Der Brandbrief des Jugendhilfedienstes aus der Nordstadt hat die Politik alarmiert. Die meisten Ratsfraktionen sehen Handlungsbedarf – wobei aber eine Lösung kaum allein auf kommunaler Ebene möglich sei. Fehlende Finanzierung auf der einen sowie der Fachkräftemangel auf der anderen Seite seien hauptursächlich.
„Personaloffensive für die Jugendhilfedienste“ reicht noch nicht
„Die Darstellungen der Mitarbeiter:innen des Dortmunder Jugendhilfedienstes machen auf ein dringendes Problem aufmerksam. Auch über Dortmund hinaus beobachten wir diese Entwicklung, was uns zeigt, dass Lösungen auf allen Ebenen angestoßen werden müssen“, betonen die Fraktionssprecher:innen der Grünen, Ingrid Reuter und Dr. Christoph Neumann, auf Nachfrage von Nordstadtblogger.
Das Schreiben zeige zudem, wie vielschichtig die Problemlage ist: Das eine ist der Fachkräftemangel, das andere sind die nicht ausreichenden Finanzierungsstrukturen. Beides führt zu Problemen in der Kinder- und Jugendhilfe.
Die Dortmunder Verwaltung hat darauf bereits mit der im letzten Jahr gestarteten „Personaloffensive für die Jugendhilfedienste“ reagiert, mit der die strukturelle und personelle Situation in den Jugendhilfediensten nachhaltig verbessert werden soll.
In einer Vorlage für die nächste Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie stellt die Verwaltung fest, dass in allen Jugendhilfediensten (JHD) der jeweiligen Stadtbezirke eine Besetzungsquote von 115 Prozent erreicht werden soll.
Dieses Ziel wird von der Grünen-Fraktion ausdrücklich unterstützt, ist aber bisher in keinem Jugendhilfedienst erreicht. Und das trotz einer kontinuierlichen externen Ausschreibung für Stellen in den Jugendhilfediensten, regelmäßige Auswahlverfahren für interne und externe Bewerber:innen, sowie zeitnahe Besetzungs- und Einstellungsverfahren.
Konzept für eine Attraktivierung der Arbeitsplätze in den Jugendhilfediensten gefordert
Grund dafür sei der überall festzustellende Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften im Bereich der sozialen Arbeit bei gleichzeitig wachsendem Bedarf. „Wir brauchen eine Verstärkung der Personaloffensive sowie ein Konzept für eine Attraktivierung der Arbeitsplätze in den Jugendhilfediensten. Gleichzeitig brauchen wir im zuständigen Ausschuss eine Diskussion darüber, wie die Mitarbeiter*innen in den Jugendhilfediensten in ihrer akuten Belastung unterstützt und entlastet werden können“, betonen die Grünen.
„Dazu kommen weitere benötigte Stellen für Inobhutnahme und Krisenintervention sowie ein Konzept für besonders ,herausfordernde’ Kinder und Jugendliche (sog. Systemsprenger), das im Zusammenschluss zwischen den freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und dem Jugendamt auch schon erarbeitet worden ist.“
Das aufgezeigte Problem der fehlenden stationären Unterbringungsmöglichkeiten ist nicht Dortmund-spezifisch, sondern ein bundesweites. Hier wird aktuell nach Aussage des Jugendamtes im intensiven Austausch mit den freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe in Dortmund eine deutliche Erhöhung der Belegung der Unterbringungskapazitäten junger Menschen in Jugendhilfeeinrichtungen in Dortmund angestrebt. Damit soll u.a. der bundesweiten Suche von Seiten der Jugendhilfedienste nach einem stationären Angebot entgegengewirkt werden.
Das Vorhalten freier Plätze wird derzeit nicht durch die Landesfinanzierung abgedeckt, so dass die Einrichtungen dazu gedrängt werden, sämtliche Plätze dauerhaft zu belegen. Kapazitäten und Ressourcen für Notfälle, wie sie für Krankenhäuser und Rettungsdienste schon anerkannt sind, müssen dringend auch in der Finanzierungsstruktur der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe bei Fällen von Kindeswohlgefährdung vorgesehen werden.
