Am 28. März 1949 wurde die „Gesellschaft der Freunde des Auslandsinstituts“ – die heutigen Auslandsgesellschaft.de – gegründet. Das Ziel lautete damals wie heute Völkerverständigung im Geist von Humanität und Toleranz. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir in einer Serie Gastbeiträge aus dem Jubiläumsmagazin zum 75. Bestehen des Vereins.
Ein Gastbeitrag von Erich G. Fritz
Liebe Frau Frommknecht, liebe Christa, Du hast die Deutsch-Chinesische Gesellschaft bis 1997 über 18 Jahre lang geleitet.
Das ist richtig und ich erinnere mich sehr gerne an die Intensität und Vielfalt der Arbeit in Dortmund und mit chinesischen Partnern. Ich hatte aber auch schon sehr früh eine Neigung zu China.
Können wir aus dieser Frühzeit ein wenig erfahren?
Ich wurde am 1. Juli 1944 in Sigmaringen geboren. Mein Vater hatte ein Unternehmen, das unter anderem Leder und Häute aus China importierte. So erfuhr ich von seinen Geschäftskontakten, sah fremd aussehende Geschäftspost und machte mir eine Vorstellung von diesem fernen Land. Bald entstand bei mir der Wunsch, mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Peking zu reisen.
Bis dahin sollte aber noch viel Zeit vergehen.
Ja natürlich. Ich habe 1967 meinen Mann Heinrich geheiratet. Er wurde später Vorstandsmitglied einer Versicherung für Handel, Handwerk und Gewerbe. Durch die Fusion mit der Signal-Versicherung kamen wir 1970 nach Dortmund. Ab 1974 war mein Mann Vorstandsvorsitzender der Signal-Versicherung.
Er war aber nicht nur berufsbedingt an allem interessiert, was auf der Welt geschah. Vielmehr waren wir beide mit Haut und Haar darauf aus, dazu beizutragen, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Weltanschauung friedlich und konstruktiv zusammen leben können.
Das heißt, du hast geplant, den China-Kreis in der Auslandsgesellschaft zu gründen?
Weit gefehlt, es war eher umgekehrt, die Aufgabe hat mich gesucht. Der damalige Präsident Dr. Harald Koch hat ja viele Türen geöffnet, die zuvor verschlossen waren. So war er auch der erste, der sich auf machte nach China.
In seiner ihm eigenen Art hat er Personen angesprochen, die Dortmund in unterschiedlicher Weise repräsentieren sollten, so auch meinen Mann. Er sollte, meinte Koch, mit auf die erste Reise gehen und sich später um diese Arbeit in der Auslandsgesellschaft kümmern. Schließlich war ich es aber, die den Weg nach China antrat. Das hat bei mir viel in Bewegung gebracht.
Hast du diese Arbeit gleich in die Hand genommen?
Nein, eigentlich war ich zunächst sehr unsicher, es war ja alles fremd. Ich war hauptsächlich neugierig. Zunächst sollte die Leitung des zu gründenden Länderkreises ja auch jemand aus der Führungsriege von Hoesch übernehmen – wegen der wirtschaftlichen Bedeutung.
An einem Abend in der Arndtstraße wurde ich dann aber von Harald Koch wirklich gedrängt, den Vorsitz zu übernehmen. Meine ersten Auftritte waren nicht souverän, am Anfang machte ich schon den Fehler, den ersten chinesischen Referenten mit Handschlag zu begrüßen. Peinlich war das.
Bald aber hatte ich große Freude an dieser Arbeit, die ich ja auch nicht alleine machte. Der Vorstand hat mich unterstützt, der Länderkreis wuchs schnell und ich hatte ein gutes Team um mich. Dr. Dietmar Geers war dabei, Annelore Weede war meine Stellvertreterin,
Heinz Kordy, Dr. Anton Lachner, der perfekt Mandarin sprach und nicht zuletzt Tienchi Martin-Liao, deren Vater als chinesischer Offizier in einem Lager der Kommunisten umgekommen war. Mein Mann hat mich sehr unterstützt und bei vielen Projekten mitgeholfen.
