Mit dem Begriff Nachhaltigkeit können acht von zehn Bundesbürger*innen etwas anfangen, bringen ihn aber zumeist mit ökologischen und klimatischen Zielen in Verbindung. Konkrete Folgen werden für den Kauf von Lebensmitteln und Haushaltsgeräten sowie für das Heizen gesehen, kaum dagegen für Geldanlagen und Versicherungen. Die Versicherungswirtschaft sollte mehr über ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit kommunizieren, lautet ein Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage vom Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund.
Ein Ziel der Studie zur Nachhaltigkeit und Versicherungen aus Sicht von Kund*innen war, das Wissen und die Einstellung der bundesdeutschen Haushalte zum Thema Nachhaltigkeit zu untersuchen und herauszufinden, ob sie diese unter anderem auch mit Versicherungen in Verbindung bringen. Weiteres Ziel war, festzustellen, ob die aktuell starke Geldentwertung (Inflation) das Interesse an nachhaltigem, teilweise aber auch teurerem Konsum zugunsten preiswerter Produkte und Dienstleistungen verdrängt. Schließlich war Ziel, eine Nachhaltigkeitstypologie der Bevölkerung zu erstellen.
Nachhaltig wird mit ökologisch und klimafreundlich übersetzt
Immerhin 82 Prozent der Befragten konnten mit dem Begriff Nachhaltigkeit grundsätzlich etwas anfangen. In eigenen Definitionen betonten sie überwiegend den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit. „Die aktuelle Klimadebatte beeinflusst die Haltung stark“, erläutert Prof. Dr. Matthias Beenken, einer der Studienautoren und Lehrender am Fachbereich Wirtschaft der FH Dortmund. „Dabei umfasst der Begriff Nachhaltigkeit auch noch andere Umweltziele sowie Ziele der sozialen Gerechtigkeit und der guten Unternehmensführung.“
Für 70 Prozent ist Nachhaltigkeit persönlich wichtig. Daraus werden am häufigsten Konsequenzen für die Bereiche Lebensmitteleinkauf, Heizung und technische Haushaltsgeräte gezogen, dagegen überwiegend nicht für Geldanlagen und für Versicherungen. Wenn sich die Befragten zwischen teureren, aber nachhaltigen, oder preiswerteren, nicht nachhaltigen Angeboten entscheiden sollen, geht das nur bei Lebensmitteleinkauf, Heizung und technischen Haushaltsgeräten sowie Kleidung mehrheitlich zugunsten der Nachhaltigkeit aus. Bei Mobilität, Restaurantbesuchen und Kosmetik halten sich Nachhaltigkeits- und Preisorientierte in etwa die Waage. Dagegen dominiert bei Urlaubsreisen, Geldanlagen und Versicherungen die Preisorientierung.
Bezüge zwischen Nachhaltigkeit und Versicherungen selten bekannt
„Das kann bei Versicherungen damit zusammenhängen, dass vielen Kund*innen gar nicht klar ist, dass Versicherungen nachhaltig sein können“, sagt Co-Autor Prof. Dr. Hubert Bornhorn. „Beispielsweise dient eine private Altersvorsorge der Generationengerechtigkeit und damit der Nachhaltigkeit, weil man die Finanzierung des Lebensstandards im Alter nicht künftigen Steuerzahler*innen überlässt. Tatsächlich aber gibt es noch weitaus mehr Bezüge zur Nachhaltigkeit wie nachhaltige Kapitalanlagen, nachhaltige Versicherungsprodukte nicht nur in der Lebensversicherung oder einen nachhaltigen Versicherungsbetrieb.“
Bisher haben nur sieben Prozent der Befragten Werbung und sechs Prozent Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Versicherungen wahrgenommen. „Dazu muss man wissen, dass die rechtlichen Grundlagen für solche Informationen seitens der EU bis heute sehr lückenhaft und Versicherer deshalb dem Risiko ausgesetzt sind, Greenwashing und damit irreführende Aussagen zur Nachhaltigkeit vorgehalten zu bekommen“, erklärt Co-Autor Prof. Dr. Lukas Linnenbrink. Immerhin 26 Prozent der Teilnehmer*innen äußern ein Interesse an Informationen zur Nachhaltigkeit von Versicherungen. Dieser Anteil liegt sogar bei mehr als 40 Prozent, wenn die Befragten schon Werbung oder andere Informationen erhalten haben. „Versicherer sollten das als Chance begreifen, durch verstärkte Kommunikation und glaubhafte Beispiele ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu verdeutlichen“, so Lukas Linnenbrink.
