so Schilff.

Bürgermeister Schilff betont die Bedeutung von Henriette Davidis
Bürgermeister Schilff betont die Bedeutung von Henriette Davidis Erik Latos | Nordstadtblogger

Die Bürger:innen-initiative Frauendenkmal Dortmund und viele weitere Unterstützer:innen hätten maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Ehrung für Henriette Davidis möglich wurde. Die Stadt Dortmund freue sich, dass trotz der Herausforderungen, mit denen alle Beteiligten bei der Installation des Denkmals konfrontiert waren, diese bedeutende Frau nun gebührend gewürdigt wird, so der 1. Bürgermeister.

Denn auch der Kampfmittelbeseitigungsdienst musste hinzugezogen werden, da durch die schweren Bombardement, besonders im Jahr 1943, immer noch Blindgänger im Untergrund der Stadt vermutet wird.

„Ich fragte mich schon, wie tief soll das Denkmal in den Boden gehen.“, rätselte Schilff. Alle bürokratischen Hürden wurden nun überwunden. Er forderte alle Bürger:innen auf: „Nehmen sie den Kampf gegen die Bürokratie auf. Ich nehme ihn seit 40 Jahren auf. Vieles geht nur durch privates und gesellschaftliches Engagement.“

„Henriette muss es gewusst haben: Von der Idee bis zur Umsetzung ist es ein langer Weg“

Pfefferpotthast ist ein Gericht, was jede Person aus Westfalen kennt und welches Davidis 1845 in ihrem Praktischen Kochbuch niederschrieb. „Sie war eine herausragende Frau, besonders zu der Zeit. In einer Zeit in der Frauen keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten“, betonte der Bürgermeister. „Sie hat die Kultur des Kochens und das Leben anderer Frauen geprägt. Sie hat alleine gelebt, was im 19 Jahrhundert völlig ungewöhnlich war. Sie hat damit Kulturgeschichte geschrieben. Der Name Henriette Davidis ist eng mit Dortmund verbunden und nun gibt es hier auch ein Zeichen für die Autorin.“

Foto ihres „Praktischen Kochbuchs“ aus dem Bestand des Kochbuchmuseums. Fotos: Stadt Dortmund
Foto ihres „Praktischen Kochbuchs“ aus dem Bestand des Kochbuchmuseums. Fotos: Stadt Dortmund Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Auch das Kochbuchmuseum, in Person Mira van Leewen, unterstützte tatkräftig das Projekt und erarbeitete die weiteren Hintergrundinformationen zum Leben und Schaffen der Autorin. In diesem Museum sind rund 13.000 Titel zu finden, befindet sich aber gerade im Umbau.

Van Leewen stimmte Schilff zu: „ Henriette muss es gewusst haben: Von der Idee bis zur Umsetzung ist es ein langer Weg.“ Davidis hatte lange nach einem passenden Verlag gesucht und wurde von einem auch ausgenutzt. Das Kochbuch entwickelte sich von 1000 Stück zu einem frühen Bestseller mit 40.000 Exemplaren.

„Das Kochbuch ist eine gute Quelle für die Untersuchung des damaligen Wandels, des sozialgesellschaftlichen Wandels. Es ist ein früher Meilenstein für die Beendigung der klassischen Geschlechterstereotypen mit neuen Rollen.“, verwies die Museumsleiterin.

Der ganze Prozess der Denkmalerrichtung startete 2022. Zur der Zeit las Heike Wulf ein Zeitungsartikel zum Thema der Unsichtbaren Frauen und bemerkte, dass es noch kein Denkmal für eine Frau im Kaiserviertel gab. Es entstand daraufhin die Bürger:innen-Initiative Frauendenkmale, welche 2023 unter den Dachverband des Vereines Kunst und Kultur im Kaiserviertel kam.