CDU-Fraktion ist dankbar für Einblicke in die vielschichtigen Probleme
„Der ,Brandbrief’ schildert eindrücklich die aktuelle Situation beim Jugendhilfsdienst Dortmund-Nordstadt/Team Nordmarkt. Die Darstellung ist für die Mitglieder der CDU-Fraktion von großer Bedeutung, da sie uns einen direkten Einblick in die Erfahrungen und Herausforderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht. Durch die Schilderungen erhalten wir wertvolle Einblicke in die aktuelle Arbeitsrealität und die vielschichtigen Probleme, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich konfrontiert sind“, schreibt die CDU-Fraktion auf Nachfrage von Nordstadtblogger.
Ihre Mitglieder seien sich der schwierigen Situation bei den Jugendhilfsdiensten, insbesondere in der Nordstadt, bewusst. „Wir sind durch unsere Beratungen in den politischen Gremien sowie durch Gespräche mit der Verwaltung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits mit vielen der angesprochenen Themen vertraut. Die Komplexität der Herausforderungen, die im ,Brandbrief’ geschildert werden, ist uns daher durchaus bewusst, wird durch die Ausführungen aber nochmals in besonderer Weise plastisch“, heißt es weiter.
Aus diesem Grund seien sich die Fachpolitiker:innen darüber im Klaren, dass es keine einfachen Lösungen für die im „Brandbrief“ geschilderten Probleme gebe. „Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund ist gewillt, die Herausforderungen gemeinsam mit der Stadtverwaltung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzugehen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten“. Das soll auch in der kommenden Woche im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie Thema werden.
SPD-Ratsfraktion ist bereit, auch kurzfristige Lösungen zu unterstützen
Nicht erst seit dem kürzlich öffentlich gewordenen Brandbrief des Jugendhilfedienstes Nord, ist sich die SPD-Ratsfraktion der sich zunehmend verschärfenden Lage im ambulanten und stationären Kinder- und Jugendhilfebereich sehr bewusst.
„Bereits im September haben wir daher im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie eine Anfrage an die Verwaltung gestellt, darzulegen, wie es um die Personelle Situation und die Unterbringungssituation sowohl in Übergangs-, Kurz- und Dauerunterbringungen bestellt ist und wie das Jugendamt Dortmund mit der Sachlage umgeht“, schreibt die SPD-Fraktion auf die Nordstadtblogger-Anfrage. „Wir begrüßen sehr, dass die Verwaltung zügig gearbeitet hat und bereits in der nun folgenden Oktobersitzung eine Stellungnahme dazu einbringt.“
Daraus werde deutlich, dass der Fachkräftemangel auch in Dortmund zu Lücken und Verzögerungen in der Versorgung führe. Das Problem Fachpersonal für vakante Stellen sei bundesweit ähnlich und betreffe nicht allein Dortmund und die Jugendhilfedienste.
„Die Stadt kümmert sich und ist im ständigen Austausch mit allen Trägern der Jugendhilfe um nicht nur die Unterbringungssituation im Sinne der Kinder und Jugendlichen, sondern auch für die Mitarbeiter:innen zu verbessern und hat dazu bereits einige Initiativen gestartet. Diesen Prozess unterstützen wir als Fraktion ausdrücklich und sind bereit kurzfristige Lösungen zu unterstützen.“
Bundesweit prekäre Situation im Sozialbereich – auch durch Fachkräftemangel
Auch die SPD verweist in dem Zusammenhang auf das neue Konzept zum Umgang mit sogenannten „Systemsprenger:innen“, welches ebenfalls in der kommenden Sitzung vom Jugendamt vorgestellt werden wird.
„Es ist doch Ausdruck dessen, dass Unzulänglichkeiten im bestehenden Hilfesystem erkannt sind und eine Form des professionellen Umgangs mit dieser Zielgruppe, bei der die Fachkräfte und Institutionen entlastet, eine angemessene fachliche Begleitung gewährleistetet, aber vor allem auch die Kinder und Jugendlichen gestärkt und ihr Recht auf Hilfe und Teilhabe gesichert werden kann“, schreibt die SPD-Fraktion auch im Namen von Anna Spaenhoff, der Vorsitzenden im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie.
