Der Autor engagiert sich seit vielen Jahren für Inhaftierte

„Gefangen und wohnungslos“ als Thema: Klaus Jünschke liest bei bodo aus seinem neuen Buch

Im bodo-Buchladen las Klaus Jünschke (links) - rechts bodo-Redaktionsleiter Bastian Pütter.
Im bodo-Buchladen las Klaus Jünschke (links) – rechts bodo-Redaktionsleiter Bastian Pütter. Foto: Peter Krause für nordstadtblogger.de

Von Peter Krause

Im bodo-Buchladen am Schwanenwall fand eine Buchvorstellung mit Klaus Jünschke statt. Es ging um den Zusammenhang von Obdachlosigkeit und Haft.

Zusammenhang von Obdachlosigkeit und Gefängnis

Im Wohnungsbericht der Bundesregierung, der erstmals im Dezember 2022 vorgestellt wurde, ist von 262.000 Wohnungslosen die Rede. Die Bundesarnbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe (BAG W) geht von einer mehr als doppelt so hohen Zahl aus.

Das waren 58 Prozent mehr als im Vorjahr, besonders stark war der Anstieg bei Wohnungslosen ohne deutschen Pass. Von diesen Menschen leben circa 50.000 ganz ohne Unterkunft auf der Straße.

Die Not der Obdachlosigkeit kann niemand (mehr) übersehen. Aber darüber, dass es einen Zusammenhang von Obdachlosigkeit und Gefängnis gibt, wird im Allgemeinen dennoch zu wenig gewusst. Umso wichtiger, dass sich der bodo e.V. im Rahmen der diesjährigen „Aktionstage Gefängnis” des Themas angenommen hat.

Gefangen und wohnungslos: Autor hat eigene Erfahrungen damit

Als ehemaliges Mitglied der RAF selbst hafterfahren, engagiert Jünschke sich seit vielen Jahren für Inhaftierte. So kam es zu Einrichtung der Erzählwerkstatt „Gefangen und Wohnungslos“, an der 20 Männer teilnahmen, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen.

Die Justizvollzugsanstalt Dortmund in der Lübecker Straße wird oft als „Lübecker Hof“ bezeichnet. Archivbild: Alex Völkel
Als ehemaliges Mitglied der RAF selbst hafterfahren, engagiert Jünschke sich seit vielen Jahren für Inhaftierte. Archivbild: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Jünschke protokollierte die Erzählungen, die Gefangenen redigierten die Texte, und so entstand schließlich ein authentisches Werk, das nun im bodo-Buchladen vorgestellt wurde.

Eindrücklich sprach Jünschke die zahlreichen Zuhörer:innen dieses Abends an, berichtete von der Situation der Obdachlosen und vom OMZ (Obdachlose mit Zukunft e.V.) in Köln. Marcus, ein ehemaliger Teilnehmer der Erzählwerkstatt, trug eigene Erfahrungen bei. Selbst geriet er bereits als Zwölfjähriger „auf die Straße”, schlug sich durch und landete schließlich wegen diverser Drogendelikte in Haft.

So bekam an diesem Abend ein besonders erschütterndes Problem der Obdachlosigkeit ein Gesicht: schätzungsweise 37.000 Kinder und Jugendliche im Alter bis einschließlich 26 Jahre (über 6.000 von ihnen sind minderjährig) leben in Deutschland auf der Straße bzw. ohne festen Wohnsitz.

Überbordende Bürokratie und der mangelnde politische Wille

„Das darf nicht sein”, sagte Klaus Jünschke, „denn es gibt in allen Städten Leerstände, die für die Unterbringung Obdachloser genutzt werden könnten.” Problematisch sind aber eine überbordende Bürokratie und der mangelnde politische Wille. Die Juristin Prof. Dr. Christine Graebsch, die als Diskutantin für ein anschließendes Podiumsgespräch geladen war, brachte zahlreiche Beispiele aus ihrer beruflichen Tätigkeit als Strafverteidigerin, die dieses gesellschaftliche Versagen belegen.

Von den rund 70.000 Inhaftierten waren etwa 14 Prozent vor Haftantritt wohnungslos. Archivbild: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Lage von obdachlosen Menschen vor oder nach einer Inhaftierung ist noch weitaus schwieriger. Es darf nicht übersehen werden, dass von den in 172 deutschen Vollzugsanstalten rund 70.000 Inhaftierten, etwa 14 Prozent vor Haftantritt wohnungslos waren. „Keine andere soziale Gruppe”, so Jünschke, „ist in Gefängnissen derart extrem überrepräsentiert.“

Und auch hier versagt das System, denn das Entlassungsmanagement sieht die Vermittlung einer Wohnung nicht vor. Klaus Jünschke verschafft mit seinem Buch den davon direkt Betroffenen Gehör und fordert zu recht: „Ein abschließbares Einzelzimmer ist ein Menschenrecht”, und fügt dann engagiert hinzu, dass „Antifaschismus bedeutet, zu verhindern, dass jemand ins Bodenlose fällt!”

Im Anschluss an die Buchvorstelleung nahmen am Podiumsgespräch neben Klaus Jünschke und Prof. Dr. Christine Graebsch auch Bastian Pütter (bodo e.V.) und der Jurist Dr. Sven Burkhardt teil. Durch deren Beiträge vervollständigte sich der Einblick in einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens, dem meist zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Hat es Spaß gemacht oder war es Arbeit? Oder beides? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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