28 Prozent sparen künftig am Versicherungsschutz
Die besonders seit dem Ukraine-Krieg hohe Inflation berührt die Befragten besonders stark im Bereich Lebensmitteleinkauf und Heizen, seltener dagegen bei Geldanlagen und bei Versicherungen. Noch kann eine Mehrheit der Befragten mit den Folgen der Inflation umgehen. Viele haben Sparmaßnahmen ergriffen, am häufigsten (64 Prozent) im Bereich Energie. Sollte die Inflation weiter anhalten oder sich verstärken, ist mit einer Zunahme von Sparmaßnahmen auch in anderen Bereichen des privaten Konsums zu rechnen. Mehr als jeder Zehnte würde dann zusätzlich zu derzeit schon 17 Prozent der Befragten an den Versicherungen sparen, insgesamt dann 28 Prozent. „Damit könnten Existenzsicherungen und Vorsorge in Gefahr geraten“, so Linnenbrink.
Zwei Drittel der Befragten halten Nachhaltigkeit explizit nicht für eine vorübergehende Mode. Aber immerhin 40 Prozent stellen die Nachhaltigkeit zurück, solange die Preise weiter steigen. Umgekehrt zeigen sich 44 Prozent bereit, ihr Verhalten zu verändern. „Diese Verhaltensveränderungen werden zumeist mit Verzicht und Einsparungen, mit Reparatur oder Wiederverwendung gebrauchter Geräte verbunden“, berichtet Studien-Co-Autor Prof. Dr. Jens Mörchel. „Darin steckt für Versicherer eine Chance, positive Aspekte der Nachhaltigkeit wie die Investition in neue, bessere Energieerzeugungen und nachhaltige Produkte mithilfe seiner Anlagen und Versicherungsanlagen zu betonen.“
Details zur Studie:
Die Studie der Professoren Matthias Beenken, Hubert Bornhorn, Lukas Linnenbrink und Jens Mörchel vom Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2.000 Personen zwischen 18 und 69 Jahren. Repräsentativität besteht hinsichtlich Alters- und Geschlechterverteilung, Herkunft aus den Bundesländern und Schulbildung. Die Befragten stammen aus einem etablierten Panel und wurden im Zeitraum vom 23.11. bis 5.12.2022 online durch das Kölner Marktforschungsinstitut HEUTE UND MORGEN GmbH befragt. Die Datenbeschaffung wurde aus Stiftungsmitteln finanziert.
Hintergrund:
Die Versicherungs- und Finanzwirtschaft sollen nach Vorstellungen der Europäischen Union deren „Green Deal“ unterstützen – und damit eine Transformation der Realwirtschaft in Richtung Klimaneutralität und weiterer Ziele der sozialen Nachhaltigkeit und der guten Unternehmensführung (gemäß dem Kürzel „ESG“ für Environment, Social, Governance). Dazu sollen Anleger*innen informiert, befragt und beraten werden, die ihre Geldanlagen oder Versicherungsanlagen in Lebensversicherungen mit nachhaltigen Zielen umschichten möchten.
Download:
Ein E-Book der Studie ist online bei der Bibliothek der Fachhochschule Dortmund kostenfrei abrufbar: www.fh.do/ebook
Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, hat die gemeinsame Spitzenforschung der Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr), die in der Research Alliance organisiert wird, durch eine weitere Finanzierungszusage gesichert: Bei einem Besuch übergab sie den Hochschulleitungen der Ruhr-Universität Bochum, der Technischen Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen einen Zuweisungsbescheid über 48 Millionen Euro für 2025.
Auf dem Campus der TU Dortmund traf die Wissenschaftsministerin nicht nur Rektoratsmitglieder der drei Partneruniversitäten der UA Ruhr, sondern auch fünf Gründungsprofessor*innen der vier Research Center und des College for Social Sciences and Humanities, die im Rahmen der Research Alliance derzeit aufgebaut werden. Im Jahr 2021 auf Initiative der Ruhr-Konferenz gegründet, entstehen hier bis zu 50 neue Professuren. Nachdem die ersten Berufungen bereits in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen werden konnten, wird in den kommenden beiden Jahren der Vollausbau erfolgen. 75 Millionen Euro hatte das Ministerium für Kultur und Wissenschaft der UA Ruhr bereits für die ersten drei Jahre der Aufbauphase bis 2024 zugewiesen.