Gleichwohl ändern alle Dortmunder Maßnahmen nur wenig an dem Umstand, dass sich an der im genannten Brandbrief beschriebenen Gesamtsituation nur wenig ändern wird, wenn nicht auch auf landes- und bundespolitischer Ebene die prekäre Situation des Fachkräftemangels in der Sozialen Arbeit angegangen wird. Daher nutzen wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel, um auf die entsprechenden politischen Ebenen einzuwirken.
„So sieht eine Stadt aus, die von Parteien mit ‘sozial’ und ‘christlich’ im Namen regiert wird!”
„Am Wochenende erreichte unsere Fraktion der wirklich sehr schlimme Brandbrief des Jugendhilfedienstes. Wir sind fassungslos. Die darin geschilderten Zustände sind untragbar für alle Beteiligten. Und da hört für uns der Spaß auf“, betont Olaf Schlösser, Fraktionsvorsitzender der Fraktion „Die Fraktion“.
„Die Zustände scheinen bereits seit längerer Zeit bekannt zu sein und wurden von den Mitarbeitenden entsprechend angezeigt. Die fehlende Initiative der Verantwortlichen können wir nur durch Abgestumpftheit durch das System erklären. Denn was sind schon Kinder in einer durchkapitalisierten Welt? Jedenfalls niemand, der Gewinne einfährt. Also niemand, um den man sich kümmern muss, für den Geld übrig ist“, kritisiert Schlösser.
„Dass die Prioritäten in unserer Stadt anscheinend nach diesem (kaputten) Weltbild errichtet sind, lässt sich anhand mehrerer Beispiele einfach aufzeigen: Alles, was dem Konsum schadet, wird aus dem Weg geräumt. Drogenkranke, Menschen ohne Obdach, jeder der das Shopping-Erlebnis trüben könnte, wird durch den Kommunalen Ordnungsdienst erfasst und vertrieben. Dafür werden doch gerne im Rat die Mittel erhöht“, kritisiert er.
„Währenddessen bekommen vernachlässigte und traumatisierte Kinder keine angemessene Betreuung und Hilfsangebote. (…) Die Mitarbeitenden des Jugendhilfedienstes wissen nicht mehr weiter und wir denken uns: Ja, so muss das wohl aussehen, wenn eine Stadt von Parteien regiert wird, die Wörter wie ‘sozial’ und ‘christlich’ im Namen haben. Denkt doch mal an die Kinder!”, so Schlösser weiter.
„Die Linke+“ fordert die Schaffung städtischer Betreuungsplätze
Die Fraktion „Die Linke+“ hat den „Brandbrief“ sehr genau gelesen und nimmt die Probleme sehr ernst. Dr. Petra Tautorat hätte sich allerdings auch konkrete konkrete Vorschläge oder Forderungen der betroffenen Beschäftigten gewünscht. Auch sie ist skeptisch, dass kurzfristig Lösungen möglich sind.
Allerdings könnten die Beschäftigten im Jugendhilfedienst zumindest bei einem Punkt schnell entlastet werden. Im „Brandbrief“ heißt es unter anderem: „Sobald ein Kind oder Jugendlicher in Obhut genommen werden muss, sei regelmäßig der gesamte Dienst mit elf Sachbearbeiter:innen meist ganztägig damit beschäftigt, deutschlandweit Inobhutnahmeplätze anzufragen.“ Hier könnte kurzfristig geholfen werden. Schließlich müssten nicht die Sozialarbeiter:innen die Einrichtungen abtelefonieren, dass könnten auch Verwaltungs- bzw. Hilfskräfte tun.
Grundsätzlich sei das Problem aber nur bundes- bzw. landespolitisch zu lösen: Bisher werde zu wenig getan, um den Fachkräftemangel zu beheben. Daher müssten unter anderem Studienbeschränkungen fallen – teils sind die Studiengänge mit einem hohen Numerus Clausus belegt. Zumindest im Medizinbereich gebe es da ein Umdenken: Hier könnte der NC auch ausgesetzt werden, wenn sich die Studierenden verpflichten, nach Studienabschluss für zehn Jahre als Landarzt zu praktizieren. So will man dort den Ärztemangel effektiv bekämpfen.