Neben Heike Wulf wurden auch Susanne Meyer, Susanne Özverim und auch Gabriel Faber Mitstreiter:innen für das Denkmal. „Es war sehr kräftezehrend.“ umschrieb die Vorsitzende der Bürger:inneninitiative den Prozess von der Idee bis hin zur Enthüllung der Stele. Zunächst gab es die frauenpolitischen Rundgänge von der AWO, die Hinweise auf bedeutende Politiker:innen und Unternehmer:innen der Stadt Dortmund geben.

Das Projekt Frauendenkmal endet nicht mit dem Davidis Denkmal – es ist ein Startschuss

Das in Aluminium gegossene Kunstwerk stammt aus den Händen der Dortmunder Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry. In dem am Borsigplatz gelegene Atelier begann sie zunächst mit ungebrannten Ton den naturalistischen Stil herauszuarbeiten und danach aus Eisendraht und Spachtelmasse eine Grundlage für die Silikongussform zu schaffen. In dieser mit Gips verstärkten Form goss Rybarsch-Tarry dann das Aluminium.

Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry mit Davidis Denkmal
Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry mit Davidis Denkmal Erik Latos | Nordstadtblogger

Die gesamte Konstruktion fand nun Platz auf einer Stele aus Andeer Granit. Während die Idee Davidis in drei verschiedenen Altersstufen darzustellen, um sie nicht nur als ältere, resolute Dame darzustellen, klar war, dauerten die Entwicklung der jeweiligen Buchrücken bis zur Entdeckung eines Exemplares vom dem Praktischen Kochbuch im Fundus der Künstlerin.

Nicht nur der Kunst und Kulturverein und die Künstlerin sorgten für die Ermöglichung des Ehrendenkmals. Auch die Bezirksvertretung Ost sowie die Sparkasse Dortmund leisteten einen wichtigen Beitrag, der in den verschiedenen Reden hervorgehoben wurde.

Eine Blume in einem Kochtopf als Grabschmuck für das Grab von Henriette Davidis auf dem Ostfriedhof. Fotos: Stadt Dortmund
Eine Blume in einem Kochtopf als Grabschmuck für das Grab von Henriette Davidis auf dem Ostfriedhof. Foto: Stadt Dortmund

Ebenfalls für weitere Informationen eine Seite von Katrin Burek eingerichtet. Dort finden interessierte Bürger:innen alle Informationen zu Henriette Davidis. Der Verein verfügt nur über ehrenamtliche Mitglieder:innen und muss gleichzeitig große bürokratische Hürden überwinden.

Es müssen immer wieder Anträge ausgefüllt werden und Kosten gedeckt werden. Daher wünscht sich der Verein dafür spenden zu erhalten und Unterstützung von der Politik. Wer denkt, dass es noch mehr Ehrenmale solcher Art geben soll, kann Mitglied in dem Verein werden oder spenden.

Es soll aber laut der Bürger:inneninitiative nicht nur bei dem Denkmal für Henriette Davidis bleiben. Es sind bereits weitere geplant.

QR-Code zur Informationswebsite von Henriette Davidis
QR-Code zur Informationswebsite von Henriette Davidis Katrin Burek

Unter anderem für Marie Reinders, Gründerin der ersten Mädchenschule in Dortmund, für die jüdische Frauenrechtlerin und Mitbegründerin des Vereins der liberalen Frauen Dortmunds Rosa Buchthal, Hertha Hoffmann, einer jüdischen Unternehmerin, die sich zu einer wichtigen Persönlichkeit in der Automobilbranche arbeitete und Käthe Kaufhold, der Initiatorin der Dortmunder Martinsumzüge.

Außerdem sollen Denkmale zur Erinnerung an die verfolgten, gefolterten, ermordeten und unterdrückten Frauen in der Kampstraße bzw. Viktoriastraße errichtet werden.

Weitere Infos: vereinkunstundkulturimkaiserviertel.de/Mitgliedsschaft-und-Spenden/


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