Wie hat sich das nach der ersten Reise 1976 entwickelt?
Das war ja in China eine aufregende Zeit. Nach der Kulturrevolution kam nun die Phase der Öffnung und der Umgestaltung mit vielen Hoffnungen für die Menschen und die internationalen Beziehungen. An der zweiten Reise 1977 nahm auch Harald Koch teil.
Noch legte fast alles die chinesische Seite fest, Spielraum war da noch nicht. Ich machte ab 1978 schon selbst Reiseleitungen für Gruppen mit Teilnehmern aus ganz Deutschland. Dabei ergaben sich immer neue menschliche und persönliche Beziehungen. Über bestimmte Grenzen kam man aber nicht hinaus.
Die Kommunistische Partei bestimmte alles. Und wir haben natürlich zunächst ausschließlich mit den staatlichen Institutionen zusammengearbeitet. Besonders war das die „Gesellschaft des chinesischen Volkes für Freundschaft mit dem Ausland“, die unser Partner war. Natürlich war das keine zivilgesellschaftliche Einrichtung sondern eigentlich eine Abteilung des chinesischen Außenministeriums.
Aber die Menschen, auf die wir gestoßen sind, waren mindestens so begeistert von den neuen Möglichkeiten zu reisen und sich zu begegnen und auszutauschen wie wir. Auf dieses Weise habe ich sehr persönliche Kontakte aufgebaut, die wir auch in Dortmund vertieft haben,
wenn zum Beispiel der Präsident der Gesellschaft auf Deutschland-Reise war. Ganz nach Harald Kochs Idee hat sich die gesellschaftliche Begegnung dann auch bei uns zuhause entwickelt. Lange Wirkung durch intensive Begegnung war das Ziel. Auf dieses Weise wuchs auch großes Vertrauen.
Welche Aktivitäten sind denn besonders in Erinnerung geblieben?
Da sind zunächst die vielen Reisen zu erwähnen. Das waren keine einfachen touristischen Reisen, sondern immer auch Delegationen, aus deren Kontakten Ideen und neue Projekte entstanden. So ist aus dem Besuch in Xian viel entstanden, womit zuvor niemand rechnen konnte.
Heinz Kordy, der in der Auslandsgesellschaft für die Reisen zuständig war, hat über viele Jahre mit wachsender Expertise Menschen nach China geführt und viel Bewusstsein für die Bedeutung dieses Landes für die Welt geschaffen.
Ich kann die Vorträge, Veranstaltungen, Besuche, Botschaftergespräche und bilateralen Vorhaben gar nicht im Einzelnen aufzählen, die zustande kamen. Vorträge über Fernost gab es in der Auslandsgesellschaft ja schon länger. In der Sinologie an der Ruhr-Universität Bochum hatten wir schon früh einen guten Partner.
Aber es gab ja unglaubliche Highlights!
Ja, die vergisst man natürlich nicht, auch deshalb, weil sie mit unendlich viel Arbeit und manchmal auch mit strapaziöser Geduld verbunden waren. Ich muss natürlich nennen, dass unsere Arbeit den Weg zur Städtepartnerschaft Dortmunds mit der alten Kaiserstadt Xian geöffnet hat.
Ich erinnere mich noch ganz genau, wie mich der Präsident der Gesellschaft des chinesischen Volkes für Freundschaft mit dem Ausland ansprach, die auch für Städtepartnerschaften zuständig war. Er erzählte, dass es Bestrebungen gebe, eine Städtepartnerschaft Münchens mit Xian zustande zu bringen.
Er sehe aber so viele konstruktive Vorleistungen der Dortmunder Seite, deshalb frage er, ob das denn nichts für Dortmund sein könnte. Ich habe nach meiner Rückkehr sofort Oberbürgermeister Samtlebe informiert. Der war wenig beeindruckt. Aber Horst Schiffmann war sofort Feuer und Flamme und hat im Dezernentenkreis darüber berichtet.