Außerdem macht sich „Die Linke+“ dafür stark, zusätzliche Plätze zu schaffen. Wenn dies wegen der fehlenden Finanzierung mit den freien Trägern nicht gehe, müsse die Stadt eigene Vorhalteplätze schaffen, um die Lücke zu schließen. Dies tue sie in anderen Bereich auch, verweist sie auf die ebenfalls nicht finanzierten Reserveplätze für Geflüchtete oder das Wohnraumvorhalteprogramm. Generell müsse aber ein Umdenken auch bei der Finanzierung her: Auch für das Vorhalten von Plätzen brauche es eine Landesfinanzierung.
Nordstadtblogger hat nicht nur die Fraktionen, sondern auch die Stadt Dortmund um Stellungnahme gebeten. Wir wollten u.a. Auskunft über die Zahl von besetzten und unbesetzten Stellen sowie den Krankenstand im Jugendhilfedienst haben. Allerdings war die Pressestelle auch nach neun (!) Tagen nicht in der Lage, diese Informationen zu liefern. Da das Thema aber auch heute im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie auf der Tagesordnung steht, bringen wir den Artikel nun ohne Stellungnahme der Stadt.
Update: Mittlerweile hat die Stadt geantwortet. Wir fügen die Zahlen und Aussagen als Kommentar an.
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Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Dramatischer Hilferuf: Beim Jugendhilfedienst in der Nordstadt „brennt der Baum“
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Anfrage zum Jugendhilfedienst von Nordstadtblogger – Nachtrag Zahlen (PM Stadt Dortmund)
In der Nordstadt gibt es drei Jungendhilfedienste, die voll besetzt sind. Konkret ist der Jugendhilfedienst Nord-Nordmarkt, der auch den Brandbrief verfasst hat, mit 10 Vollzeitstellen vollbesetzt. Der Jugendhilfedienst Nord-Borsigplatz ist mit 6,5 Stellen vollbesetzt. Und der Jugendhilfedienst Hafen ist mit 7 Vollzeitstellen ebenfalls voll besetzt.
Auf alle Jugendhilfedienste im gesamten Stadtgebiet fallen 127,93 Stellen – dieser Stellenschlüssel entspricht 100 Prozent. Aktuell sind davon 128,81 Stellen besetzt. Die Besetzungsquote liegt somit also bei 101 Prozent. Möglich ist das wegen einer Fluktuationsreserve. Darunter versteht sich Personal aus einem Unterstützungsteam, das einspringt, wenn es etwa Langzeiterkrankungen anderer Mitarbeitender gibt. Oder beispielsweise neue Mitarbeitende hinzukommen, und wegen der Einarbeitung besondere Unterstützung nötig ist.
Einen Vergleich zum Krankenstand der Gesamtverwaltung kann das Jugendamt nicht ziehen.
Mit Blick auf die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen folgende Antworten:
In den Jugendschutzstellen in freier Trägerschaft in Dortmund stehen insgesamt 24 Plätze zur Verfügung, verfügbare Plätze gab es dort zuletzt (Stand 12.10.) drei.
In der Bereitschaftspflege des Jugendamtes stehen für den Tagdienst 24 Plätze zur Verfügung und für den Nachtdienst (Rufbereitschaft) 26. Frei waren davon zuletzt zwei (nur Rufbereitschaft, Stand 16.10.) Mit Stand 16.10. sind 78 (50 davon in Dortmund, 28 außerhalb) Kinder und Jugendliche in Obhut (ohne Unbegleitete Minderjährige Ausländer).
Ein wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Eine Inobhutnahme ist eine kurzfristige Schutzmaßnahme. Eine „schnelle Hilfe“ für junge Menschen, etwa wenn das Jugendamt eine Kindeswohlgefährdung festgestellt hat.
In Ergänzung dazu gibt es auch längerfristig angelegte Hilfen, das heißt, die Kinder und Jugendlichen werden „stationär“ untergebracht. Dies können auch Unterbringungen in Pflegeverhältnissen sein. Die Gesamtzahl der so untergebrachten Kinder und Jugendlichen liegt bei 1.721. Zwei Drittel davon werden aktuell in Dortmund (also nicht außerhalb) untergebracht. Das Jugendamt arbeitet mit den Dortmunder Träger*innen daran, dass möglichst 80 bis 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen hier untergebracht werden können.
Thomas Ostendorf
Es wäre der Stadtverwaltung dringend anzuraten, die tatsächliche Stellenbesetzung der Jugendhilfedienste zu betrachten/zu veröffentlichen und nicht mit veralteten und faktisch erfundenen Zahlen zu arbeiten.