Ministerin Ina Brandes sagte: „Exzellente Wissenschaft braucht exzellente Ausstattung und Planungssicherheit. Deshalb freue ich mich, dass wir der Research Alliance Ruhr heute mit weiteren 48 Millionen Euro den Ausbau dieser einzigartigen Allianz dreier Universitäten im Ruhrgebiet ermöglichen. Im Verbund schöpfen die Hochschulen ihr Potenzial noch besser aus und leisten einen wertvollen Beitrag für den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen mit internationaler Strahlkraft. Hier werden Lösungen für die drängenden Zukunftsfragen für den Alltag der Menschen, etwa der Energieversorgung, Digitalisierung und Gesundheitsversorgung, erdacht.“
Prof. Manfred Bayer, als Rektor der TU Dortmund Gastgeber beim Besuch der Ministerin, dankte ausdrücklich dafür, dass das Land die Spitzenforschung im Ruhrgebiet trotz angespannter Haushaltslage weiter unterstützt: „Wir sind uns sicher, dass diese Mittel gut angelegt sind, um das Ruhrgebiet als Forschungs- wie als Wirtschaftsregion weiter zu stärken“, sagte er. „Wir schaffen damit mehr als nur neue Stellen im Wissenschaftsbetrieb – es geht auch um wissenschaftliche Erkenntnisse, die mithilfe von Partnern aus der Region in Innovationen münden sollen.“
Prof. Barbara Albert von der Universität Duisburg-Essen betonte: „Die Universitäten sind durch diese Initiative auch weiter Vorbild für Kooperationen im Ruhrgebiet: Die Research Alliance Ruhr hat die Zusammenarbeit der UA Ruhr weiter vertieft, da nun systematisch interdisziplinäre Forschungszentren über alle drei Hochschulen hinweg aufgebaut werden.“ Prof. Martin Paul von der Ruhr-Universität Bochum wies auf den Mehrwert für die Region hin: „Durch die Bündelung unserer Kompetenzen kann es uns gelingen, auch die internationale Sichtbarkeit der Wissenschaft im Ruhrgebiet weiter zu steigern. So liegt bei den Neuberufungen ein Augenmerk auf Kooperationen mit Wissenschaftsinstitutionen aus aller Welt.“
Die vier Research Center forschen zu drängenden Zukunftsfragen aus den Bereichen ganzheitliche Gesundheit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie Energiewende. Für die Geistes- und Sozialwissenschaften entsteht mit dem College zudem ein themenoffenes Forum für den interdisziplinären Dialog mit internationalen Gastwissenschaftler*innen. An der Spitze steht jeweils ein Gründungsdirektor oder eine Gründungsdirektorin: Prof. Dirk Schadendorf für das „Research Center One Health Ruhr”, Prof. Martina Havenith-Newen für das „Research Center Chemical Sciences and Sustainability”, Prof. Emmanuel Müller für das „Research Center Trustworthy Data Science and Security”, Prof. Alfred Ludwig für das „Research Center Future Energy Materials and Systems” sowie Prof. Julika Griem für das „College for Social Sciences and Humanities”.
Bildhinweise (beide Bilder: Martina Hengesbach/TU Dortmund):
Labor: NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes besuchte ein Labor der Fakultät Physik der TU Dortmund.
Gruppe: Die NRW-Wissenschaftsministerin traf Rektoratsmitglieder der UA Ruhr sowie Vertreter*innen der vier Research Center und des College, die im Rahmen der Research Alliance aufgebaut werden: (v.l.) Dr. Christina Reinhardt, Kanzlerin Ruhr-Universität Bochum, Prof. Maximiliane Wilkesmann, College for Social Sciences and Humanities, Prof. Manfred Bayer, Rektor TU Dortmund, Ministerin Ina Brandes, Albrecht Ehlers, Kanzler TU Dortmund, Prof. Barbara Albert, Rektorin Universität Duisburg-Essen, Prof. Martin Paul, Rektor Ruhr-Universität Bochum, Jens Andreas Meinen, Kanzler Universität Duisburg-Essen, Prof. Emmanuel Müller, Research Center Trustworthy Data Science and Security, Prof. Martina Havenith-Newen, Research Center Chemical Sciences and Sustainability, Prof. Alfred Ludwig, Research Center Future Energy Materials and Systems, Prof. Bernd Sures, Research Center One Health Ruhr.