Von Klaus Winter
Im Jahre 1901 wurde der „Konsumverein für Dortmund und Umgebung“ ins Leben gerufen. Sein Ziel war es, seinen Mitgliedern günstige Einkaufsmöglichkeiten für die Dinge des täglichen Bedarfs anzubieten. Dazu sollten die Waren direkt in großen Mengen bei den Erzeugern gekauft und über eigene Verteilungsstellen an die Mitglieder veräußert werden.
Ein Feilenhauer gab den Anstoß
Als Initiator des Konsumvereins gilt der Feilenhauer Schönfelder. Er hatte in seiner Heimatstadt Kiel das Genossenschaftswesen bereits kennengelernt. Seine Schilderungen darüber fielen in Dortmund auf fruchtbaren Boden.
Am 31. Oktober 1901 kam es deshalb zu der Vereinsgründung. 31 Mitglieder unterzeichneten das Gründungsprotokoll. Es war das erste Mal in der Stadt, dass Metallarbeiter, Bergleute und Brauereiarbeiter ein Wirtschaftsunternehmen gründeten und auch selber leiteten.
Erste Verteilungsstelle befand sich in einem Hinterhaus
Die Anfänge waren selbstverständlich dürftig. Als nach einer mehrmonatigen Vorbereitungsphase die erste Verteilungsstelle am 15. Mai 1902 ihre Tätigkeit aufnehmen konnte, betrug das Betriebskapital weniger als 2.200 Mark. Dieser Betrag drückt aus, dass keine kapitalkräftigen Investoren hinter dem Verein standen, sondern Arbeiter, die in bescheidenen Verhältnissen lebten.
Die erste Verteilungsstelle befand sich in gemieteten Räumen im Hinterhaus des Hauses Steinstraße 6. Man hatte diesen Ort gewählt, weil er nahe dem verkehrsreichen Steinplatz und dichtbevölkerten Arbeiterquartieren lag.
Weitere Verteilungsstellen entstanden rasch
Der Konsumverein durchlebte die Sorgen und Nöte eines neugegründeten kleinen Unternehmens. Die Verteilungsstelle Steinstraße wurde von den damals 349 Genossenschaftsfamilien genutzt, die zum Teil weite Wege auf sich nahmen. Im Geschäftsjahr 1902 sorgten sie für einen Umsatz in Höhe von 32.100 Mark.
Immerhin erstarkte der junge Verein so, dass er bereits im Mai 1903 seine zweite Verteilungsstelle eröffnen konnte. Diese lag an der Tiefe Straße im heutigen Hoesch-Quartier. 1904 ging die dritte Verteilstelle in Lünen-Süd in Betrieb.
Wachstum beruhte auch auf Fusionen
Der Konsumverein wuchs nicht allein durch die Eröffnung zusätzlicher Verteilungsstellen, sondern auch durch den Zusammenschluss mit anderen Konsumvereinen. Es galt der Grundsatz, dass vereint noch größere Erfolge erzielt werden konnten.
Die Konsumvereine von Eichlinghofen, Barop, Stockum und Marten waren die ersten, die mit dem Dortmunder Verein verschmolzen. Das geschah noch vor dem Ersten Weltkrieg. Wegen einer regionalen Ausdehnung in Richtung Hamm, wurde Verein in Konsum- und Sparverein Dortmund-Hamm umbenannt.
Neue Zentrale entstand an der Bornstraße
Das Wachstum des Konsumvereins bedingte die Anlage eines größeren Zentrallagers und den Sitz einer Verwaltung. Während der Suche nach einem geeigneten Ort wurde verschiedene Zwischenlösungen genutzt, die alle bald an ihre Grenzen stießen.
Im Jahre 1909 konnte der Konsumverein das Grundstück Bornstraße 315 für den Preis von 146.000 Mark erwerben. Das Grundstück war besonders geeignet, weil es über einen Eisenbahnanschluss verfügte. Hier sollte eine Betriebszentrale errichtet werden. Die Baumaßnahme dauerte bis 1911.
Der mächtige Neubau der Betriebszentrale des Konsumvereins an der Bornstraße, Arbeitsplatz für rund 75 Beschäftigte, umfasste außer den Lagerräumen auch eine Brotfabrik, eine Kaffeerösterei, eine Schrotmühle und Anlagen zur Herstellung von Brauselimonaden und Selterswasser. Hier konnten auch die Pferdefuhrwerke und Lieferwagen untergebracht werden. Ferner gab es einen Besprechungsraum.
Mitglieder genossen verschiedene Vorteile
Rund 10.000 Mitglieder zählte der Konsum- und Sparverein 1911. Sie konnten nicht allein günstig einkaufen, sondern am Ende des Geschäftsjahres auch mit einer Rückerstattung rechnen. Außerdem bezogen sie vierzehntägig kostenlos das „Konsumgenossenschaftliche Volksblatt“ und waren beitragsfreie Mitglieder einer Sterbekasse, die bei Todesfällen eine kleine Unterstützung zahlte.
Die Zahl der Verteilungsstellen war auf 34 gestiegen. Nur sieben lagen im damaligen Dortmunder Stadtgebiet. Die übrigen befanden sich in heutigen Vororten, aber auch in Städten der Umgebung wie Lünen, Unna und Hamm. Man rechnete damit, dass sich der Umsatz zum Jahresende 1911 auf drei Millionen Mark belaufen würde.
Die Nationalsozialisten verboten die Konsumvereine
Der Konsum- und Sparverein überstand die Härten und Einschnitte des Ersten Weltkriegs, der Inflation und der Ruhrbesetzung und schließlich auch die Weltwirtschaftskrise. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten brachen weitere schwere Jahre an.
Seit 1933 durfte der Konsum- und Sparverein keine weiteren Verteilungsstellen mehr eröffnen. 1941 wurden die Konsumgenossenschaften per Dekret aufgelöst und in Filialbetriebe umgewandelt.
Im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges fielen mehr als dreißig Verteilungsstellen des vormaligen Vereins den Bomben zum Opfer. Auch die große Betriebszentrale an der Bornstraße erlitt Bombentreffer. Das Verwaltungsgebäude brannte vollkommen aus.
Konsumgenossenschaft wurde 1946 wiedergegründet
Viele Schäden konnten nach Kriegsende beseitigt werden, so dass der Betrieb wieder aufgenommen werden konnte. Aber die ehemaligen Geschäftshäuser in der Münsterstraße Nr. 56, Rheinischen Straße Nr. 34, Haydnstraße Nr. 64 und Liebigstraße Nr. 22 waren im Jubiläumsjahr 1951 noch vollkommen zerstört.
Am 18. Oktober 1946 konnte die Konsumgenossenschaft wieder gegründet werden. In der Jubiläumsschrift von 1951 heißt es: Die wirtschaftlich-demokratische Grundlage für das Unternehmen wurde wieder geschaffen, und nun betrieben Vertreter und Stellvertreter, ehrenamtliche Mitarbeiter und Belegschaftsmitglieder mit sichtlichem Erfolg die Werbung und den Auf- und Ausbau des genossenschaftlichen Unternehmens.