Ich weiß wovon ich rede…
Die genannten Zahlen bzgl. der Stellenauslastung sind aus Juli diesen Jahres und bilden keineswegs die Realität ab. Konkret sind z.B. im Dortmunder Norden 5 Stellen nicht besetzt. Die Stadtverwaltung versucht dies durch das Einbeziehen von Faktoren wie Langzeiterkrankung und Urlaub vor Stellenwechsel/Kündigung zu kaschieren. Von krankheitsbedingten Ausfällen möchte ich gar nicht anfangen.
Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland: Steigende Nachfrage, zu wenig Personal (PM)
In Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe – wie zum Beispiel der Kindertagesbetreuung, den Hilfen zur Erziehung, der Kinder- und Jugendarbeit, dem Jugendamt sowie der Jugendsozialarbeit – arbeiten in Deutschland über 1,1 Millionen Menschen. Die öffentlichen Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe, einem der zentralen sozialen Unterstützungssysteme für junge Menschen und deren Familien, betragen bundesweit inzwischen fast 62 Milliarden Euro pro Jahr. Seit über 20 Jahren untersucht der Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/TU Dortmund in regelmäßigen Abständen die Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Jetzt ist der „Kinder- und Jugendhilfereport 2024“ erschienen – diesmal mit einem Schwerpunkt zum Fachkräftemangel.
„Die Daten unseres aktuellen Reports zeigen, dass die Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer Bereich des Bildungs- und Sozialwesens an gesellschaftlicher Bedeutung und Akzeptanz gewonnen hat“, sagt Prof. Thomas Rauschenbach, wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbunds und Seniorprofessor an der TU Dortmund. Bundesweit waren im Jahr 2022 über vier Millionen Kinder in der Kindertagesbetreuung. Von den Einzelfallhilfen für junge Menschen sowie den Eingliederungshilfen bei einer seelischen Behinderung nach § 35a des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) profitierten im Jahr 2021 rund 1,27 Millionen junge Menschen und ihre Familien. Ebenfalls ausgeweitet wurde in den letzten beiden Jahrzehnten der institutionelle Kinderschutz und spürbar erhöht wurden auch die personellen Ressourcen in den Jugendämtern.
Insgesamt habe die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, gemessen an der Zahl der Beschäftigten mit über 1,1 Millionen, inzwischen die Größenordnung des allgemeinbildenden Schulwesens erreicht, betont Rauschenbach. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit finden sich mittlerweile die Berufsgruppen der Erzieher*innen sowie der Sozialpädagog*innen in der Spitzengruppe der sogenannten „Engpassberufe“: So kamen im Jahr 2022 auf bundesweit rund 8.000 arbeitslos gemeldete Erzieher*innen ungefähr 13.000 offene Stellen.
Verschärft wird der Fachkräftemangel durch den generellen demografischen Wandel: Statistisch sind für drei Personen, die in den kommenden drei Jahren aus Altersgründen aus dem gesamten Arbeitsmarkt ausscheiden werden, lediglich zwei Nachwuchskräfte zu erwarten. Vorausberechnungen gehen außerdem davon aus, dass das sozialpädagogische Ausbildungssystem die zukünftig benötigte Zahl der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe zumindest in Westdeutschland nicht ohne Weiteres decken kann. „Deshalb ist es umso wichtiger, Fachkräfte im Beruf zu halten und auch Auszubildende erfolgreich in den Beruf zu begleiten, da leider noch zu viele auf diesem Weg verloren gehen“, betont Rauschenbach.
Über den Kinder- und Jugendhilfereport 2024
Der Report fasst aktuelle Daten und Fakten zu den vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen der Kinder- und Jugendhilfe zusammen und bietet damit eine fundierte Grundlage für die aktuellen Diskussionen zu allen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe. Die Studie mit dem vollständigen Titel „Kinder- und Jugendhilfereport 2024. Eine kennzahlenbasierte Analyse mit einem Schwerpunkt zum Fachkräftemangel“ kann kostenlos als Open-Access-Version heruntergeladen werden: https://www.forschungsverbund.tu-dortmund.de/detail/news/kjh-report-2024-verffentlicht/