Von Klaus Winter
Vor 100 Jahren marschierten französische und belgische Soldaten in das Ruhrgebiet ein, um die Reparationsforderungen, die ihren Ländern aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages zustanden, durchzusetzen. Überraschend kam der Einmarsch nicht, denn 1921 waren bereits Düsseldorf und Duisburg besetzt worden. Während der Ruhrbesetzung 1923/24 gehörte Aplerbeck zum besetzten Gebiet. Es lag am östlichen Rande der Besatzungszone, war also ein Grenzort. Deshalb fanden an den Straßen, die in das unbesetzte Gebiet führten sowie an den beiden Bahnhöfen, Zollkontrollen statt.
Dortmunder Bartholomäus-Nacht war blutiger Höhepunkt
Vor allem das erste Jahr der Besatzungszeit war geprägt von Gewalt, die auch Todesopfer forderte. In Dortmund wurden am Abend des 10. Juni 1923 sieben Menschen, unter ihnen auch ein Schweizer Staatsbürger, wegen Missachtung einer Ausgangssperre, erschossen.
Ein Gemeinschaftsgrab auf dem Westentotenhof, heute Westpark, erinnert an die Opfer. Der 10. Juni 1923 ging als Dortmunder Bartholomäus-Nacht in Stadtgeschichte ein.
Ludwig Hammerschlag lebte seit 1900 in Dortmund
Zu den Dortmundern, die während der Ruhrbesetzung einen gewaltsamen Tod starben, gehörte auch der Kaufmann Ludwig Hammerschlag, ein jüngerer Bruder des bekannten Dortmunder Fotografen und Atelier-Inhabers Gustav Hammerschlag.
Ludwig Hammerschlag war 1874 im Kreis Hofgeismar geboren worden. Als er sich im Juni 1900 verlobte, gab er in der Verlobungsanzeige Dortmund als Wohnsitz an. Seine erste in den Adressbüchern überlieferte Anschrift lautete Gutenbergstraße 81.
Der Kaufmann wurde bei Zugunglück verletzt
Im September 1901 heirateten Ludwig Hammerschlag und Adele Mendel. Ihre beiden Kinder wurden 1902 und 1903 geboren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als Reisender, dann als Kaufmann.
Am 5. Mai 1911 wurde Ludwig Hammerschlag bei einem Eisenbahnunfall verletzt. Er war an dem Tag in der Mittagszeit in einen Eilzug nach Köln gestiegen, der kurz vor dem Bahnhof Düsseldorf-Rath vollständig entgleiste. Hammerschlag wurde wie die übrigen Verletzten in einem nahegelegenen Krankenhaus behandelt.
Hammerschlag war Inhaber eine Getreidegroßhandlung
Im Februar 1921 wurde die Getreidegroßhandlung des Kaufmanns Ludwig Hammerschlag in das Handelsregister Dortmund eingetragen. Im folgenden Jahr wurde es in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt mit den Gesellschaftern Ludwig Hammerschlag und Alfred Herzberg.
Die Gesellschaft „Hammerschlag und Herzberg, Getreidegroßhandlung“ bestand jedoch nicht einmal ein Jahr lang. Sie wurde im Dezember 1922 aufgelöst und unter der Firma „Ludwig Hammerschlag, Getreidegroßhandlung“ fortgesetzt.
Verhaftung und Misshandlung am Bahnhof Aplerbeck-Süd
Am 8. August 1923 wurde der Kaufmann, der sich auf der Durchreise befand, auf dem Bahnhof [Dortmund-] Aplerbeck-Süd von Franzosen zurückgehalten, weil er verschiedene Kleidungsstücke seiner Ehefrau bei sich hatte, die ihm am nächsten Tage folgen wollte.
Hammerschlag wurde als Schmuggler verhaftet, in einen Eisenbahnwaggon gesperrt und soll mit Peitsche und Bajonett traktiert worden sein. Dabei verlor der herzleidende Kaufmann auch die Besinnung. Als er dann um ein Glas Wasser bat, goss man ihm einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf.
Der Arzt konnte nur noch den Tod feststellen
Kurz darauf starb Ludwig Hammerschlag. Ein hinzugerufene Arzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Der Arzt schilderte, dass die Nase blutunterlaufen und voll von geronnenem Blut gewesen war.
Das Sterberegister des Standesamtes Aplerbeck bestätigt, dass Ludwig Hammerschlag auf dem Südbahnhof verstorben war. Der Eintrag war aufgrund einer Anzeige der Polizeibehörde Aplerbeck vorgenommen worden.
Ludwig Hammerstein fand seine letzte Ruhestätte auf dem jüdischen Teil des Hauptfriedhofes. Sein Grabmal befindet sich in einem recht guten Zustand. Einen Hinweis auf die Umstände seines Todes ist auf dem Grabmal nicht vermerkt.
Spätere Erinnerungen an die Todesopfer
Als Opfer der Ruhrbesetzung blieb Ludwig Hammerschlag noch einige Zeit in Erinnerung. Zehn Jahre nach seinem Tode wurde er gemeinsam mit den anderen Dortmunder Todesopfern der beiden Besatzungsjahre in einem Artikel der nationalsozialistischen Tagespresse geehrt. Es lässt sich heute nicht mehr feststellen, ob man seine Religionszugehörigkeit zu der Zeit ignoriert oder nicht mehr gekannt hatte.
Auf der Steinplatten-Urkunde des Ehrenmals für die rund 8.000 im Ersten Weltkrieg gefallenen Dortmunder am Kaiserhain, aus dem der heutige Westfalenpark hervorging, waren auch die Namen derjenigen verzeichnet, die während der Ruhrbesetzung ihr Leben verloren haben, also auch der Name Ludwig Hammerschlag.
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