Die Idee war in der Welt und bei den nächsten Reisen wurde daran weiter gearbeitet. 1985 wurden dann die ersten konkreten Gespräche zwischen dem Vorstand der Auslandsgesellschaft, der Stadt Dortmund und Vertretern der Stadt Xian geführt, bis ich zum ersten Mal einen Entwurf eines Vertrages mit nach Dortmund bringen konnte.
Dazwischen verdichteten sich auch schon die Besuche aus China in Dortmund mit hochrangigen Persönlichkeiten. Der Botschafter war Gast bei unserem Dortmunder China-Tag und erste politische Persönlichkeiten kamen für mehrere Tage nach Dortmund.
Daraus ist dann wirklich 1992 die Städtepartnerschaft entstanden. Auf dem Weg dahin ist aber vieles geschehen.
Der absolute Höhepunkt war sicher die Ausstellung »Jenseits der Großen Mauer« im Ostwall-Museum, das eigens dafür umgestaltet wurde. Der Weg dorthin war schwer, vor allem weil das Massaker auf dem Tien-An-Men-Platz in Peking alle Beziehungen in Frage stellte.
Wir haben uns in der Auslandsgesellschaft lange den Kopf zerbrochen. Wir haben verurteilt, was dort gegen friedliche Demonstranten geschah. Aber wir wollten trotz deutlicher Kritik auch die entstandenen Beziehungen nicht beenden. So dauerte zwar alles länger, aber wir konnten weiter arbeiten.
Die Ausstellung wurde die am besten besuchte, die es in Dortmund je gab. Wir hatten ein tolles Team für die Vorbereitung, eine gute wissenschaftliche Begleitung und einen aufsehenerregenden Katalog. Wir organisierten dazu zwei China-Akademien 1990 und 1993, die für damalige Verhältnisse überregional einzigartig waren,
weitere Ausstellungen wie „Chinas Goldenes Zeitalter“ im Museum für Kunst und Kulturgeschichte und „Jenseits der großen Städte“ in der Sparkasse. Wir waren richtig gut und es hat viel Freude gemacht. Die ganze Auslandsgesellschaft und viele in der Stadt haben begeistert mitgemacht. Der Vorstand des Länderkreises hat unglaubliches geleistet. Dafür bin ich heute noch dankbar.
Wie siehst du die Arbeit des China-Kreises in der Auslandsgesellschaft heute und in der Zukunft?
Ich bin natürlich jetzt schon lange außen vor, aber ich betrachte immer noch gerne, was in Sachen China in Dortmund läuft. Es hat sich alles verändert. Wir hätten nicht gedacht, dass das Land, das sich anschickte ein wirtschaftlicher Riese zu werden so machtvoll nach Vorherrschaft strebt und auch militärisch eine Bedrohung für seine Nachbarn werden könnte.
Auch die schnell erloschenen Anzeichen auf mehr Freiheit im Land machen die Arbeit mit China heute viel schwieriger. Aber es bleibt ein Land mit unglaublichen Menschen, kulturellem Reichtum, historisch und politisch immer eine Auseinandersetzung wert und mit einer guten Küche.
Ich wünsche allen, die die von mir begonnene Arbeit fortsetzen alles Gute, viel Erfolg und weiter die Hoffnung, die menschliche Basis der Beziehungen mit China weiter zu entwickeln. Wir müssen immer denen Hoffnung machen, die auf dem Weg sind, Verständigung, Toleranz und Humanität zu erreichen.
Der Serienteil ist ein Gastbeitrag aus dem Jubiläumsmagazin „75 Jahre Auslandsgesellschaft“ der Auslandsgesellschaft.de. In diesem Magazin hat die Auslandsgesellschaft 75 Jahre in die Dekaden aufgeteilt, dann das allgemeine Geschehen, der Stadt Dortmund und das, was in der Auslandsgesellschaft passiert ist, dargestellt.
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